Bottrop-Kirchhellen. Bei 25 Nutztierrissen seit 2018 im Wolfsgebiet haben Wölfe 90 Zentimeter hohe Weidezäune überwunden. In 23 Fällen war es Problemwölfin Gloria.

NRW-Umweltminister Oliver Krischer hat dem Umweltausschuss des Landtages eine Auswertung der Nutztierrisse im Wolfsgebiet seit 2018 vorgelegt. In 23 von 25 Rissen, bei denen Wölfe einen 90 Zentimeter hohen Zaun (Grundschutz) überwanden, ist Problemwölfin Gloria als Angreiferin identifiziert worden. In weiteren sechs Fällen hat sie sogar 120 Zentimeter hohe Zäune überwunden, zuletzt am 2. September auf einer Weide in Kirchhellen.

Damals wurden sieben Tiere gerissen und 23 weitere so schwer verletzt, dass sie getötet werden mussten. Die Naturschutzverbände (Nabu) im Wolfsgebiet werfen derweil die Frage auf: Werden überhaupt noch alle Risse gemeldet?

+++ Nachrichten aus Bottrop direkt ins Postfach: Hier geht es zum Bottrop-Newsletter +++

Die Liste der Risse, die Gloria zugerechnet werden, könnte noch wachsen. Noch nicht ausgewertet sind die DNA-Spuren von vier Rissen in Schermbeck seit dem 20. Oktober mit zehn getöteten Tieren. Das Ministerium kommentiert die Auswertung so: „Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für ein aktives behördliches Handeln erfüllt sind, dauert an.“ Übersetzt: Auf der Basis der neuen Verwaltungsvorschrift des Ministers zur Wolfsverordnung wird geprüft, ob ein Abschuss der Wölfin rechtssicher möglich ist.

„Wölfe lernen, dass Zäune überwindbar sind“

Ein Abschuss ist der völlig falsche Weg, warnen die Nabus im Wolfsgebiet und die „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“. Nach einem Abschuss, argumentiert deren Sprecherin Nicole Kronauer, „werden wieder Wölfe zuwandern, in den schlecht geschützten Weidetieren leichte Beute finden und lernen, dass Zäune überwindbar sind. Statt ins Thema Abschüsse sollten die Energien deshalb in die Durchsetzung eines flächendeckenden, funktionierenden Herdenschutzes fließen.“

Auch interessant

Genau so argumentieren auch die Nabus, die sich im Wolfsgebiet zusammengeschlossen haben. Frank Boßerhoff vom Nabu Wesel: „Das Hauptproblem sind aus unserer Sicht zurzeit die beim Bau von wolfsabweisenden Zäunen säumigen Tierhalter. Es gibt nach wie vor sehr viele schlecht oder gar nicht geschützte Weidetiere hier.“ Hier sollte das NRW-Landwirtschaftsministerium aktiv werden, findet der Bottroper Nabu-Chef Rolf Fricke. Martin Frenk vom Nabu Borken: „Schlechte Zäune sind Trainingsgeräte für Wölfe.“

Nach Nabu-Informationen seien Hinweise aufgetaucht, dass nicht mehr alle Wolfsrisse dem Landesumweltamt Lanuv gemeldet werden: „Vor allem zu den Rissen hinter mangelhaften Zäunen werde geschwiegen, heißt es.“ Bei fehlendem Herdenschutz haben die betroffenen Halter bei einer Meldung an das Lanuv keinen Anspruch auf Entschädigung.

Lesen Sie weitere Berichte aus Kirchhellen:

Konkret soll es um einen Angriff am 8. Oktober in Dinslaken gehen. Lanuv-Sprecher Wilhelm Deitermann sagt dazu: „Der Fall vom 8. Oktober wurde dem Lanuv von einem Anwohner gemeldet. Eine Kontaktaufnahme mit dem Halter oder der Halterin der Tiere war nicht möglich. Die Kadaver wurden bereits ordnungsgemäß entsorgt, bevor eine Probenahme möglich gewesen wäre.“

Zur Frage nach nicht gemeldeten Rissen sagt Deitermann: „Unserem Wolfsmonitoring liegen keine Hinweise darauf vor, dass Nutztierrisse willentlich nicht gemeldet werden.“ Das wäre auch nicht im Sinne der Betroffenen, sagt er: „Das Einhalten der Dokumentationskette ist für alle Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter sinnvoll, um Nachweise zu führen und das Verhalten der Tiere nachvollziehen zu können.“