Duisburg-Ruhrort. Die Duisburger Pianistin und Sängerin Anke Johannsen präsentiert auf ihrem neuen Album spannende Harmonik – und leider auch platte Texte.

Während im Ruhrorter Hafen die großen Verladekräne friedlich rumoren, geht es am Samstagabend für Musikfans gleich nebenan hoch hinaus. Die Pianistin, Sängerin und Wahl-Duisburgerin Anke Johannsen holt im Ophardt-Auditorium über den Dächern des Stadtteils ihr April-Konzert nach. Nicht irgendein Konzert freilich, sondern die Livepräsentation ihres neuesten Albums „Wir Zugvögel“. Das Kreativquartier Ruhrort hatte geladen, und gekommen waren gut 40 Gäste, die sich in den gemütlichen Sesseln der Duisburger Werft lümmelten. Die ganze Zeit mit Maske allerdings, zu klein sind die Abstände für maskenlosen Musikgenuss. Das Publikum bekam eine Menge geboten: Eine grenzüberschreitende Jazz-Pop-Mischung, unerwartete musikalische Wendungen – und hin und wieder leider auch ziemlich platte Texte.

Duisburger Pianistin spielt Jazzpop – mit überraschenden Kniffen

Den Konzertabend eröffnet Anke Johannsen nur mit Klavier und Stimme – und zeigt vor allem am Klavier, wo die Reise hingeht. Den ganzen Abend über baut die Musikerin riesige Harmoniewände auf, eine Menge Vorhalt-Akkorde halten die Begleitung für Johannsens warme, lyrische Stimme ständig auf Spannung. Hin und wieder überrascht die Pianistin aber auch mit harmonischen Wendungen, die den Stücken angenehm unaufgeregte Höhepunkte verschaffen.

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Als zum zweiten Song, die Eröffnung des Konzert kommt noch ohne Titel aus „Wir Zugvögel“ aus, Drummer Jens Otto dazukommt, offenbart Anke Johannsen den zweiten wichtigen Aspekt ihres instrumentalen Schaffens. Zusammen mit der Cajon-Begleitung von Otto schmuggelt die Musikerin auch rhythmische Abwechslung in ihre Lieder, hier wird ein Schlag verschluckt, dort mal einer mehr gespielt, das lässt die Zuhörer aufmerksam die Ohren spitzen.

Das alles erinnert den ganzen Konzertabend lang an den Stil der schwedischen Jazzpop-Trios, die in den 2010er Jahren ihre Hochzeit erleben, besonders das schwedisch-kubanisch-deutsche Tingvall-Trio lässt grüßen. Ein Trio wird die Band im Ophardt-Auditorium zum dritten Song – und immer wieder während des Konzerts – dann auch, Anja Schröder spielt auf ihrem Cello eine Begleitstimme.

Tolle Geschichten mit Max-Giesinger-Texten

Das Cello kommt immer dann zum Einsatz, wenn Johannsen Stücke von ihrem neuesten Album „Wir Zugvögel“ spielt. Hinter der 2019 erschienenen Platte und ihren elf Songs steht ein spannendes Konzept: Auf insgesamt zehn Zugfahrten unterhielt sich Anke Johannsen mit zehn verschiedenen Menschen und verarbeitete den Inhalt dieser Unterhaltungen zu Musikstücken.

Beim Zuhören ist es dann besonders faszinierend, sich quasi „rückwärts“ die Geschichte der besungenen Menschen aus dem Liedtext auszumalen. Das ist mal ziemlich einfach („Schnittmuster vom Glück“), manchmal aber auch verzwickt und philosophisch („Wir können nicht sicher sein“)

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So fließt der Musikabend entspannt dahin, zwar setzen Johannsen und Otto hin und wieder zum Groove an, die Stücke vom neuen Album klingen aber eher poetisch und sanglich.

Apropos Gesang: Zwar blitzt hin und wieder auch die erfahrene Texterin und Poetin Johannsen durch, etwa in „Geflogen wird nach vorn“, einem Lied über das Aufbrechen, Ankommen oder Dableiben, viel öfter wird das Publikum aber mit leeren Texthülsen beschossen. „Teilen ja / urteilen nein / Bewertung muss nicht sein“ klingt eher nach Max-Giesinger-Kalendersprüchen als nach Texten, die die Lieder verdient hätten, denn rein instrumental klingen die Kompositionen wie aus einem Guss. Sehr konsonant und ein wenig gefällig vielleicht – aber dafür gehen die Songs runter wie heiße Milch mit Honig.

>> DAS ALBUM „WIR ZUGVÖGEL“

• Das Album „Wir Zugvögel“ gibt es auf seiner eigenen Internetseite wirzugvögel.de zu bestellen. Auf Spotify steht das Album zum Streamen bereit.

• Anke Johannsen ist nicht nur Sängerin, Komponistin und hervorragende Pianistin. Was sie mit Poesie, Tagungen und Konferenzen zu tun hat, steht auf ihrer Internetseite anke-johannsen.de.

• Der Konzertveranstalter, das Kreativquartier Ruhrort, informiert im Internet unter kreativquartier-ruhrort.de über kommende Veranstaltungen.