Duisburg. Thomas Krützberg hat das Dezernat für Soziales, Jugend und Bildung verlassen. Ein Gespräch über vergangene und künftige Herausforderungen dort.

Für die letzten fünf Jahre seines Arbeitslebens wechselt Thomas Krützberg noch einmal die Pferde. Seit dem 1. Mai konzentriert er sich auf die Geschäftsführung des städtischen Immobilienmanagements IMD. Im Interview spricht er über die Herausforderungen in seinem bisherigen Dezernat für Jugend, Bildung und Soziales, die Aufgabe als IMD-Sanierer und die Kritik an seinem Wechsel.

Beginnen wir mit der Jugend. Welches sind die großen Herausforderungen?

Thomas Krützberg: Als ich 1986 als Abteilungsleiter ins Jugendamt wechselte, lautete das Thema des ersten Seminars: „Erzieherische Hilfen – fachgerecht und finanzsicher aufstellen“. Darum ging es auch beim letzten Seminar, das ich dort als Amtsleiter 2013 gegeben habe. Die ewige Diskussion in allen Jugendämtern lautet: Kann die Jugendhilfe ihre Hilfen adäquat für die Bedürftigen aufsatteln ...

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... ohne dass gleichzeitig die Kosten davonlaufen?

Genau. Bei uns nehmen zwar die Kosten ständig zu, aber das liegt an der Sozialstruktur. Wir sind die Lobbyisten für die Familien. Die Sicherung der offenen Kinder- und Jugendarbeit ist schwierig – es freut mich sehr, dass es mir gelungen ist, das für die nächsten Jahre zu gewährleisten. In den Kindertageseinrichtungen heißt es zwar, wir hätten zu wenig Plätze, aber wir haben es bisher ohne Klagen geregelt bekommen.

Allerdings auf Kosten einer dauerhaften Überbelegung.

Durch die Kibiz-Reform wird sie ad absurdum geführt. Deshalb stellen wir 80 neue Kräfte ein. Aber so ist das in der Jugendhilfe – es gibt ständig neue Aufgaben. Wer hätte vor zehn Jahren mit der Zuwanderung aus Südosteuropa gerechnet, und mit den massiven Problemen, die sie mit sich bringt?

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Kann Jugendhilfe da etwas verbessern?

Bei den Kindern ja. Das ist die Generation, die wir noch verändern können.

Das Kitaplatz-Portal war ein ständiges Ärgernis. Ist Besserung in Sicht?

Es ist schwierig, städtische Einrichtungen, freie Träger und Tagesmütter unter einen Hut zu kriegen. Das vergangene Jahr war eine Katastrophe. Wir haben uns jetzt auf ein Punktesystem geeinigt. Wir werden aus Fehlern lernen und das Portal neu aufstellen. Zuletzt habe ich den Eindruck, dass es besser läuft.

Bearbeitet Jugendhilfe auch Ursachen oder nur Symptome?

Wenn sie sich auf Letzteres zurückzieht, hat sie verloren. Sie muss immer den Ansatz haben, Symptome zu erkennen und Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Nehmen Sie die frühen Hilfen – die haben wir als erste flächendeckend eingeführt. Darum geht es – sich immer wieder den Anforderungen zu stellen. Jugendhilfe ist immer sowohl vorbeugend als auch eingreifend.

Thomas Krützberg: seit 45 Jahren im Rathaus

Thomas Krützberg begann seine berufliche Karriere im Rathaus 1975 als Verwaltungspraktikant. Nach der Inspektorenausbildung folgten 1980 erste Stationen im Sozialamt, dann wurde er Referent des Sozialdezernenten Klaus Wackernagel und von dessen Nachfolger Reinhold Spaniel.

Abteilungsleiter im Jugendamt wurde Krützberg 1996, Amtsleiter sechs Jahre später. Das blieb er bis zur Wahl zum Dezernenten für Jugend, Familie, Bildung und Kultur im Jahr 2013. Vor drei Jahren übernahm Krützberg zudem noch das Ressort Soziales.

Zur Nachfolgerin des 60-Jährigen, der in den kommenden fünf Jahren das IMD führt, wählte der Rat Astrid Neese, sie leitete in den vergangen drei Jahren die Agentur für Arbeit in Duisburg.

„Schulpflicht müssen wir auch mit Sanktionen durchsetzen“

Steigen die Kosten vor allem mit der Zahl der Bedürftigen oder wegen einer Ausweitung der Hilfen?

Die Fallzahlen steigen nach wie vor, eine Senkung ist schwierig. Wir haben auch neue Mitarbeiter eingestellt, aber auch die Kosten bei den Trägern, die alle nach Tarif zahlen, sind ebenfalls gestiegen.

Damit sind wir beim Sozialen. Ist auch die wachsende Armut eine Ursache für steigende Kosten?

Ja. Wir haben weiter einen sehr hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen. Der soziale Arbeitsmarkt ist ein guter Ansatz – hier haben wir gute Erfolge. Vor Beginn der Krise haben wir gehofft, eine einstellige Arbeitslosenzahl erreichen zu können. Richtig ist: Wenn das Geld fehlt in den Familien, schlägt das auf die Familien.

Wie kann verhindert werden, dass ganze Stadtquartiere abgehängt werden?

Die Strategie, benachteiligte Ortsteile zu unterstützen, hatte bis zum Beginn der Zuwanderung gute Ergebnisse. Wenn in kurzer Zeit 20.000 Menschen nach Hochfeld und Marxloh kommen, führt das zu sozialen Problemen. Sie hemmen die erste Migranten-Generation, die sich gut aufgestellt hatte. Wir müssen versuchen, die Menschen mitzunehmen – aber sie müssen das auch zulassen. Bei vielen Südosteuropäern ist das ein großes Problem. Deshalb müssen wir versuchen, die Jüngsten ins Bildungssystem zu bekommen. Schulpflicht müssen wir auch durch Sanktionen durchsetzen. Wenn wir nicht umsetzen, was wir fordern, werden wir nicht ernst genommen.

„Wir brauchen weitere Fördergelder für die Sanierung der Schulen“

Wie beschreiben Sie den Zustand der Duisburger Schulen?

Der Zustand ist wie überall in NRW nicht gut. Aber wir haben eine gute Planung, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden muss. Dann wird sich das Schulsystem auch gut erholen. Ich gehe davon aus, dass von Bund und Land weitere Fördergelder kommen – ohne die wird es nicht gehen. Wichtig ist, dass wir eine Bestandserfassung machen. Das wird das erste sein, das ich mit Winand Schneider beim IMD machen werde.

Vielfache Forderungen nach Neubau von Schulen haben Sie bisher gebremst. Warum?

Wir brauchten die Gewissheit, dass wir neue Schulgebäude wirklich brauchen. Die hat auf sich warten lassen. Jetzt wissen wir, dass der Schulraum nicht mehr ausreicht. Als ich davon überzeugt war, habe ich gesagt: Jetzt wird neu gebaut. Auch zuvor hätte man Neubauten rechtfertigen können, aber zu pädagogischen Erwägungen gehören auch Daten und Fakten.

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