Bottrop. Die Rathausschänke gibt’s seit 1916. Seit Jahren führt ein Anwohner einen Privatkrieg gegen das Lokal. Das weiß auch die Stadt. Und was passiert?
Die Rathausschänke ist eine Institution in der Stadt. Seit 1916 wird dort ausgeschenkt, treffen sich Pohlbürger, Schützen, aber auch Fußballfans oder Studenten, Freundinnen, die einfach ausgehen möchten. Die Grenzen sind fließend. Die Lärmentwicklung sicherlich auch, wie auf der Kneipenmeile oder überall dort, wo eben ein Wirtshaus steht, in dem nicht nur in konzentrierter Ruhe gespeist wird.
Seit Jahren sieht sich die Rathausschänke Beschwerden ausgesetzt. Ein Anwohner versucht auf Biegen und Brechen, nicht nur den Betrieb des Lokals, sondern auch abendliche Veranstaltungen auf dem Rathausplatz durch Beschwerden möglichst nicht stattfinden zu lassen. Das wissen auch Verantwortliche in der Verwaltung. Für den Wirt der Rathausschänke, Abdel Hmadi, der das Lokal seit 2018 führt und davor lange die Traditionskneipe „Schäfer“ betrieben hat, scheint aber jetzt das Maß voll zu sein. Er sieht sich gar in seiner Berufsausübung eingeschränkt, fühlt sich gegängelt, gemobbt. Was ist passiert?
KOD holt Wirt bei Bottrops Kneipennacht aus der Gästeschar und stellt ihn zur Rede
Bei der jüngsten Bottroper Kneipennacht, deren Live-Programm laut Veranstalter bis ein Uhr durchgeführt werden sollte, standen wie so oft Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) vor der Tür und hätten Abdel Hmadi aus seiner Gästeschar herausgezogen und „zur Rede gestellt“. Fenster und Tür seien offen gewesen, Lärm sei über Gebühr und nach 22 Uhr nach draußen gedrungen, er solle sofort die Musik abstellen, das heißt: den Auftritt der Liveband beenden, berichtet Hmadi. Er kennt die Abläufe der Einsätze, wurde bereits zwei mal zu Ordnungsstrafen von 500 Euro verdonnert, ohne dass es jenseits von Behauptungen einen Nachweis – sprich: Messung – zur erhöhten Lärmbelästigung geben habe.
Auf Nachfrage der WAZ bestätigt Ordnungsamtsleiter Michael Althammer den Sachverhalt, sagt aber zugleich: „Alle haben seitens der Stadt ein Interesse, dass Veranstaltungen wie die Kneipennacht hier stattfinden. Aber: Alle Regeln, die sonst gelten, gelten auch für die Kneipennacht.“ Die Rathausschänke sei ein besonders sensibler Fall, da es insbesondere um einen Anwohner gehe, der regelmäßig abends den KOD rufe. Die Situation sei so weit gegangen, dass die Rathausschänke schon unter den letzten Pächtern eine zusätzlich Auflage in der Betriebserlaubnis stehen habe: Fenster müssten abends geschlossen, Türen dürften nur minimal geöffnet werden. Dass sich das bei vollen Kneipenbetrieb schwer umsetzen lasse, stehe außer Frage.
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Immerhin: Man sei mit Abdel Hmadi schon länger in guten Gesprächen, habe eventuell sogar über eine Aufhebung dieser zusätzlichen Regeln nachgedacht, die lange vor seiner Zeit als Amtsleiter in diesem speziellen Fall geändert worden seien. Althammer beschreibt den Zustand als eine Art Patt-Situation. Der Anwohner der Kirchhellener Straße, Ecke Rathausplatz/Böckenhoffstraße kenne offensichtlich Regelwerk und Mechanismen sehr gut, hätte sogar den Petitionsausschuss des Landes eingeschaltet. Aber: „Als Ordnungsamt und KOD sind wir eine Art Verbraucherschützer, da haben auch Anwohner Rechte.“ Aber natürlich könne er die Situation des Wirts sehr gut nachvollziehen, der sich mit vielen anderen bemühe, die Stadt lebendig zu halten.
Abdel Hmadi, den wir mit einem bekannten Bottroper Unternehmensberater in der Rathausschänke treffen, hilft das zunächst wenig. Zu ohnehin bestehenden Sorgen der Gastronomie wie Personalmangel (trotz Bezahlung gut über dem Mindestlohn) und der Suche nach einem Koch, habe er erst kürzlich 17.000 Euro investiert, um hochkarätige Fußballspiele per Sky zeigen zu können. Er zahle gewissenhaft seine Pacht, die Löhne, Heiz- und Betriebskosten. Da sei das regelmäßige Auftreten des KOD fast schon geschäftsschädigend, zumal er sich permanent gegen unbewiesene Behauptungen zur Wehr setzen müsse. „Es kann nicht sein, dass ich als Wirt Angst vor jedem Wochenende habe, das ist einfach demotivieren.“
Überzogene Kontrollen können einen normalen Wirtshausbetrieb behindern
Der Unternehmensberater dazu: Man könne nicht eine Betriebserlaubnis an objektive Kriterien knüpfen, die sogar Geräuschpegel definieren, und dann jede Woche einer einzelnen, subjektiven Empfindung stattgeben, die einen normalen Wirtshausbetrieb behindere. Der Pachtvertrag für die Rathausschänke läuft übrigens im nächsten Jahr aus. Ob er unter diesen Bedingungen verlängere, möchte Abdel Hmadi noch nicht sagen. „Dabei bin ich Wirt mit Leib und Seele, liebe die Rathausschänke, bin gerne für meine Gäste da – und auch gerne hier in Bottrop.“