Duisburg. Sie stehen auf dem Bau und am Lkw-Steuer ihre Frau: Zum Internationalen Frauentag erzählen zwei Duisburgerinnen vom Chef-Leben in Männerdomänen.
Als Frau in männerdominierten Berufen muss man ein dickes Fell haben, sagen Bibiana Grosser und Andrea Bahr. Die beiden Duisburgerinnen sind Chefinnen. Zum Internationalen Frauentag erzählen sie uns von ihrem Karriereweg, ihrer Haltung zum Feminismus - und ihren Strategien im Umgang mit Machos.
Zielstrebig läuft Andrea Bahr durch ihre Fahrschule. Die Chefin von 17 Mitarbeiterinnen ist nur 1,52 Meter groß, hat aber Energie für zwei. „Und die angehenden Trucker haben Angst vor mir“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. In der Fahrschulszene gehört sie zu den ganz Großen. „Es gibt 12.000 Fahrschulen, ich gehöre zu den zehn größten, der einzigen, die von einer Frau geleitet wird“, sagt sie stolz. Sie fährt Bus und Lkw, schult Fahrlehrer, gehört zur Fahrlehrer-Prüfungskommission. Keine Frage, ihre Kenntnisse verschaffen ihr Autorität.
Duisburger Chefin heiratete einst ihren Fahrlehrer
Der Weg dahin war kein leichter, begann aber „mit einem echten Klassiker: Ich habe meinen Fahrlehrer geheiratet“, sagt die 58-Jährige grinsend. Statt Innenarchitektur zu studieren, wird sie Fahrlehrerin, bekommt zwei Kinder. Nach der Trennung vom Mann macht sie sich als Alleinerziehende selbstständig und entwickelt einen unbändigen Ehrgeiz. „Meine Zertifikate füllen einen ganzen Aktenordner.“
Sie bildet Angstkandidaten aus, schult traumatisierte Frauen - und bringt dies auch Kollegen bei. Über 200 Fahrlehrer hat die Duisburgerin weitergebildet. Auch um ihr Team kümmert sich die dreifache Oma. Das über 100 Jahre alte Hausist urig eingerichtet und gemütlich, man duzt sich.
Der Neid ist spürbar
Sie kennt aber auch die andere Seite. „Für manche bin ich zu groß geworden, da gibt es schon Neid.“ Respektprobleme habe sie aber nicht, auch nicht bei Berufskraftfahrern. Dabei sei sie nicht laut, aber konsequent, strukturiert. Auch streng.
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Als Kind war sie Turnerin, schaffte es bis auf Bundesebene, trainierte täglich. „Da lernt man den großen Auftritt, selbstbewusst durch den Raum gehen.“ Sie lernte auch, sich durchzubeißen, schaffte mit Fleiß den Sprung von der Hauptschule zum Gymnasium, kann im Theorieunterricht 50 Leute bei Laune halten.
Wie sie es schafft, Chefin zu bleiben? „Indem ich mir immer neue Ziele setze. Hohe Ziele. Märchenschlösser. Und dann arbeite ich mich an 20-Punkte-Programmen ab.“ Nichts laufe gerade im Leben, aber Fehler seien dazu da, analysiert zu werden, um Lösungen zu finden.
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Aktuell träumt sie von einem ganzen Fahrschul-Dorf, an einem See gelegen. Und ein eigener Bus steht auf der Wunschliste.
Männer, die den Blickkontakt meiden
Szenenwechsel: In einer eleganten, hundert Jahre alten Villa residiert das Architekturbüro Druschke und Grosser. Bibiana Grosser und ihr Mann Dirk Druschke sind seit 28 Jahren auch beruflich ein Team. Mit 17 Mitarbeitern bauen sie Kindergärten und Seniorenparks, planen Penthäuser - und gewinnen Wettbewerbe.
Regelmäßig erlebt Grosser, dass Bauherren beim Gespräch den Blickkontakt zum Mann suchen, sie übergehen. „Das ist deren Problem, ich gehe tolerant damit um“, sagt sie - und lächelt jeden Widerspruch nieder. Ihre Fähigkeiten lässt sie sich nicht absprechen, erst recht nicht von Männern, die Probleme mit starken Frauen haben.
Da beobachte sie aber einen Generationenwandel: Mit jüngeren Bauherren sei es oft netter, respektvoller, „die müssen auch mal los, ihr Kind abholen“, berichtet sie anerkennend.
