Castrop-Rauxel. Ein Diplom-Ingenieur erhielt nach seiner Ausreise aus der DDR nach Castrop-Rauxel eine Sonderrente vom Kreis Recklinghausen. Als herauskam, dass der heute 62-Jährige für die Stasi als Spitzel tätig war, sollte er das Geld zurückzahlen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erließ ihm nun die Rückzahlung der Opferentschädigung.
Seine bedrückenden Erlebnisse als Inhaftierter der DDR-Diktatur überzeugte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen dermaßen, dass es ihm die Rückzahlung der Opferentschädigung erließ: Denn der heute 62-Jährige Diplom-Ingenieur war später auch als Stasi-Spitzel identifiziert worden.
Nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik gelangte der DDR-Bürger nach Unna-Massen und wohnte anschließend in Castrop-Rauxel. Hier beantragte er eine Sonderrente für politisch Verfolgte und bekam eine Einmalzahlung. Um dieses Geld ging es beim Termin vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Denn der Kreis Recklinghausen, der es ausbezahlt hatte, verlangte es zurück, als herauskam, dass der 62-Jährige für die Staatssicherheit gearbeitet hatte. „Bei der Stasi-Behörde wurde seine Akte gefunden“, erklärte der Pressedezernent des Gerichts, Karsten Herfort. Es ging in der Verhandlung um gut 1000 Euro.
Verhaftung wegen Heißluftballon-Skizze
Ausgerechnet ein Rügener Kirchenanwalt war es, der den Familienvater 1980 in allergrößte Schwierigkeiten brachte. Denn statt seinem Klienten bei einem Ausreiseantrag zu helfen, verpfiff dieser ihn an das Ministerium für Staatssicherheit. Fortan wurde der heute 62-Jährige observiert. Und als die Spitzel 1983 dann eine Zeichnung fanden, auf der der Ingenieur einen Heißluftballon gezeichnet hatte, der vier Menschen in Richtung Bundesrepublik hätte befördern können, schnappten sie zu.
Der damals 32-Jährige wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er hauste in einer acht Quadratmeter großen Zelle fast ohne Licht, nur mit einer Luke für Frischluft. Der psychische und körperliche Verfall habe schnell eingesetzt. Der Gefangene bekam Hautausschlag und Durchfall, konnte nicht schlafen, kaum essen und magerte ungeheuer ab.
In einen Wald verschleppt
Eines Tages wurde er sogar in einen Wald verschleppt, und er dachte, er würde dort umgebracht. Nach zwei Monaten Einzelhaft war er zermürbt genug, einer Zusammenarbeit mit der Stasi einzuwilligen und schrieb daraufhin Spitzel-Berichte über Mitgefangene.
Nach acht Monaten wurde er vorzeitig entlassen, 1988 gelang ihm die offizielle Ausreise in die BRD, seine inzwischen geschiedene Frau und sein Sohn hatten schon 1979 „rüber gemacht“.
„Das Gericht sah zwar nicht alle Zweifel ausgeräumt, doch es ist klar, dass man dem Mann keinen persönlichen Vorwurf machen kann“, erläuterte Herfort.