Bottrop/Recklinghausen/Essen. . Die erneuten Spekulationen über die Zukunft der Warenhauskette Karstadt sorgt bei den Mitarbeitern für tiefe Verunsicherung. Nach dem plötzliche Abgang von Chefin Eva-Lotta Sjöstedt kündigte Aufsichtsratschef Fanderl einen harten Sparkurs an. Einzelne Häuser im Ruhrgebiet standen schon mehrfach auf der Streichliste.

„Wow“, wirbt Karstadt, und schon ist „Sale“. Ausverkauf also, nur gefühlte Stunden, nachdem der Konzern erneut das Damoklesschwert aufgehängt hat – mehr als 20 verlustreiche Filialen nannte der Aufsichtsvorsitzende Stephan Fanderl in einem Atemzug mit dem Wort „Sanierungskurs“. Aber halt!, ruft Bottrops Betriebsratschefin Irmgard Heßling-Schmeer: Schlussverkauf sei doch ganz normal um diese Zeit, „wann sollen denn sonst die Sommerartikel verkauft werden“?

Man könne die schließlich nicht zurückhalten „bis zum Herbst“. Zumal ja schon wieder keiner weiß, was mit Karstadt ist im Herbst. Verkauft, verkleinert, verschlankt? „Keine Ahnung, kann man nichts machen, müssen wir durch“, sagt eine Kassiererin schmallippig. Die Kollegen der Karstadt-Häuser im Ruhrgebiet sind darin geübt mit den Jahren, den Kopf einzuziehen; gestählt sind sie nicht. „Da gewöhnt man sich nie dran.“ Recklinghausen, Mülheim, Bottrop, auch Dortmund – sie standen alle schon einmal auf der Streichliste.

Karstadt-Betriebsrätin sagt, "man muss kämpfen"

Und jedes Mal sind die Mitarbeiter aufgestanden, „man muss kämpfen“, sagt Recklinghausens Betriebsratschefin Christa Schubert. „Abducken gilt nicht, ich kann doch nicht den Kopf in den Sand stecken!“ Nun ist diese Frau Schubert, bei Karstadt seit 1972, eine Kämpfernatur, eine, die seit über 35 in die Arbeitnehmervertretung gewählt wird für ihren Optimismus: „Sonst könnte ich hier gar nicht mehr arbeiten!“ Aber sie weiß, dass andere weniger Kraft haben. „Die haben Angst. Die wollen wissen: Sind wir betroffen?“

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Das aber sagt die Konzernführung (noch) nicht, die schrieb der Belegschaft einen Brief. „Karstadt ist keinesfalls chancenlos“, heißt es darin mehrfach. Man müsse nur zusammenhalten und „jeden einzelnen Tag unser Bestes geben“. Allerdings brauche Karstadt „eine entschlossene und schnelle Sanierung, die sicherlich nicht ohne einschneidende und schmerzhafte Entscheidungen auskommen wird“. Viel ist in dem Schreiben von „gemeinsam“ und „erfolgreich“ die Rede, „Blut-Schweiß-und-Tränen-Appell“ nennt das der „Spiegel“ verächtlich.

Hin und Her, Rauf und Runter

Tatsächlich kommt der bei den Adressaten nicht gut an. Haben sie nicht schon alles um- und das Sortiment neu aufgestellt, haben sie nicht schon fünf Jahre „das Hin und Her, das Rauf und Runter“ ausgehalten, wie eine Angestellte sagt, und vor allem: verzichtet? „Wir haben alles getan“, rechnet in Recklinghausen Christa Schubert vor. 116 Euro bekomme eine Verkäuferin der 1. Gehaltsgruppe nach allen Sanierungstarifverträgen weniger. „Alles weg, alles geopfert“, und nun stornieren einige schon ihren Urlaub. Man legt das Geld lieber an die Seite, heißt es aus einer Filiale, „wer weiß, was kommt“.

Hilflos fühlen sich viele, die ihr Unternehmen doch „lieben“: „Die sagen uns, wir sollen endlich profitabel werden“, klagt ein Verkäufer, „aber wie denn mit Rabatten, Rabatten, Rabatten?“ Die Kunden nehmen die zwar gern, aber sie verlieren ihr Vertrauen. So viele kamen am Mittwoch mit ihrer Karstadtkarte und dem Kommentar: „Da krieg’ ich ja sowieso nichts mehr raus, wenn Sie weg sind.“ Brauche man nicht, sowas, sagt ein Mitarbeiter bitter, die Kollegen wissen: Das Schlimmste wäre, wenn nun auch noch die Kunden verunsichert werden.

„Total erschüttert“ über Berggruen

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Sie selbst sind es schon so lange, dass einzelne eine „stoische Gelassenheit“ entwickelt haben. Oder Wut. Auf den Investor Berggruen, den sie erst als „Retter“ feierten und nun einen „schlimmen Finger“ nennen. „Total erschüttert“ ist etwa Christa Schubert über den Mann, dem sie ihr Vertrauen schenkte, der aber nur „das Geld rauszieht“. Vor der nach nur fünf Monaten ausgeschiedenen Chefin Eva-Lotta Sjöstedt indes zieht nicht nur sie den Hut. „Die hat Mut und Rückgrat.“ Dass sie aber ging: „War ein Schlag ins Gesicht, für uns Mitarbeiter absoluter Mist.“

Denn jetzt ist wieder alles offen, ein „Glückspiel“, sagt Schubert. Dabei ist auch das ein Werbespruch des Hauses: „Shoppen immer und überall.“ Überall? Ein Drama mit Karstadt, sagen auch die Kunden. Und dies ist, was Christa Schubert ihnen antwortet: „Jawoll, alles wie immer!“