Auch mal mit selbstgebackenem Kuchen zur Baustelle
Ihre Erfahrung: Auch im Handwerk werde ihre Expertise spätestens nach der zweiten oder dritten Begegnung wertgeschätzt. Und wenn ihr danach ist, taucht sie mit selbstgebackenem Kuchen auf der Baustelle auf. „Meine Form ist weiblich“, sagt die 58-Jährige selbstbewusst.
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Drei Kinder hat die studierte Architektin, da wurde viel Arbeit mit nach Hause genommen, keine Pause gemacht. Die jüngste Tochter kommt nach der Schule zum Mittagessen ins Büro, der Aperol Spritz zum Feierabend wird mit den Kolleginnen getrunken. „Arbeitszeit ist Lebenszeit“, betont Grosser, die sollte man sich so nett wie möglich machen. Yoga in der Mittagspause inklusive.
Arbeit als Teamleistung begreifen
Was sind ihre Stärken als Chefin? „Ich bin kommunikativ, innovativ, manchmal auch anstrengend mit meinem unbedingten Willen, Neues auszuprobieren“, gesteht sie. „Aber es trägt Früchte!“ Ihr Talent sei es auch, Arbeit als Teamleistung zu begreifen, abgeben und anschieben zu können. Nicht ohne Grund sei auch die Büroleitung weiblich. Aber auch ihr Mann sei wichtig für die Balance, betont Bibiana Grosser.
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Am Ende sei aber auch die Lebenseinstellung wichtig. „Bibiana bedeutet die Lebensfrohe. Ist das nicht ein Geschenk?“ Und eine Aufgabe. „Ich fühle Verantwortung für andere Frauen, will sie unterstützen.“ Sie dazu bringen, über sich hinauszuwachsen. Die miese Frauenquote in den Dax-Unternehmen ärgert sie, ein Bekenntnis wie das von Kanadas Ministerpräsident Trudeau, er sei Feminist, das freut sie richtig.
Ist man als Chefin auch Feministin?
Sind Sie Feministin? „Nein, emanzipiert sicher, und ich finde auch eine Frauenquote gut, gerechte Bezahlung sowieso“, betont Andrea Bahr. Benimmt sich ein Mann respektlos, ist sie weg. „Diese Situationen, wenn ich auf einer Fachtagung eine Frage stelle und die Antwort an den Mann neben mir gerichtet wird. Dann dreh ich mich um und geh.“ Den Frauentag braucht es ihrer Meinung nach nicht, „wir haben doch eine Bundeskanzlerin!“ Klar sei aber auch, dass Frauen mehr machen müssten, um weiter zu kommen, „ich musste mehr machen“.
Internationaler Frauentag
Der Internationale Frauentag wird seit 1911 begangen. 1975 haben die Vereinten Nationen den 8. März als „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ ausgerufen. Im gleichen Jahr wurde eine erste UN-Weltfrauenkonferenz abgehalten.
In Berlin ist der Internationale Frauentag im vergangenen Jahr sogar zum offiziellen Feiertag ernannt worden.
Sind Sie Feministin, Bibiana Grosser? Ja! Aber man muss brennen für die Sache, total aufgehen in seiner Aufgabe. Ihren Kindern geben beide Frauen mit, auf ihre Selbstständigkeit zu achten. Und einen Beruf zu wählen, den man liebt. „Das ist der einzige Weg, glücklich zu sein“, findet Bibiana Grosser. Die Unternehmerin in ihr zuckt zwar, wenn ein Mitarbeiter Elternzeit machen will oder ein Sabbatjahr, „das tut uns schon weh“, aber unterstützt wird das Vorhaben am Ende doch.
Bei zu vielen werdenden Müttern oder Vätern in Elternzeit wird’s für Andrea Bahr problematisch
Auch bei Bahr ist die Grenze da erreicht, wo ihr Unternehmen gefährdet ist: Zu viele werdende Mütter oder Väter in Elternzeit könne sie sich schlicht nicht leisten, der Umsatz fehle.
Beide Frauen wurden von ihren Vätern gefördert, die Mütter waren eher zurückhaltend, lieb. Eine familiäre Basis, die sie beflügelte. Kampfesmut und Glück gehörten auch dazu. Heute brauche es auch Mentoring-Programme, Netzwerke. Bibiana Grosser und Andrea Bahr sind beim Indu-Netzwerk, einem Treff für Unternehmerinnen und Freiberuflerinnen. Hier können sie sich austauschen, anregen, ermuntern. Und gerne auch: Vorbild sein.