Bottrop. Drei alleinerziehende Mütter aus Bottrop erzählen, wie sich das Leben mit Hartz IV für sie und ihre Kinder anfühlt. Dabei fällt auf: Sogar für selbstverständliche Dinge wie Nahrung, Kleidung und Schulmaterialien muss an jeder Ecke gespart werden. Gesellschaftliche Vorurteile schmerzen zusätzlich.

Die drei Mütter Gabi, Fatma und Hatice (alle Namen von der Redaktion geändert) haben Wesentliches gemeinsam. Sie sind alleinerziehend. Sie sind von Hartz IV abhängig. Sie setzen auf eine bessere Zukunft für ihre Kinder. Im Gespräch mit der WAZ erzählen sie, was materielle Nöte im Alltag bedeuten – und wie sie sich gerade auch auf das Leben ihrer Kinder auswirken.

Hatice, derzeit erwerbsunfähig, nennt gleich ein Beispiel: Die Ski-Freizeit ihrer Tochter. „Die Fahrtkosten werden bei Hartz-IV-Empfängern übernommen“, sagt Hatice. Indes: „Es bleibt ja nicht dabei.“ Ski-Kleidung, Handschuhe, Ski-Brille – klar suche man danach in Second-Hand-Läden. „Aber das ist nicht so leicht wie man vielleicht meint.“ Dazu noch das Taschengeld für die Fahrt... Letztlich habe eine Stiftung geholfen.

Enormer Marken-Druck

Gabi, die teilzeit in der Hauswirtschaft arbeitet und aufstockend Hartz IV bekommt, hat einen Sohn im Teenageralter. „Von der Schule wird vorausgesetzt, dass jeder Schüler einen PC hat und mit dem Internet arbeiten kann“, ist ihre Erfahrung. „Dass es Familien gibt, die sich keinen Computer leisten können, registrieren sie nicht.“ Sie hätte „an allen Ecken und Enden geknapst“, um schließlich einen Computer kaufen zu können.

„Und wer in der Schule kein Handy hat“, ergänzt Fatma, 1,50-Euro-Jobberin und Mutter von drei Kindern „wird gemobbt.“ Der Druck durch andere Teenager, die teure Markenkleidung tragen, sei groß. Gabi plädiert daher für Schuluniformen. Natürlich ist den Müttern wichtig, dass ihre Kinder integriert sind, dass sie sich nicht ständig eingeschränkt fühlen. Markensachen etwa sind aber nur drin, wenn sie reduziert sind. Schnäppchenjagd, auch bei Lebensmitteln, ist Alltag. „Selbst die Grundnahrungsmittel sind ja inzwischen enorm teuer“, sagt Gabi. „Es fehlt an jeder Ecke“, meint Hatice. Neulich hat sie gleich mehrere Schals gekauft, als die für 1 Euro im Angebot waren.

Gleichzeitig wissen die Frauen, dass es wichtigere Werte gibt als das Materielle: Dass ihre Kinder mit jedem Problem zu ihnen kommen können, dass sie voll und ganz hinter ihrem Nachwuchs stehen. Im Vordergrund steht, dass ihre Kinder einen guten Realschulabschluss machen, dann eine Ausbildung. „Manchmal mache ich da richtig Druck auf meinen Sohn“, gibt Gabi zu. Ihren Kindern wollen die Mütter alles ermöglichen – da sparen sie lieber bei sich selbst. Wobei alles Grenzen hat. Zur Tafel etwa geht Gabi nicht: „Ich schäme mich, mich dort vor die Tür zu stellen und jeder fährt vorbei.“ Bei allen Schwierigkeiten verzagen diese Frauen nicht. „Du improvisierst einfach“, meint Hatice. „Du musst auch positiv denken“, fügt Gabi hinzu. „Es klappt schon.“

Vorurteile der Gesellschaft schmerzen

Wenn sich die drei Mütter etwas wünschen könnten, hier und jetzt, dann gehörte ein wenig mehr finanzieller Spielraum ohne Frage dazu. „Ich fände es gut, wenn das Kleidungsgeld wieder eingeführt würde“, sagt Hatice. „Manchmal findet man günstige Sachen. Aber manchmal braucht das Kind zum Beispiel unbedingt eine neue Winterjacke – und dann steht man da.“ Gabi kennt solche Situationen genau. Und ist froh, wenn in so einem Fall z.B. die Patentante einspringt und eine neue Jacke schenkt.

Hatice formuliert noch einen Wunsch: „Dass alleinerziehenden Müttern nicht so ein Druck gemacht wird, jede Arbeit anzunehmen.“ Denn die Arbeitszeiten hätten es zum Teil in sich. Im Einzelhandel bis spät in den Abend. Im Call Center rund um die Uhr. „Und das sind die Jobs, die man meistens angeboten bekommt“, ist Gabis Erfahrung. Aber die Frauen sich einig, dass sie ihre Kinder ja nicht am Abend, gar in der Nacht allein lassen können. „Selbst wenn es eine Betreuung rund um die Uhr gebe – ich möchte nicht, dass mein Kind ausschließlich von Betreuern erzogen wird“, ergänzt Gabi. Sie wünscht sich noch dies: „Nicht gleich abgestempelt zu werden, wenn man Geringverdiener ist.“ Sie kennt die Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Empfängern („dumm“, „faul“) nur zu genau, möchte gerade ihren Sohn davor schützen.