In einem Interview erzählen Mitarbeiterinnen und Vorsitzende des Sozialwerkes St. Johannes von ihren Aufgaben und von der Armut, die im „reichen“ Kirchhellen viel größer ist als man denkt.

Die prachtvollsten Blumen blühen oft im Verborgenen. Im Hintergrund, ganz leise, ohne es an die große Glocke zu hängen, kümmert sich das Sozialwerk St. Johannes um die Armen, um die Gestrandeten in Kirchhellen – seit mittlerweile 40 Jahren. Als Ansprechpartnerin längst eine Institution ist die hauptamtliche Angestellte des Sozialwerkes, Irmgard Vennemann. Eine Frau mit Herz und Sachverstand, eine Frau, die das klare Worte liebt und keine Antwort schuldig bleibt und sei sie noch so unangenehm. Nach 21 Jahren geht sie Ende des Monats in den Ruhestand. WAZ-Redakteur Franz Naskrent sprach mit der 65-Jährigen, mit ihrer Nachfolgerin Ulrike Eikenkamp (45) und der Vorsitzenden des Sozialwerkes Stefka Pirc.

Worin besteht die Aufgabe des Sozialwerkes?

Irmgard Vennemann: Wir kümmern uns um die Bedürftigen. In Kirchhellen gibt es viel versteckte Armut – mehr denn je! Als ich hier vor 21 Jahren angefangen habe, gab es beispielsweise kaum Arbeitslose im Dorf. Das sieht heute ganz anders aus.

Ulrike Eikenkamp: . . . und es gibt viel mehr Alleinerziehende!

Wie äußert sich die Armut und was tun sie dagegen?

Stefka Pirc: Viele kommen heute mit der zu kleinen Rente nicht mehr klar. Sie können die Miete, die Nebenkosten nicht mehr bezahlen. Wir haben auch Fälle, da sind die Männer voll berufstätig. Sie können trotzdem ihre Familie nicht mehr ernähren, und ein Auto können sie sich schon lange nicht mehr leisten. Und wenn dann mal ein Haushaltsgerät kaputt geht, zum Beispiel eine Waschmaschine, können sie das Gerät nicht mehr ersetzen – auch das war vor 20 Jahren ganz anders. Wir helfen dann bei der Finanzierung wichtiger Haushaltsgeräte.

Aber da kann doch jeder kommen.

Vennemann: Bevor wir in Aktion treten, erkundigen wir uns beim Sozialamt, Arbeitsamt, ob die Leute andere Zuwendungen erhalten. Wir lassen uns auch Unterlagen von den Antragstellern geben, in jedem einzelnen Fall.

Wie viel Fälle pro Jahr?

Vennemann: Im Jahr 2011 waren es 92 bedürftige Kirchhellener Familien, denen wir helfen konnten.

Wie sieht die Hilfe im Einzelnen aus?

Vennemann: Wir bezahlen etwa die hohe Stromkostennachzahlung, und zwar direkt beim Stromanbieter. Wir gehen eine neue Waschmaschine kaufen und lassen sie an die Adresse liefern oder wir vergeben Lebensmittelgutscheine. Oder: Wir haben einem Hartz IV-Empfänger, der einen 1,50-Euro-Job macht, ein gebrauchtes Fahrrad besorgt. Sein altes Rad war hinüber.

Pirc: Ganz wichtig ist dabei, wir regeln alles anonym!

Wir finanziert das Sozialwerk die Anschaffungen, oder wie kommen sie an gebrauchte Geräte?

Vennemann: Das Geld stammt ausschließlich aus Spenden und aus den Haussammlungen der Caritas. Wir haben übrigens enorm fleißige Sammlerinnen in Kirchhellen.

Eikenkamp: Das Geld, das wir einnehmen, dürfen wir nur in Kirchhellen ausgeben. Einmal im Jahr legen wir dem Kirchenvorstand St. Johannes unsere Bilanz vor – natürlich ohne Namensnennung der Bedürftigen.

Vennemann: Ich entscheide auch nie allein über die Hilfen. Immer nur nach Gesprächen mit den Vorstand, also mit Frau Pirc, der Kassiererin Lisa Breilmann oder Pastor Manfred Stücker. Außerdem pflege ich einen engen Kontakt mit dem Vorstand, wir besprechen uns einmal am Tag.

Frau Eikenkamp, sie übernehmen am 2. April die Aufgaben von Frau Vennemann. Bringen Sie eigene Ideen mit in den Job?

Eikenkamp: Ich würde gern die Nachwuchsarbeit intensivieren. Etwa Kontakte knüpfen mit der Oberstufe des Gymnasiums, um soziale Themen für Facharbeiten anzustoßen. Vielleicht kann die Schule auch Referenten des Sozialwerkes miteinbeziehen.

Hinter dem Sozialwerk steht der Caritasverband, die katholische Kirche. Wie sieht es mit Hilfsbedürftigen anderer Konfessionen, anderer Religionen aus?

Vennemann: Wir fragen nicht nach dem Taufbuch!