Duisburg. Der Künstler Heinz Josef Klaßen besticht in der Duisburger Cubus Kunsthalle mit Fotorealismus. Der Star ist das Ruhrgebiet und sein Charme.

Foto oder Gemälde, Gemälde oder Foto. Was was ist, ist bei den Arbeiten des Künstlers Heinz Josef Klaßen nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Eine Ausstellung mit den Werken des Zeichners, Malers, Fotografen und Bildhauers, der gebürtig aus Meppen stammt, ist ab Sonntag, 20. September, in der Duisburger Cubus Kunsthalle im Kantpark zu besichtigen. Bei einer Vorbesichtigung erklärte der Künstler, seit dem 17. September stolze 84 Jahre alt, was ihn künstlerisch bewegt, wie er technisch arbeitet und warum er selbst Kunstfarbfoto-Pionier Andreas Gursky voraus war.

Das Künstlerherz schlägt für die Industrie – auch für die in Duisburg

Im Emsland geprägt und beeindruckt von den technischen Apparaturen um sich herum, kam Klaßen 1966 nach dem Studium in Mainz als Kunstlehrer ans Alfred-Krupp-Gymnasium in Essen. Am Herzensort, der Wiege der deutschen Industrie, angekommen, widmete sich der Künstler der Farbfotografie im urbanen Raum. Die war damals eigentlich verpönt, in der Werbung und der Grafik fand sie zwar Anwendung, doch wer künstlerische Stücke auf sich hielt, fotografierte in Schwarz-Weiß.


Künstlerische Zwecke hatte aber auch Klaßen mit seinen Fotos nicht im Sinn, zumindest nicht direkt. Er nutzte seine Bilder als Vorlagen für seine fotorealistischen Gemälde, das war in den frühen 70er Jahren gar nicht so einfach. „Ich habe die Bilder mit einem Diaprojektor auf die Leinwand geworfen, für die groben Anhaltspunkte“, erinnert sich Klaßen, „für die Farben musste ich das Dia aber beim Malen gegen das Licht halten, zu langes projizieren hätte das Dia ausgeblichen.“

Erst 2015 findet der Künstler rund 500 Dias wieder – und stellt die großen Fotodrucke jetzt auch in der Kunsthalle aus, inklusive knalliger Farben. Die sind auf den Dias natürlich verblichen, doch seit er 70 ist, beherrscht Klaßen das Bildbearbeitungsprogramm „Photoshop“. „Das habe ich mir zu dem Runden Geburtstag vorgenommen“, sagt er schmunzelnd – den Vorsatz hat er eingehalten. Als Farbvorlagen benutzt er – na klar – seine eigenen Gemälde.

Gemälde, Fotos, Zeichnungen und Skulpturen – die Kunsthalle ist prall gefüllt

Keine Gemälde: Die künstlerische Ausbildung von Heinz Josef Klaßen ermöglichte es ihm, schon beim Fotografieren auf Aspekte wie Bildaufteilung, Linienführung und Farbgebung zu achten. In der Duisburger Cubus Kunsthalle können Besucher einige Gemälde mit ihren Foto-Originalen vergleichen.
Keine Gemälde: Die künstlerische Ausbildung von Heinz Josef Klaßen ermöglichte es ihm, schon beim Fotografieren auf Aspekte wie Bildaufteilung, Linienführung und Farbgebung zu achten. In der Duisburger Cubus Kunsthalle können Besucher einige Gemälde mit ihren Foto-Originalen vergleichen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller


So viel gibt es im Cubus zu sehen, trotzdem sind die großen Gemälde der erste Blickfänger für Besucher. Von weitem nicht von Fotos zu unterscheiden wärmen die Werke, die größtenteils Szenen aus der Essener Innenstadt der 70er Jahre und aus dem Stadthafen zeigen, jedem Ruhrpottromantiker das Herz. Die üblichen Verdächtigen vor der „Bude“, die geschäftige Stille eine Hafengeländes, die Limbecker Straße grellbunt gepflastert mit Schaufenstern und Plakatwerbung: Klaßens Gemälde versprühen das nackte Leben, laut und leise, stets mit einem starken Sog, der den Betrachter in die Momentaufnahmen zieht, die stillstehen und dabei doch so lebendig sind.

Die fotorealistischen Gemälde mögen zwar die Hauptattraktion sein, das gilt auch für die gruselig-lebensnahen Schaufensterpuppen der 70er, die in der ersten Etage als Gemälde und Fotos ausgestellt sind, doch es gibt eine ganze Menge mehr zu entdecken.

Vor allem natürlich die Fotos, mit moderner Computertechnik zu einem höchstseltenen, weil farbigen, Zeitdokument restauriert. Viel Industrie und Gewerbe prägen die Fotoblöcke an den Wänden, wahrscheinlich am faszinierendsten sind aber die urbanen Motive – aus demselben Grund, aus dem schon die Gemälde so überzeugen.

Kunst aus Kirsche und des Künstlers Anfang


Weniger knallig, aber nicht minder beeindruckend ist der Skulpturenzweig des künstlerischen Schaffens von Heinz Josef Klaßen. Der „Zweig“ darf hier wörtlich genommen werden, alle Skulpturen der Ausstellung sind aus dem Holz eines einzigen Kirschbaums gefertigt, der einst im Ateliergarten des Künstler stand. Wunderschöne, glatte Stämme gibt es zu bestaunen, in ihrer Perfektion nur getrübt durch die Makel, die die Natur ihnen selbst beigebracht hat.

Zurück zu den Wurzeln geht es dann ohne Holz, zu Zeichnungen von Klaßen aus den 60er Jahren. „Da habe ich noch abstrakt gezeichnet, aber es haben sich schon langsam Motive eingeschlichen, das war der Beginn meines fotorealistischen Interesses“, sagt der Künstler und zeigt auf eine kleine Zeichnung. Zu sehen ist, natürlich, eine technische Apparatur, eine Art roter Faden durch das beeindruckende Werk des außergewöhnlichen Künstlers.

>> Öffnungszeiten der Ausstellung

• Die Ausstellung trägt den Namen des Künstlers und wird am 19. September von Kulturdezernentin Astrid Neese eröffnet. Heinz Josef Klaßens Werke bleiben bis zum 22. November in der Kunsthalle.

Freitags bis sonntags können Besucher von 14 bis 18 Uhr in die Cubus Kunsthalle, Friedrich-Wilhelm-Straße 64, kommen, um die Ausstellung zu betrachten. Der Eintritt ist frei, der Pandemie wegen müssen sich Gäste in eine Liste eintragen.

• Telefonisch können Kunstfans unter 0170 4411918 individuelle Öffnungszeiten vereinbaren.