Essen.. Schon einmal mussten zahlreiche Warenhäuser schließen. Standorte wie Essen-Rüttenscheid profitierten, in Städten wie Herne gibt es Probleme. Mehr als 20 Karstadt-Filialen droht nun das Aus. Das Beispiel von Herne könnte sich auch in anderen Städten wiederholen.

Der Anblick könnte unterschiedlicher kaum sein: Hier ein schicker Neubau mit Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie, dort eine Bauruine mitten in der Stadt. Essen-Rüttenscheid und Herne liefern zwei Beispiele dafür, was passiert, wenn ein Warenhausbetreiber wie Karstadt seine Türen schließt.

Es war im Jahr 2005, als ein britischer Finanzinvestor von Karstadt eine Reihe kleinerer Filialen übernahm und in Hertie umbenannte. Drei Jahre später kam die Pleite – und die bange Frage: Wie geht es weiter in den Innenstädten und Fußgängerzonen der Region?

Der Essener Immobilien-Unternehmer Eckhard Brockhoff nutzte die Krise als Chance und kaufte das ehemalige Karstadt-Kaufhaus an der beliebten Rüttenscheider Straße in Essen. Auf den Abriss folgte der Neubau. An der Adresse „Rü 62“ befinden sich nun Aldi, Deichmann, DM, ein Edeka-Supermarkt, Anwaltskanzleien und das Bistro von Sternekoch Nelson Müller in einem Prachtbau mit markanter Fassade. „Für den Stadtteil ist das ein Gewinn“, sagt Brockhoff. An dem Standort gebe es mehr Arbeitsplätze als zu Zeiten von Karstadt.

Leerstand seit mehr als fünf Jahren

In Herne dagegen steht das ehemalige Karstadt-Warenhaus seit mehr als fünf Jahren leer und gammelt vor sich hin. Eine Zwangsversteigerung vor wenigen Tagen blieb ohne Ergebnis. Abschreckend wirkt, dass die Immobilie unter Denkmalschutz steht. „Denkmalgeschützte Gebäude ohne Funktion – das können wir uns nicht erlauben“, klagte Hernes Oberbürgermeister Horst Schiereck unlängst. Ein Investor ist jedenfalls nicht in Sicht.

Das Beispiel von Herne könnte sich auch in anderen Städten wiederholen. Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl lässt keinen Zweifel daran, dass vielen Filialen das Aus droht. Er sprach gegenüber der FAZ „von mehr als 20 Häusern“. Das heißt: Mehr als jede vierte der bundesweit rund 80 Filialen von Karstadt ist in Gefahr.

Beim Deutschen Städtetag ist man sich der Bedeutung der Warenhäuser für die Fußgängerzonen bewusst. „Auch wenn der Internethandel die Einkaufsgewohnheiten weiter verändern wird – große Kaufhäuser machen die Innenstädte attraktiv und lebendig“, sagt Helmut Dedy, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Städtetages. Im Umkehrschluss: „Wenn Warenhäuser schließen müssen, wirkt sich das oft auch negativ auf das Umfeld aus. So können Innenstädte an Lebensqualität verlieren.“

„In Bottrop wird es schwierig“

Die Karstadt-Krise schürt die Sorge vor neuen Kaufhaus-Ruinen. Es sei zu befürchten, dass Häuser wie die Karstadt-Filiale in Bottrop schließen müssen und dann für eine lange Zeit leer stehen, sagt Immobilien-Experte Brockhoff. „In Bottrop wird es wirklich schwierig. Die Filiale ist Mittelpunkt der Innenstadt und grenzt an mehrere Fußgängerzonen.“ Der Karstadt-Konkurrent Kaufhof werde womöglich „ein paar wenige Häuser“ übernehmen, auch der irische Textildiscounter Primark sei ein Kandidat für das eine oder andere Haus. „Aber das Unternehmen geht nicht in die kleinen Städte“, gibt Brockhoff zu bedenken.

Ob er selbst nach dem Vorbild von Rüttenscheid noch einmal tätig werden will? „In Herne oder Bottrop würde ich das nicht machen“, sagt Immobilien-Investor Brockhoff frei heraus. „Das würde auch nicht funktionieren. In diesen Städten fehlt einfach die Kaufkraft.“

Dort, wo es keinen Stillstand gibt, braucht die Veränderung Zeit. In Lünen zum Beispiel beginnen die Umbauarbeiten am alten Hertie-Gebäude gerade erst. Der Standort des ehemaligen Warenhauses in Kamen soll als Einkaufszentrum wiederbelebt werden. Kamens Bürgermeister Hermann Hupe hatte zuvor zu einer „Abrissparty“ beim ehemaligen Hertie-Gebäude eingeladen.