Duisburg. Ein Bahnkunde bucht frühzeitig ein Ticket, stellt aber am Duisburger Hauptbahnhof fest: Den Zug gibt’s gar nicht. Über eine unglaubliche Odyssee.

Eigentlich hat der Dresdener Helge Mai den Ausflug mit der Freundin in den tiefen Westen mit einer gemütlichen Rückreise krönen wollen. Die Tickets samt Fahrradplätze und Platzreservierung für den IC2451 hatte er schon im Februar gebucht. Zum Super-Sparpreis. Doch mit Sack und Pack am Duisburger Hauptbahnhof erwartet sie eine böse Überraschung: „Ihren Zug? Gibt’s nicht.“

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Ausgefallen? „Nee, den Zug, für den wir gebucht haben, gibt es nicht“, antwortet Mai seinem Duisburger Freund per Handy. Was nun folgte, gestaltete sich als zwölfeinhalbstündige Odyssee mit drei Umstiegen.

Bahnkunde erlebt vom Duisburger Hauptbahnhof aus eine zwölfeinhalbstündige Odyssee

Denn statt direkt ostwärts nach Berlin und dann mit einem Umstieg südlich zum Ziel zu kutschieren, ging’s für das Paar erst in den Süden nach Frankfurt am Main. Wegen der Ruhezeiten mussten Mai, Freundin und Fahrräder allerdings erst einmal dreieinhalb Stunden vor Ort verbringen.

Dann schipperten sie per Schiene wieder nordostwärts nach Erfurt, stiegen hier um in den Zug hoch nach Leipzig. Von dort wieder ein Stück runter nach Dresden-Neustadt. Erwartete Ankunft: morgens um 9.30 Uhr. Voraussichtliche Fahrzeit: zwölf Stunden, dreißig Minuten. Zustand: gerädert.

Ursprünglich hätte ihre Rückreise schlanke sechseinhalb Stunden dauern sollen, also halb so lang. Doch für den gebuchten „Geisterzug“ fand sich kurzfristig kein Ersatz, der auch den Transport der Fahrräder möglich gemacht hätte.

Zugausfälle trotz Buchung sind keine Einzelfälle

„Ihre Reisedaten können sich kurzfristig durch Bauarbeiten oder andere erforderliche Fahrplananpassungen ändern“, heißt es standardmäßig auf jedem ausgedruckten Online-Ticket der Deutschen Bahn. „Standard“ sind diese Aus-Fälle zwar nicht, doch auch kein Einzelfall. Wer die Service-Seite der Bahn, community.bahn.de, nach gebuchten Verbindungen, die plötzlich nicht mehr existieren, absucht, wird schnell bei etlichen Beiträgen fündig.

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Die Verbindung habe es im Februar noch gegeben, es handle sich nicht um einen ‘Geisterzug’, teilt eine Sprecherin der Deutschen Bahn mit. Aber: „Die vom Kunden im Februar gebuchte IC-Verbindung steht derzeit aufgrund der Corona-bedingten Fahrplananpassungen leider nicht zur Verfügung.“

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Das könne auch weiterhin vorkommen. Denn zwar habe die Bahn ihren Fernverkehr seit Mitte Juni wieder in Betrieb genommen, doch bei einzelnen, ausgewählten Zugfahrten bestünden auch in den nächsten Monaten noch Einschränkungen.

Bahnsprecherin bedauert den Fall

Im Fall von Helge Mai seien erschwerend die Mitnahme der Fahrräder hinzugekommen, und – durch die dann erst späte Fahrt – noch Anschlusswartezeiten in Frankfurt durch den geringeren Fernverkehr in der Nacht. Die Sprecherin bedauert den Fall und empfiehlt grundsätzlich, dass sich Fahrgäste kurz vor Fahrtantritt online auf www.bahn.de über etwaige Änderungen informieren.

Wer die App DB Navigator nutzt, könne sich über einen persönlichen Account auch Fahrtenänderungen aufs Handy schicken lassen. Mehr Kulanz als die Zugfahrt samt Reservierung kostenlos umbuchen zu lassen, gewährt die Bahn allerdings nicht – selbst wenn Mai auf den Ausfall keinen Einfluss hatte.

Schlichtungsstelle: Kein Anspruch auf Fahrpreiserstattung

Einen Anspruch auf Fahrpreiserstattung aufgrund der längeren Fahrt sieht auch die Schlichtungsstelle Nahverkehr in diesem Fall nicht, „denn der Kunde hat sich auf die Umbuchung eingelassen“, sagt eine Sprecherin. Und diese Verbindung hatte schließlich keine Verspätung gehabt, sondern einfach so lang gedauert. Natürlich hätte der Kunde statt der Umbuchung den Ticketpreis zurückverlangen können, wäre aber für das erstattete Geld wohl nicht bis Dresden gekommen.

Hätte die Bahn den Kunden rechtzeitig über den Ausfall informieren müssen? Dafür hätte der Betroffene seine Daten angeben müssen, bestätigt die Schlichtungsstelle ebenso. Die Sprecherin sieht die Informationspflicht eher beim Kunden: „Wenn ich ein halbes Jahr vorher ein Ticket buche, sollte ich mich auch vor Reiseantritt erkundigen, wann der Zug fährt.“

>> DAS ANGEBOT DER DEUTSCHEN BAHN BEI FERNREISEN

Fahrrad und Zugfahrten kombinieren? Wie gut ist das Angebot der Deutschen Bahn bei Fernreisen? Zumindest besser geworden, teilt die Pressesprecherin auf Anfrage mit: Die zur Verfügung stehende Zahl der Plätze sei aber von den jeweils eingesetzten Fahrzeugtypen abhängig.

• „So verfügen beispielsweise die neuen ICE 4-Züge über acht Stellplätze für Fahrräder. Im Intercity- und Eurocityverkehr mit klassischen Reisezugwagen stehen je nach Bauart acht bis 16 Stellplätze für Fahrräder zur Verfügung“, sagt die Sprecherin.

• Die Intercity-2-Doppelstockzüge (Bombardier) haben neun Stellplätze, die Intercity-2-Doppelstockzüge (Stadler) verfügen über acht Stellplätze für Fahrräder.