Duisburg-Ruhrort. Das „Ensemble unterwegs“ tauscht Musik gegen einen Schlafplatz oder ein Essen. Von den Anekdoten und Erlebnissen zehren die Musikerinnen lange.
Wenn Barbara Schachtner, Annette Walther, Friederike Imhorst und Anna Betzl-Reitmeier ihre Instrumente schultern, schauen ihnen Passanten neugierig nach. „Guck mal, was haben die denn dabei?“, fragt zum Beispiel ein Kind, als das Quartett durch die Ruhrorter Straßen schlendert. Die vier Musikerinnen haben sich vor Jahren für ihr musikalisches Wanderprojekt zusammengefunden. Mit Geige, Viola und Cello geht’s auf die Walz – zu Fuß von Konzert zu Konzert. Nun zwingt Corona das Ensemble von seinen üblichen Regeln abzuweichen. Um in Sachen „Unterwegssein“ in Übung zu bleiben, machten die Musikerinnen, die aus umliegenden Städten stammen, Station in Marxloh und Ruhrort.
Tauschgeschäft: Musik gegen einen Schlafplatz
„Wir nehmen kein Geld mit, tauschen unsere Musik gegen einen Schlafplatz oder etwas zu essen“, erklärt Cellistin Anna Betzl-Reitmeier. Die Touren führen sie meistens aufs Land, doch Ruhrort und Marxloh fasziniert sie ebenso. „Heute haben wir im Petershof gespielt. Das war berührend zu sehen, wie die Menschen auf unsere Musik reagieren“, beschreibt Sopranistin Barbara Schachtner. Zum Repertoire gehören „Schuberts Winterreise“, aber auch bekannte Volkslieder oder Eigenkompositionen. „Für unsere Besetzung gibt’s kaum Originalliteratur, deshalb arrangieren wir manchmal selbst“, erklärt die Sängerin.
Im Gepäck haben die vier Frauen neben Noten etwa zwei T-Shirts – damit sie für einen Auftritt ein „Gutes“ zum Wechseln haben – Shampoo im Miniaturformat, die Iso-Matte, einen Schlafsack und natürlich ihre „Straßeninstrumente“. Die dürfen auch nass werden. Das ist gut, denn gerade fängt es wieder an zu schütten. Zum Glück ist das kleine Konzert, für das sie sich im Malteserstift St. Nikolaus angekündigt haben, von der Terrasse in die Cafeteria verlegt worden. Einrichtungsleiter Marc Strobel und Birgit Nachtmann, Leiterin des Sozialen Dienstes, improvisieren schnell, um vielen Bewohnern das Konzert unter Corona-Bedingungen zu ermöglichen. „Normalerweise haben wir öfter Musiker hier, aber seit Corona ist das eine absolute Ausnahme“, erklärt Birgit Nachtmann. Der Kontakt ist über das Kreativquartier zustande gekommen.
Fritz Ullrich sitzt mit seiner Frau Ruth an der Seite und singt bei einem Volkslied sogar mit. „Ich liebe Musik, höre gerne Klassik und manchmal Schlager“, erzählt er und verrät: Seine Gattin singe ja gerne, „aber das möchte hier keiner hören“! „Stimmt ja gar nicht“, entgegnet sie und betont, wie gut ihr das Konzert gefallen habe.
Lieder aus den Regionen dabei
Nach einer guten Stunde geht’s für das „Ensemble unterwegs“ weiter. Es hat noch einen Auftritt in der Galerie Ruhrkunstort. Sie schultern ihre Instrumente erneut und schlendern durch die Straßen. Die Besucher empfangen die Musikerinnen schon mit Applaus, bevor sie ihren Notenständer wieder richten. Die Erfahrungen, die sie unterwegs machen, fließen später wieder in ihre Programme ein. Dann berichten sie von den Anekdoten und Begegnungen. „Die Zeit ist immer sehr intensiv und macht unsere anderen Konzerte erst möglich“, findet Anna Betzl-Reitmeier. Friederike Imhorst ergänzt: „Wir haben zum Beispiel Lieder aus den Regionen dabei, die wir durchwandern.“ Passend zu Duisburg ist es der Walzer „Einmal am Rhein und dann zu Zwei’n alleine sein“ von Willi Ostermann. „Glück auf“ könnten sie auch noch anstimmen. In Ruhrort haben sie leichtes Spiel. Sie dürfen gerne nochmal vorbei kommen, wenn sie auf der Walz sind.