Duisburg-Hochfeld. Der Student Tom Brand hat seine Bachelor-Arbeit über Zuwanderer, Schrottimmobilien und Perspektiven in Duisburg-Hochfeld geschrieben.
Über 20.000 Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien leben in Duisburg. 6.558 in der Stadtmitte und Hochfeld (Stand: 1. April 2019). Warum ziehen Osteuropäer verstärkt nach Hochfeld? Wie entstehen Problemimmobilien und welche Lösungen gibt es, damit Integration gelingen kann? Tom Brand hat wissenschaftliche Antworten gefunden. Der Städtebau-Student stellte dem Hochfelder Verein „Klüngelclub“ seine Ergebnisse vor, im Anschluss folgte eine meist sachliche Debatte.
Duisburg-Hochfeld ist ein „Durchlauferhitzer“ für Zugewanderte aus Südosteuropa
Tom Brand (21) beschreibt Hochfeld als so genannten Ankunftsstadtteil. „Ankommen und weiterziehen“, sei die Devise. Insbesondere macht der Neudorfer das Phänomen, das er als „Durchlauferhitzer“ beschreibt, anhand der ankommenden Rumänen fest: „Durchschnittlich bleiben sie keine drei Jahre in Hochfeld.“ Bei den zugewanderten Bulgaren sei die „Wegzieh-Rate“ etwas niedriger.
Auffällig: In Hochfeld lebende Bulgaren, darunter viele Roma, kennen sich bereits aus ihrem Herkunftsland. „Familien, Verwandte oder Bekannte ziehen anscheinend nach.“ Das liegt daran, so Brand, dass sie in Hochfeld auf bekannte Strukturen treffen: Menschen, die sie kennen, die die gleiche Sprache sprechen. Viele der Bulgaren sprechen auch Türkisch, ein weiterer Vorteil, um in Hochfeld zurechtzukommen.
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Erst einmal angekommen, beginnen die Probleme für viele Osteuropäer: „Ihnen fehlt vor allem Geld“, konstatiert Brand. In Kombination mit fehlenden Deutsch- und Rechtskenntnissen, werd so eine „perfide Ausbeutungsstruktur“ ermöglicht. „Zu sehen am Arbeiterstrich oder unseriösen Vermietern.“ 28 Problemimmobilien, die bereits geschlossen sind oder eklatante Mängel aufweisen, hat Tom Brand identifiziert. „Manche der Häuser wurden aber erst zum Problem, als die Osteuropäer dort eingezogen sind“, hat der Hochfelder Jochen Rex-Albrecht (66) beobachtet. Auch das habe hauptsächlich mit der Ausbeutung zu tun, kontert Brand: Oftmals bestünden in den bestehenden Häusern schon gravierende Mängel, profitorientierte Vermieter kümmerten sich nicht um Sanierungen oder Bewohner rissen etwa Kupferkabel aus den Wänden, weil sie aufgrund des häufig unwürdigen Einkommens nach weiteren „Einnahmemöglichkeiten“ suchen würden. Rex-Albrecht stimmt nach kurzer Bedenkzeit zu.
Anwohner: Mühsam mit Zuwanderern ins Gespräch zu kommen
Thomas Rensing, Vorsitzender des Klüngelclubs, wünscht sich menschenwürdigen Wohnraum – die „Schrott-Immobilien“ seien nicht human. Und: „Es ist mühsam, mit den Osteuropäern ins Gespräch zu kommen.“ Smalltalk beim Bier ginge, aber ernsthafte Dinge, etwa wie die Vermüllung, könne man nicht besprechen. Das Interessante an Tom Brands Arbeit: Er verbindet Wohn- mit Integrationskonzepten. Zwei davon seien echte Chancen Hochfelds Potenzial als jungen, kreativen und offenen Stadtteil auszuschöpfen. Die erste Idee: „Klushuizen“, ein Wohnprojekt dessen Ursprung in Rotterdam liegt und inzwischen in fast allen niederländischen Großstädten umgesetzt wird.
„Schrott-Immobilien“ werden von der Stadt aufgekauft, sicher gemacht und im unsanierten Zustand zu günstigen Konditionen an Menschen weiterverkauft. Im Gegenzug verpflichten sich die Neu-Mieter, die Wohnungen zu sanieren und mindestens drei Jahre lang selbst zu bewohnen. Die Vorteile laut Brand: Die Stadt könne heterogene Mietparteien bestimmen, Osteuropäer könnten sich mit Unterstützung bei den Sanierungsarbeiten berufsqualifizierend weiterbilden, gemeinsam erschaffene Begegnungsflächen (etwa Gärten) stärkten die Empathie zueinander und die Solidarität. Zudem fördere die Partizipation am Stadtteil-Prozess die Identifikation mit dem Bezirk – Vermüllung und Wegzug würden reduziert werden.
Dortmunder Nordstadt könnte ein Beispiel für Hochfeld sein
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Ein weiteres Beispiel wurde in Dortmund entwickelt. Das sogenannte „Viertelwerk“ setzt beim Wohnprojekt in der Nordstadt auf ein umfassendes Sozialkonzept. Durch eine neu gegründete Tochtergesellschaft der Stadt werden Problemimmobilien aufgekauft, saniert und sozial benachteiligten Menschen angeboten, heißt es bei der Stadt Dortmund. „Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, sollen aktiv in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integriert werden.“ Langzeitarbeitslose und andere Problemgruppen des Arbeitsmarktes, so die Stadt Dortmund, sollen bei der Sanierung sowie der jährlichen Instandhaltung eingesetzt werden. Finanziert aus Fördertöpfen von Bund, Land und Kommune. Jobcoaches, Berater sowie Dolmetscher im Quartier sollen den Bewohnern zur Seite stehen, Sprach- und Alphabetisierungsprogramme sowie Spiel-, Sport- und Tanzangebote sollen Kinder und Jugendliche fördern.
Nachdem Tom Brand die Wohnperspektiven aufzeigt, applaudieren die 15 Zuhörer, zeigen sich aber skeptisch. „Woher sollen die vielen Sozialarbeiter kommen?“, fragt eine Frau. Jochen Rex-Albrecht weist darauf hin, „dass sich nicht jeder integrieren lassen möchte.“ Dennoch ist er der Meinung, wie alle Anwesenden, dass es mehr „Integrationslotsen“, also Sozialarbeiter und informelle Berater bräuchte.„Klushuizen“ und „Viertelwerk“ sind teure Pilot-Projekte in Deutschland, die zwar Erfolg versprechen, jedoch nicht garantieren können. Und um Stadtteile nachhaltig aufzuwerten, bedürfe es mehr als nur eine Immobilie, saniert nach dem Vorbild der Wohnprojekte – es brauche ein Wohnkonzept, ist sich Tom Brand sicher und widerspricht vehement OB Sören Link, der 2016 sagte: „Jeder Bürger, gleich welcher Nationalität, hat sich selbst um eine Wohnung zu bemühen. Wir leisten viel im Bereich der Integration und sind auch sehr erfolgreich, aber ein Wohnkonzept wollen und werden wir nicht haben.“