Duisburg. 75 Tage am Stück waren ehrenamtliche Helfer in der Coronakrise in Duisburg im Einsatz, zum Teil 16 Stunden am Tag. Nun blicken sie zurück.

Es war der längste Einsatz ihrer Laufbahn: 75 Tage lang halfen die Ehrenamtlichen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Kampf gegen das Corona-Virus. Mit mobilen Einsatzgruppen und einer zentralen Anlaufstelle am MSV-Stadion führte der Kreisverband Duisburg tausende Tests in der Stadt durch. Mitten in der Pandemie kam auch noch die Entschärfung einer Weltkriegsbombe im Dellviertel dazu. Nun ziehen die Ehrenamtlichen Bilanz über ihren außergewöhnlichen Einsatz.

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Es war der 18. März, als die Verwaltung die Freiwilligen des Roten Kreuzes, der Malteser, der DLRG und der Johanniter zur Hilfe rief, um die Massen an Corona-Tests durchzuführen. „Ein einmaliger Vorgang, in allen anderen Städten und Kreisen haben das hauptamtliche Kräfte gemacht“, sagt DRK-Kreisbereitschaftsleiter Jean-Claude Schenck. Zunächst konzentrierte sich das DRK mit seinen mobilen Einheiten auf Tests im Duisburger Süden, die Johanniter und Malteser auf den Norden. Am 9. April richtete das Gesundheitsamt dann das Testzentrum an der MSV-Arena ein.

Kampf gegen Corona: Freiwilligen bis zu 16 Stunden am Tag im Einsatz

„Das war deutlich effektiver. Dort konnten die Leute hinkommen, um getestet zu werden und die mobilen Einsatzteams fuhren von dort zu zweit oder zu acht in die Stadtteile, um Proben von Leuten in größeren Einrichtungen zu nehmen – Schulen, Seniorenzentren, Asylbewerberheime“, erläutert Schenck. Den Dienst am Stadion und als mobile Einsatzteams leisteten die Hilfsorganisationen im Wechsel, anfangs bis zu 16 Stunden am Tag. „Wenn es irgendwo einen Verdachtsfall gab, sind die Kollegen dahin gefahren und haben Proben von den Anwesenden genommen. Zum Stadion kamen eher Einzelpersonen oder kleine Gruppen, die vom Hausarzt dorthin geschickt wurden oder Symptome gezeigt haben.“

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Insbesondere im mobilen Einsatz sei der Aufwand immens gewesen: „Logistik und Planung haben immer viel Zeit beansprucht. Aber unvorbereitet in so ein Altenheim zu gehen, hätte doppelt so lange gedauert“, sagt Christian Herx, der als Freiwilliger die Einsätze koordinierte.

Besonders häufige Tests im Awocura-Seniorenzentrum in Wanheimerort

Ein bis zwei Einsätze fuhr jedes der mobilen Teams jeden Tag, besonders häufig mussten sie zum Awocura-Seniorenzentrum in Wanheimerort ausrücken, wo sich insgesamt fast einhundert Personen mit dem Virus infiziert hatten. „Da waren wir zwei Mal pro Woche“, erinnert sich Schenck. An Schulen sei es noch aufwendiger gewesen: Minutengenau und verteilt auf mehrere Tage wurden die Schüler in die Schule beordert. Insgesamt rund 12.500 Tests führten die Ehrenamtlichen zwischen dem 18. März und dem 31. Mai durch, mit den Tests durch die der Feuerwehr waren es insgesamt 13.635.

„In den Schutzanzügen war das nicht immer angenehm“, sagt Herx’ Kollege Daniel Kröger. „Die bestehen aus einem Kittel, einer Haube, schulterlangen Handschuhen und dazu noch einmal Einweghandschuhen, die nach jedem Test zu wechseln sind. Dazu trägt man eine FFP2-Maske, durch die man nur schwer atmen kann“, sagt er. „Wenn man dann noch in einem Altenheim ist, in dem es die Bewohner etwas wärmer brauchen, ist man froh, wenn man die Ausrüstung ablegen kann.“ Dieser Schutz habe sich allerdings bewährt, keiner der rund 160 Helfer, darunter 60 vom DRK, hat sich während des zweieinhalbmonatigen Einsatzes mit Covid-19 infiziert.

