Duisburg. Sonderpädagogen der Hebbelschule werden stundenweise an andere Duisburger Grundschulen geschickt. Eltern haben Petition dagegen gestartet.

Die Eltern der Kinder an der Hebbelschule in Duisburg-Neudorf sind sauer. Von den vier Sonderpädagogen, die dort das Gemeinsame Lernen behinderter und nicht-behinderter Kinder betreuen, hat das Schulamt in Duisburg zu Beginn des Schuljahres einen in Vollzeit an eine andere Grundschule ausgeliehen, die anderen sind immerhin stundenweise an anderen Schulen im Stadtgebiet im Einsatz.

Nach dem 2013 beschlossenen Inklusionsgesetz hat jedes behinderte Kind in Nordrhein-Westfalen seit dem Schuljahr 2014/15 in der ersten und fünften Klasse einen Rechtsanspruch auf einen Platz an einer Regelschule. Die rund 280 Hebbelschul-Kinder, so fürchten deren Eltern, blieben für dieses Ziel auf der Strecke. Der Abzug der Sonderpädagogen gefährde die anderswo noch angestrebte Inklusion, die in der Gemeinschaftsgrundschule an der Hebbelstraße seit rund 20 Jahren gelebt wird. In jedem Jahrgang gibt es eine so genannte GL (Gemeinsames Lernen)-Klasse, in der je ein Regellehrer und ein Sonderpädagoge den Lernstoff vermitteln und Kinder mit Förderbedarf intensiv betreuen.

Hebbelschule hat mehr Sonderpädagogen als offiziell nötig

Damit ist die dreizügige Grundschule im Regelfall mehr als ausreichend mit Sonderpädagogen ausgestattet: Laut dem Eckpapier für die Zuweisung von sonderpädagogischen Stellen in NRW, das das Land zu Beginn des Schuljahres 2014/15 herausgegeben hat, ist eine halbe Stelle pro Zug vorgesehen. Bei je drei Klassen pro Jahrgang macht das nur eineinhalb Stellen. Diesen Betreuungsschlüssel übersteigen die eine Vollzeit- und drei Teilzeitstellen der Hebbelschul-Sonderpädagogen.

In besagtem Eckpapier steht aber auch, dass „an den Status Quo der Schulen mit Angeboten im Gemeinsamen Lernen“ angeknüpft werden soll. Im Fall Hebbelschule hieße das: Vier Stellen bei drei Zügen.

Auch interessant

„Die Eltern haben die Hebbelschule in den allermeisten Fällen bewusst ausgewählt, eben weil sie ihre Kinder – ob mit oder ohne Förderbedarf – dort gut betreut und gefördert wissen“, sagt Christina Herold (35). Die Doktorin der Biochemie hat deshalb am vergangenen Donnerstag im Namen der Eltern eine Petition an den Petitionsausschuss des Landtags NRW gestartet, mit der sie den Fall im Landesparlament thematisieren will. Sie fordert darin, „dass die bereits erfolgten Abordnungen zurückgenommen werden und auf keinen Fall weitere Abordnungen oder sogar Versetzungen zugelassen werden.“ Entsprechende Briefe mit den Unterschriften von 170 Eltern sind außerdem verschickt an NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann, Ralph Fleischhauer von der Projektgruppe Inklusion des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW, an die Obere Schulaufsicht sowie ans Schulamt in Duisburg.

