Bottrop. Mit 28 Jahren erleidet Silvia Steinberg aus Bottrop einen schweren Unfall. Sie braucht einen Rollstuhl, schafft es aber, sich daraus zu befreien.
„Sich selbst nicht aufgeben“ gehört zur Lebensphilosophie der Bottroper Autorin Silvia Steinberg. In ihrem ersten Buch „Aufstehen und mit dem Leben tanzen“ erzählt sie, wie sie nach einem Unfall mit inkompletter Querschnittsdiagnose und Lähmungserscheinungen aus dem Rollstuhl wieder aufstand und für sich eine neue Art durchs Leben zu gehen entdeckte. Jetzt möchte sie Menschen Mut machen, aufzustehen und sich selbst zu vertrauen.
Der Ausgangspunkt war sehr schmerzhaft. Auf dem Weg zur Arbeit wurde die damals 28 Jahre alte Diplom-Theologin 1995 in Münster mit ihrem Rad von einem Bus erfasst und schwer verletzt: Neben Beckenbruch und Bänderrissen sorgten Trümmerbrüche und Nervenquetschungen in der Wirbelsäule für Lähmungserscheinungen.
Bottroperin war monatelang auf den Rollstuhl angewiesen
Nach Operationen in der Bochumer Unfallklinik Bergmannsheil blieb die Lähmung von der Hüfte abwärts. „Ich war zweigeteilt“, sagt sie heute. Die Zukunft hieß Rollstuhl und das Angewiesensein auf fremde Hilfe. Aber schon in der ersten extremen Situation und der Todesangst wusste Silvia Steinberg, dass dies nicht das Ende sein konnte. Sie nahm sich vor: „Ich komme wieder auf die Füße.“
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Es folgten Monate der klinischen und ambulanten Reha. An Heiligabend 1995 spürte sie zum ersten Mal wieder ein Gefühl in den Zehen. „Mein schönstes Weihnachtsgeschenk, das ich je erhalten habe.“ Mit konsequentem Training ging es langsam aber stetig bergauf, viele alltägliche Dinge mussten neu erarbeitet werden, um wieder den Weg zum Arbeitsplatz zu schaffen. Wichtigster Teil der Therapie war, dass „ich immer dabei blieb und mich informiert habe über Methoden, meine Gesundheit zu verbessern“.
„Jeder hat die Kraft in sich, sich selbst zu helfen“
Energiearbeit, therapeutisches Reiten und Naturerfahrungen spielten dabei eine besondere Rolle. Ein Jahr nach dem Unfall saß Silvia Steinberg erstmals wieder auf dem Fahrrad. „Das war körperlich einfacher als die psychische Belastung.“ Sicherlich sei es schwierig gewesen, mit verschiedenen Hilfsmitteln wieder „auf die Beine zu kommen“, richtig laufen zu lernen und Alltagssituationen zu meistern, aber sie versuche aus allem etwas Positives zu gewinnen: „Jeder hat die Kraft in sich, sich selbst zu helfen, dazu muss man aber auch bereit sein, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.“
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Es gehöre aber auch dazu zu erkennen, dass man die Hilfe anderer in Anspruch nehmen muss, um Erfolge zu erzielen. Hilfsangebote wahrzunehmen und sich helfen zu lassen, sei eine Stärke auf dem Weg zur „Hilfe durch Selbsthilfe“.
Weil ihr gute Pflegekräfte auf dem Weg zurück in die Normalität geholfen haben, will sie diese Erfahrungen als Dozentin an der Pflegeschule im Knappschaftskrankenhaus an die Auszubildenden weitergeben. Beim Thema „Umgang mit Tod und Sterben“ haben die eigenen Erfahrungen viel dazu beigetragen, damit ebenso sachlich wie emotional umzugehen: „Ich lerne jeden Tag dazu und dafür bin ich dankbar.“
Bottroperin hat ein Buch über ihren Weg geschrieben
Ebenso wichtig ist der Umgang mit Natur und Naturerfahrungen. Die „Expertin der ersten Schritte“ hat sich inzwischen als Gesundheitsberaterin und Entspannungstherapeutin selbstständig gemacht und bietet Fortbildungen, Vorträge und Workshops zu verschiedenen Themen an, wie Stille und Achtsamkeit, Kräuterkunde oder das „Waldbaden“ mit Entspannung beim Aufenthalt im Grünen.
Die Idee, über ihre besonderen Erfahrungen ein Buch zu schreiben, war zwar schon immer im Hinterkopf, aber verwirklicht wurde sie dann als „Corona-Projekt“, einer Periode mit viel Existenzangst und Zeit. Das Buch soll Mut machen, Kraft geben, sich gegen das Schicksal zu stemmen und sich selbst zu helfen. „Meine Erfahrungen können anderen Menschen helfen, schwierige Situationen zu überstehen und auf sich selbst und die eigene Kraft zu besinnen“, sagt Silvia Steinberg. Ein körperliches Handicap sei kein Grund, nicht zu tanzen, heißt es in ihrem Buch.
„Ich möchte den Unfall trotz der Schmerzen nicht missen, er war ein Wendepunkt in meinem Leben“, resümiert Silvia Steinberg. „Die Unfallerfahrung war sehr wichtig für mich und das was ich jetzt tue. Als Gesundheitsberaterin überlege ich ständig: Was hilft dem Menschen, gesund zu werden oder auch mit Einschränkungen zu leben.“
Als katholische Theologin hat ihr auch der Glaube geholfen: „Ich habe zwar mit Gott geschimpft, gehadert, aber den Glauben nie aufgegeben!“ Eine positive Art, wieder „durchs Leben gehen“ zu können, helfe enorm, rät das Mitglied der Bottroper Power-Frauen: „Wie wunderbar, dass ich heute noch nicht weiß, was morgen ist.“
Silvia Steinberg: Aufstehen und mit dem Leben tanzen, erschienen 2023; www.creavi.de