Gegen Ende sei es jedoch für viele Kräfte schwierig gewesen, ihr Fehlen gegenüber dem Arbeitgeber zu rechtfertigen. „Die Stadt hat zwar das Gehalt der Ehrenamtlichen übernommen und dem Arbeitgeber einen Lohnkostenausgleich gezahlt. Die Arbeitskraft fehlt dann aber immer noch“, sagt Schenck, der den zunehmenden Unmut vieler Arbeitgeber verstehen kann. „Mir ging es ja selbst so: Ich kam vom Katastropheneinsatz zurück und sehe auf dem Heimweg schon wieder Leute in den Kneipen sitzen“, sagt er.

Bombenentschärfung im Dellviertel am ende eines kräftezehrenden Tages

Ausnahmezustand bei einer Bombenentschärfung mitten in der Coronakrise. Auch am Gertrud-Bäumer-Berufskolleg waren die Ehrenamtler gefordert.
Ausnahmezustand bei einer Bombenentschärfung mitten in der Coronakrise. Auch am Gertrud-Bäumer-Berufskolleg waren die Ehrenamtler gefordert. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Als wären die DRK-Kräfte in der Corona-Pandemie nicht schon eingespannt genug gewesen, mussten sie am 2. April noch zu einer Bombenentschärfung ausrücken. Am Eichenhof im Dellviertel war ein Fünf-Zentner-Blindgänger gefunden worden.„Ich habe vorher noch gewitzelt: Hoffentlich stellen die jetzt während unseres Corona-Einsatzes alle Bauarbeiten ein“, erinnert sich Kreisbereitschaftsleiter Jean-Claude Schenck. Die Alarmmeldung kam zu Ende eines weiteren kräftezehrenden Tages in der Stadt. „Ich stand gerade unter der Dusche“, sagt Helfer Daniel Kröger. Aufgabe des Deutschen Roten Kreuzes bei einer Bombenentschärfung ist es, von der Evakuierung betroffene Anwohner in Notunterkünften zu betreuen und mit Essen und Getränken zu versorgen.

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Von Martin Schroers und Fabienne Piepiora

Einen Aufenthaltsraum richteten die Freiwilligen am Gertrud-Bäumer-Berufskolleg ein, in der Gesamtschule an der Falkstraße einen weiteren für potenziell Corona-Infizierte. „Wir gingen zunächst von 1000 Leuten aus, weil die Leute zu diesem Zeitpunkt ja nicht zu Verwandten ausweichen durften“, sagt Schenk. „Letztlich waren es im Gertrud-Bäumer-Berufskolleg aber nur 150 Personen, in der Falkstraße 12.“Schwierig sei die Versorgung der Anwohner gewesen: „Ich habe abends noch sämtliche Metro-Filialen in der Umgebung abgeklappert, um genügend Brot zu finden. Aber die Regale waren leer, das war ja besten Hamster-Zeiten“, sagt Schenck schmunzelnd.

DRK: Keine Angst vor einer zweiten Welle

Ein wenig stolz sei sie als Helferin aber schon gewesen, sagt DRK-Ehrenamtlerin Vivien Klammt. „Ich kam ja gerade vom Test-Einsatz und war bis halb drei in der Früh bei der Bombenentschärfung. Um halb acht musste ich dann wieder Leute testen. Da ging man schon mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause, aber wir haben ja unsere Arbeit gemacht“, sagt sie.

Vor einer zweiten Welle fürchten sich die Freiwilligen jedoch nicht, sagt Vivien Klammt: „Wir wissen jetzt, wie es läuft. Es war eine gute Erfahrung, auch wenn vieles davon ungewohnt war.“ Das Team sei als solches zusammengewachsen, ergänzt Kröger: „Ein Lagerkoller hat sich nicht gebildet, wir hatten immer eine gute Stimmung und gelernt, dass wir uns aufeinander verlassen können.“