"Konzept nicht auf Kosten unserer Kinder durchdrücken"

Christina Herold erlebt jeden Tag, wie sich die Abordnung der Sonderpädagogen auf die Kinder auswirkt: „Meine Tochter geht in die 3c der Hebbelschule, also in eine der GL-Klassen.“ Von 20 bis 25 Schülern dieser Klassen haben bis zu fünf besonderen Förderbedarf. "Diese Kinder", sagt Herold, "sind völlig überfordert. Unter ihnen sind beispielsweise Autisten, die nur sehr schwer Vertrauen aufbauen. Dass ihnen die Bezugspersonen jetzt mehr und mehr entzogen werden, verkraften sie nicht. Ihre Leistungen fallen rapide ab.“ Natürlich unterstütze Herold selbst wie auch die unterzeichnenden Eltern grundsätzlich den Inklusionsgedanken. „Aber das Konzept soll nicht auf Kosten unserer Kinder durchgedrückt werden. Wenn das Budget für zusätzliche Stellen nicht vorhanden ist, muss man die Eltern an entsprechende Schulen verweisen, in denen die Strukturen schon vorhanden sind, und nicht nach dem Gießkannen-Prinzip Stunden verteilen.“ Inwieweit der stundenweise Einsatz der Hebbeschul-Pädagogen den Kindern der anderen Schulen wirklich nützt, sei zusätzlich dahingestellt.

Auch interessant

Weder das Schulamt als Untere Schulaufsichtsbehörde noch die Obere Schulaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf nahmen bis Mittwoch Stellung zum Fall Hebbelschule. Danach gefragt, wer Auskünfte zum Thema geben kann, verweisen die Behörden erst aufeinander und dann auf den Landtag: Dadurch, dass die Petition an ihn gerichtet sei, dürfe nichts nach außen gegeben werden, bevor dieser sich der Beschwerde angenommen habe. Auch Schulleiterin Ines Ernst wollte auf Nachfrage unserer Redaktion keine Einschätzung der Lage an der Hebbelschule abgeben. Zu sehr stehe sie zwischen allen Stühlen, sagt sie.

Petition ist bis zum 23. November online

„Ich bin mir sicher, die Lehrer stimmen unserem Anliegen im Stillen zu“, so Christina Herold. Doch nur die Eltern haben die Petition aktiv organisiert und unterstützt. Gut 550 Unterzeichner hatte sie am Mittwoch bereits. Bis zum 23. November ist die Petition online einzusehen; außerdem planen Herold und andere Eltern, Unterschriften auch persönlich auf Duisburger Stadtgebiet zu sammeln.

Spiel gegen die Zeit - Kommentar von Linda Schreiber 
Linda Schreiber
Linda Schreiber © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services

Schnell muss es an der Hebbelschule gehen, wenn die Kinder mit Förderbedarf ihre vertrauten Bezugspersonen wieder zurück bekommen sollen. Denn tatsächlich ist es diesen Schülern gegenüber höchst unfair, sie von heute auf morgen im für sie (über-)fordernden Schulalltag allein zurückzulassen. Das macht sie zum Bauernopfer eines Gesetzes, das flächendeckend eben jene Inklusion anstrebt, die an der Hebbelschule jahrelang Realität gewesen ist.

In ihrer Not, die abgeordneten Sonderpädagogen wieder an die Grundschule an der Hebbelstraße zu holen, wandten sich die Eltern an den Landtag. Dadurch, dass sie die Petition beim dortigen Petitionsausschuss eingereicht haben, sind nun jedoch allen untergeordneten Prüfstellen die Hände gebunden. Bis sich der Landtag mit dem Fall beschäftigt, Stellungnahmen einholt und letztlich eine Entscheidung fällt, können Monate ins Land gehen. Zeit, die den Hebbelschulkindern wie eine Ewigkeit vorkommen dürfte und in der ihre Leistungen weiter gefährdet sind.

Vielleicht hätte ja Duisburgs OB Sören Link als Fürsprecher etwas drehen können: Der ehemalige schulpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion forderte schon beim Bildungsdiskurs der Mercator-Stiftung 2013 in Essen von Schulministerin Sylvia Löhrmann mehr Sozialpädagogen an den Schulen sowie finanzielle Unterstützung vom Land, um das Inklusionsgesetz überhaupt vernünftig umsetzen zu können. Es gebe „viele ermutigende Beispiele für die erfolgreiche Einbindung behinderter Kinder in den Regelunterricht“, sagte er damals. Die Hebbelschule gehört sicher dazu.