Duisburg. . BDI-Präsident Ulrich Grillo wünscht sich weniger bürokratische Hürden vor der Beschäftigung von Flüchtlingen: „Die Vorrangprüfung gehört abgeschafft.“

Es ist ein Heimspiel für Ulrich Grillo. Sein Unternehmen liegt mitten im Duisburger Stadtteil Marxloh. Wenn es die Terminlage in Berlin zulässt, ist Deutschlands wichtigster Industrie-Repräsentant im Ruhrgebiet. Insofern ist ein Besuch in unserer Duisburger Lokalredaktion naheliegend. Wenn sich Grillo dieser Tage zu Wort meldet, spielt die Flüchtlingskrise eine wichtige Rolle. Der Unternehmer befasst sich mit dem Thema gewissermaßen von Hause aus. In Marxloh wohnen fast 20.000 Menschen, zwei Drittel von ihnen haben einen Migrationshintergrund.

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Auch Grillo erzählt gerne, dass seine Vorfahren einst als Zuwanderer nach Deutschland gekommen sind. Das liegt zwar schon elf Generationen zurück, aber seine Familiengeschichte prägt Grillo bis heute. Es nagt an ihm, dass seine unternehmerische Heimat Duisburg regelmäßig als No-Go-Area dargestellt wird. „Auch Marxloh hat schöne Ecken“, sagt Grillo.

Die aktuelle Flüchtlingskrise sei beherrschbar, urteilt der BDI-Präsident. Das, was zu tun sei, vergleicht er mit dem Generationenprojekt Deutsche Einheit. „Wir Deutschen gelten als Menschen, die gut organisieren können. Das haben wir auch bei großen Aufgaben wie der deutschen Einheit bewiesen“, merkt er an.

„Terroranschläge auch von französischen und belgischen Bürgern verübt“

Die Integration von Zuwanderern scheint ihm ein Herzensanliegen zu sein, zugleich mahnt er zu einer sachlichen Auseinandersetzung. „Wir sollten die Diskussion über die Terroranschläge von Paris sauber von der Debatte über die Flüchtlinge in Deutschland trennen“, betont Grillo. „Die Terroranschläge sind auch von französischen und belgischen Bürgern verübt worden.“

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Mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt plädiert Grillo für bessere Startbedingungen der Zuwanderer. Bürokratische Hürden möchte er weggeräumt sehen. Bevor ein Betrieb einen Flüchtling beschäftigen darf, muss derzeit meist die Agentur für Arbeit ermitteln, ob sich nicht auch ein geeigneter Bewerber mit deutschem oder EU-Pass für die Stelle findet. „Die Vorrangprüfung gehört abgeschafft, weil sie eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt verhindert“, betont Grillo.

Auch Staat soll Kosten für Atomausstieg tragen

Wenn es um Arbeitsplätze geht, kommt Grillo auf die Energie- und Klimapolitik zu sprechen. „Rund 900.000 Menschen in Deutschland arbeiten in energieintensiven Industrien“, sagt er und erwähnt die Klima-Konferenz in Paris. Grillo ist auch Mitglied der neuen Atom-Kommission, die sich mit der Finanzierung des Kernenergie-Ausstiegs befasst. Geltende Rechtslage ist, dass die Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall sämtliche Kosten für den Abriss der Kraftwerke und die Atommüll-Entsorgung übernehmen müssen.

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Grillo regt an: „Wir sollten die Verantwortungsbereiche klar zuordnen. Der Steuerzahler kann nicht für die Kosten aufkommen, für deren Finanzierung die Unternehmen die Verantwortung übernommen haben.“ Umgekehrt sollte aber gelten: „Für die Zusatzkosten, die durch die Politik entstehen, ist der Staat zuständig.“ Er habe Verständnis dafür, wenn die Konzerne darauf hinweisen, dass sie die Suche nach einem atomaren Endlager nicht beeinflussen können. „Eine unbeschränkte Haftung der Energieversorger für immer neue politisch bedingte Zusatzkosten bis zum Sankt Nimmerleinstag wäre problematisch.“

Sorgen um Stahlstandort Duisburg

Auch in Sachen Klimapolitik mahnt Grillo Verständnis für die Belange der Industrie an. Dem Klima sei nicht geholfen, wenn aufgrund politischer Beschlüsse effiziente Anlagen in Deutschland schließen und gleichzeitig Werkstoffe wie Stahl oder das Aluminium importiert werden. „Die Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine langfristige Weiterentwicklung von Europas größtem Stahlstandort Duisburg möglich machen“, sagt Grillo. NRW wäre massiv betroffen, wenn die Stahlindustrie Probleme bekäme. Von den bundesweit 87.000 Jobs in der Branche befinden sich 48.000 an Rhein und Ruhr.