Duisburg. Duisburg bekommt den größten Stadtrat im ganzen Land NRW – mit 30 Überhang- und Ausgleichsmandaten. Das wird teurer – und zu eng im Ratssaal.
Bei den Kommunalwahlen ist Duisburg über die Stadtgrenzen hinaus mehrfach negativ aufgefallen: Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen versuchter Wahlfälschung, und Wahlamt und Post hatten offenbar große Probleme mit der coronabedingten Rekordzahl an Briefwahlanträgen. Obendrein hatte Duisburg mit 39,15 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung unter den kreisfreien Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen. Zumindest in einer Kategorie aber ist Duisburg NRW-Spitze: Die Stadt bekommt den – mit Abstand – größten Rat zwischen Aachen und Bielefeld. Das neue Stadtparlament ist mit 102 Mitgliedern von historischer Größe und wird so viel Raum einnehmen, dass es sehr wahrscheinlich zu groß für den Ratssaal ist. In dem wird’s schon mit 84 Mandatsträgern mitunter kuschelig. Im Rathaus wird also wohl für den neuen Riesen-Rat nicht genug Platz sein – auch nach Corona nicht.
Größe des Rates hängt von Einwohnerzahl ab – eigentlich
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In Köln, Nordrhein-Westfalens einwohnerstärkster Stadt, hat der neue Rat 90 Mitglieder. In Düsseldorf und Essen wächst er wegen mehrerer Überhangmandate jeweils von 82 auf 90 Sitze, in Dortmund von 80 auf 90, in Bochum von 66 auf 86 Bürgervertreter. Duisburg hat planmäßig 72 Ratsleute. In der Ende Oktober endenden Wahlperiode waren es gleichwohl bereits 84 – und das Wahlergebnis von Sonntag führt dazu, dass die Duisburger bis 2025 von 102 Ratsfrauen und -herren vertreten werden.
Denn die Größe dieser besonderen „Parlamente“ hängt – eigentlich – von der Einwohnerzahl der Kommune und den Ergebnissen der Ratswahl ab. Die Verteilung der Sitze richtet sich grundsätzlich nach dem Verhältnis der Stimmen einer Partei zur Anzahl aller gültigen Stimmen.
Die Hälfte der planmäßigen Ratssitze wird nach gewonnenen Direktmandaten vergeben. Während ihre Kandidaten 32 der 36 Duisburger Wahlbezirke „direkt“ gewonnen haben, bekam die SPD insgesamt nur noch 30,84 Prozent der Stimmen.
Je größer, desto teurer
Erreicht eine Partei, so wie die Sozialdemokraten am Sonntag, in den Wahlbezirken mehr Mandate, als ihr nach dem Verhältnis ihrer Stimmen in der ganzen Stadt zustehen, behält sie diese „Überhangmandate“. Damit die Stimmenanteile im Gremium trotzdem nicht verzerrt werden, erhalten die anderen Parteien „Ausgleichsmandate“. Dadurch können sich sich wie der Bundestag auch Räte vergrößern.
Der aktuelle Duisburger Fall ist gleichwohl extrem. Gigantisch. Damit die SPD also im Rat 32 Sitze bekommen kann, erhalten alle anderen zum Ausgleich ebenfalls Extra-Sitze (siehe Grafik).
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Das dürfte die meisten aufrückenden Mandatsträger und Gruppen freuen, vor allem die Kleinsten wie die Wählergemeinschaft „Solidarität für Duisburg“ (SfD). Ihr reichten für den Einzug in den Riesen-Rat so 958 Stimmen (0,69 %).
JuDU wollte den Rat verkleinern und hat wie die FDP dank Riesen-Rat Fraktionsstatus
Für die FDP und das Wählerbündnis „Junges Duisburg“ (JuDU) hatte das kurios zweigeteilte Abschneiden der SPD einen besonders erfreulichen Nebeneffekt, da sie nun mit drei statt zwei Mitgliedern in den Rat einziehen – und somit Fraktionsstärke haben.
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„Megageil. Als das am Wahlabend feststand, gab es in der Currybar bei uns kein Halten mehr“, berichtet der stellvertretende JuDU-Vorsitzende Oliver Beltermann. „Jetzt können wir endlich in alle Ausschüsse eigene Leute schicken und selbst Anträge stellen.“ Bislang hatte JuDU nur zwei Sitze, musste sich mit anderen Wählergemeinschaften zusammenschließen und Kompromisse eingehen. Ein weiterer Vorteil der Fraktionsstärke: Fraktionen bekommen deutlich mehr Geld für ihre Arbeit, „Fraktionszuwendungen“.
Was Beltermanns Freude trübt: Ein großer Rat kostet die Stadt mehr Geld, obwohl die Bürger nicht besser vertreten werden, die Politik nicht besser wird. Darum hatte JuDU in seinem Wahlprogramm sogar gefordert, Stadt und Politik sollten den Rat aus Kostengründen verkleinern.
Die Mandatsträger arbeiten zwar ehrenamtlich, erhalten für ihr Engagement aber eine Aufwandsentschädigung. Deren Höhe regelt die öffentlich einsehbare Entschädigungsverordnung des Landes. Die Bezüge orientieren sich an der Größe der Stadt, in der die Lokalpolitiker tätig sind. Während Ratsleute in Städten mit mehr als 450.000 Einwohnern wie Duisburg, Düsseldorf und Essen pauschal 492,90 Euro im Monat erhalten, sind es in Bochum 395,30 Euro.
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Die „Smart City“ wird darüber hinaus etwa mehr Geld in die geplante Ausstattung der Mandatsträger mit Tablets investieren müssen. Bislang kalkulierte sie mit Anschaffungskosten in Höhe von 328.121 Euro . . .
„Keine Chance, dass alle reinpassen“
Das größte Problem durch die neue Größe des Rates könnte aber dieses werden: Der XXL-Rat ist wohl zu groß für den denkmalgeschützten Ratssaal. In diesem wurde es wegen der zwölf Überhangmandate nach der Wahl 2014 schon eng.
Denn an den Sitzungen nehmen nicht nur die Mandatsträger teil, sondern auch Fraktionsgeschäftsführer, der Oberbürgermeister als Ratsvorsitzender, anlassbezogen seine Dezernenten und andere Mitarbeiter der Verwaltung; und Journalisten sind auch noch eingeladen. Ratsherr Oliver Beltermann etwa sieht „keine Chance, dass da alle reinpassen, wo es jetzt schon so eng ist“.
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Wegen der beengten Verhältnisse kann das Stadtparlament in der Corona-Pandemie schon nicht mehr im Rathaus tagen, sondern muss in die Mercatorhalle oder, wie heute, in die Kraftzentrale des Landschaftsparks ausweichen. Im Ratssaal ist der vorgeschriebene Hygieneabstand zwischen den Kommunalpolitikern nicht möglich.
Mercatorhalle als neues Stammhaus für den Riesen-Rat?
Auch nach der Pandemie könnte so die innerstädtische Mercatorhalle das neue Stammhaus der 102 werden. Was die Stadt Miete kosten würde – ihr andererseits vielleicht Einsparungen beschert: Damit die Ratsleute ihre neuen Tablets nutzen können, müsste der Ratssaal nämlich mit Wireless LAN ausgestattet werden.
Ein ebenso aufwendiges wie kostspieliges Unterfangen – das sich die Stadt für den Riesen-Rat vorerst vielleicht sparen kann.