Bottrop. Sensibilisiert für die Gefahren im Verkehr, können Bottroper Schüler selbstständig zur Schule gehen. Das hilft auch gegen das Elterntaxi-Chaos.

Wie der orangefarbene Lkw der Best da auf dem Hof der Nikolaus-Groß-Schule steht, umlagert von quirligen Erstklässlern, wirkt er fast wie ein übergroßes Spielgerät. Doch der Lkw-Einsatz hat einen ernsten Hintergrund: Die Kinder dürfen den Platz des Fahrers einnehmen und so selbst erleben, wie schnell (gerade kleine) Fußgänger in den toten Winkel des großen Fahrzeugs geraten können. Eine Erkenntnis, die gerade auch dann wichtig ist, wenn sie ihren Schulweg zu Fuß bestreiten.

„Toter-Winkel-Aktion“ für alle Bottroper Grundschulen

Denn in dieser Art, zur Schule zu kommen, sehen Pädagogen wie Verkehrsexperten große Vorteile – während sie Eltern-Taxis eine Absage erteilen. Dino Rühlemann, Abteilungsleiter im Straßenverkehrsamt, das mit der Dekra die „Toter Winkel“-Verkehrssicherheitsaktion an allen Bottroper Grundschulen durchführen möchte, hat zu Unterrichtsbeginn die Bring-Situation vor der Nikolaus-Groß-Schule fotografiert. Im kleinen Förenkamp reiht sich zur noch dunklen Morgenstunde Autolicht an Autolicht. Hier als Fußgänger die Straße überqueren? Nicht sehr verlockend, nicht einmal aus Erwachsenensicht.

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Schulleiterin Gabriele Kado beobachtet, dass gerade die jüngsten Schülerinnen und Schüler viel mit dem Auto gebracht werden, was durchaus zu problematischen Verkehrssituationen in der kleinen Straße vor der Grundschule führe. „Aber es gibt auch viele Eltern, die ihre Kinder zu Fuß bringen oder andere Kinder mitnehmen.“

Dies noch zu verstärken, daran arbeite die Schule mit dem Projekt „Bei uns läuft’s“. Über 30 Tage hinweg sollten die Jungen und Mädchen so viele Tage wie möglich zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Unterricht kommen. „Oder wenn sie richtig weit weg wohnen, dann nicht direkt vor der Schule abgesetzt werden“, erklärt Gabriele Kado.

Die farbigen Flächen zeigen, in welchem Bereich es für den Lkw-Fahrer schwierig wird, den Überblick über Fußgänger zu behalten. Selbst wenn er seine Spiegel optimal eingestellt hat.
Die farbigen Flächen zeigen, in welchem Bereich es für den Lkw-Fahrer schwierig wird, den Überblick über Fußgänger zu behalten. Selbst wenn er seine Spiegel optimal eingestellt hat. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Eltern-Taxis, die bis zum Schuleingang vorfahren: nicht nur ein Problem an dieser Schule, im Gegenteil. Selbst Halteverbote seien nicht immer wirkungsvoll, heißt es aus dem Straßenverkehrsamt – weil die Eltern der Meinung seien, ja nur ganz kurz vor der Schule zu stehen, um die Kinder aus dem Auto zu lassen.

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„Vom Grundsatz her haben wir Hol- und Bringproblematiken an allen Grundschulen und an einem Großteil der weiterführenden Schulen“, sagt Fabian Fingerlin, Leiter des Straßenverkehrsamtes. Deshalb wurden bereits sogenannte Hol- und Bringzonen eingerichtet, die jeweils ein Stück von der Schule entfernt liegen, so dass die Schülerinnen und Schüler zumindest den letzten Rest des Schulweges alleine gehen. Und das Verkehrsaufkommen direkt vor den Schulen entzerrt wird.

Diese Zonen gibt es in Bottrop bereits an den Grundschulen Cyriakus, Astrid Lindgren und Droste-Hülshoff. Für die Nikolaus-Groß-Grundschule sei eine ins Auge gefasst worden, berichtet Gabriele Kado. Zudem sind Hol- und Bringzonen fürs Josef-Albers- und Heinrich-Heine-Gymnasium eingerichtet.

„Kinder müssen lernen, sich im Verkehr zu bewegen“

Jörg Zganiatz von der Dekra, der die Erstklässler an diesem Morgen ins Sachen Lkw sensibilisiert, unterstreicht die Bedeutung des eigenständig absolvierten Schulwegs. „Kinder müssen lernen, sich im Verkehr zu bewegen.“ Insofern sei es sicherer, als Eltern mit ihnen den Fußweg zu üben, als sie per Auto direkt vor der Schule abzusetzen. „Sie müssen auch mal brenzlige Situationen erlebt haben“, so Zganiatz – um daraus zu lernen.

Seine Tipps für Sicherheit auf dem Weg zum Unterricht: helle Kleidung, reflektierende Flächen am Tornister oder auf extra anzuziehenden Westen (gerade jetzt im Winter); auf dem Bürgersteig laufen; zum Queren der Straße Ampeln und Zebrastreifen nutzen.

Und wenn ein großer Lkw wie der Best-Müllcontainer den Weg kreuzt? „Man sollte immer einen seitlichen Abstand von mehreren Metern zum Fahrzeug halten.“ Wichtig sei auch, Blickkontakt zum Lkw-Fahrer zu haben. „Wenn man Blicke austauschen kann, kann man sicher sein, dass der Fahrer mich sieht.“ Im Zweifelsfall sollten die Kinder aber einfach stehen bleiben, bis der Lkw vorbeigefahren ist.

Für den eigenständigen zurückgelegten Schulweg – und sei es nur ein letztes Stück – sprechen laut Experten auch soziale und gesundheitliche Aspekte.

Kaum Schulweg-Unfälle in Bottrop

Die Maßnahmen, die für einen sichereren Schulweg in Bottrop ergriffen werden, haben übrigens in Bottrop vor allem einen präventiven Charakter. Unfallhäufungen auf Schulwegen sind beim Straßenverkehrsamt nicht bekannt. Nachgefragt bei der Polizei: Die registrierte in den Jahren 2018 bis 2022 jeweils zwischen null und vier Schulwegunfällen.

„Die Gesamtzahl der Verkehrsunfälle in Bottrop im Jahr 2022 betrug 3333. Davon waren drei Schulwegunfälle“, berichtet Polizeisprecher Andreas Lesch. Die Auswertung für das noch laufende Jahr 2023 liegt noch nicht vor. Es gab aber mindestens einen Schulwegunfall zu Jahresbeginn an der Kreuzung Freiherr-vom-Stein-Straße/Essener Straße in der Innenstadt, bei dem eine 14-Jährige angefahren wurde.

Grundsätzlich unterstreicht Fabian Fingerlin: „Die Verkehrsüberwachung ist weiterhin an allen Schulen vor Ort.“

Hinweise willkommen

Eltern, die auf dem Schulweg mögliche Gefahren wie Falschparken, fehlende Beschilderung oder andere Verkehrsprobleme feststellen, können sich an das Straßenverkehrsamt wenden. Das prüft dann die Umsetzung entsprechender Maßnahmen.

Kontaktmöglichkeit per E-Mail: amt36@bottrop.de