Bottrop-Kirchhellen. Zwei Jahre lang hat die Kirchhellenerin Michelle Hoffmann mit ihren Partnern getüftelt und getestet. Jetzt ist ihre Ernährungs-App auf dem Markt.
Ernährung kann krank machen. Das weiß Michelle Hoffmann aus eigenem Erleiden. Zwölf Jahre lang hatte sie Schmerzen nach dem Essen, bis sie herausfand, welche Stoffe sie nicht vertrug.
Um anderen Menschen mit Ernährungsunverträglichkeiten zu helfen, studierte sie Ernährungswissenschaften und gründete gemeinsam mit Stefan Wobbe und Lukas Jochheim das Gesundheits-Start-up „Meal & Heal“. Zwei Jahre haben sie an ihrer Ernährungsberatungs-App getüftelt und getestet. Jetzt geht sie auf den Markt.
Und der Markt ist riesig. Das zeigen zwei Zahlen. Erstens: In Deutschland leiden 36 Millionen Menschen unter ernährungsbedingten Krankheiten. Zweitens: Nur zehn Prozent der krankmachenden Stoffe lassen sich durch Tests einwandfrei nachweisen.
Auch interessant
Da bleibt viel Raum für intelligentes Raten, wie es auch ein Ernährungsberater macht, sagt Michelle Hoffmann: „Wenn er einem Kunden eine Liste mit 15 Produkten gibt, auf die er besser verzichten soll, wird da zufällig, aber wahrscheinlich, ein Auslöser dabei sein.“
36 Millionen Menschen leiden unter ernährungsbedingten Krankheiten
Deutlich intelligenter soll dabei ihre App zu Werke gehen. Zuerst gibt es grundsätzlich ein kostenloses Erstgespräch zur Einschätzung. Über die App können die Kunden dann zwei Beratungspakete für sechs Monate buchen.
Die Künstliche Intelligenz hinter der App greift unter anderem auf 158 Studien und die Bewertung von 1450 Lebensmitteln zurück. Außerdem verarbeitet sie anonymisiert jedes neue Ernährungstagebuch, das die Nutzer führen. „Unsere Algorithmen können Zusammenhänge erkennen, die auch für geschulte Experten nur schwer ersichtlich sind.“
+++ Nachrichten aus Bottrop direkt ins Postfach: Hier geht es zum Bottrop-Newsletter +++
So entsteht ein Datenpool für weitere Studien. „Jede Menge Unis sind an uns interessiert“, sagt Michelle Hoffmann. „Wir kennen längst noch nicht alle Unverträglichkeiten.“ Ein weites Feld für die Forschung, deren Ergebnisse wiederum in die Datenbanken von „Meal & Heal“ zurückfließen können.
Insgesamt geht das Team mit elf Mitgliedern an den Start
Nur mit der App, das haben die Gründer in der Testphase mit mehr als 1500 Kunden gelernt, wird es aber nicht funktionieren. „Es gibt Leute, die wollen mit der App ihre Probleme lösen. Andere wollen vor allem reden“, hat sie beobachtet. Deshalb arbeiten bei „Meal & Heal“ auch Ernährungsexpertinnen und Ernährungsexperten, die in Dialog mit den Menschen treten.
Insgesamt geht das Team mit elf Mitgliedern an den Start. Die Hausaufgaben sind gemacht: Schwierige Gespräche mit Risikokapitalgebern sind geführt: „Die Risikobereitschaft von Investoren ist in den letzten Jahren auf ein Drittel gesunken.“
Die Ernährungsberater haben eine Kooperation vereinbart mit den Machern der „Foodoase“, einem Onlineshop für Allergiker und Menschen mit Unverträglichkeiten. „Wir haben uns auf jeder Messe und jeder einschlägigen Veranstaltung vorgestellt. Und wir arbeiten mit Dr. Google“, sagt Hoffmann, weil Millionen von Menschen sich vor oder nach einem Arztbesuch über ihre Symptome im Netz informieren.
Das sind gute Startvoraussetzungen, sagt die Kirchhellenerin: „Wir bringen ein Produkt auf den Markt, nach dem der Bedarf riesig ist. Jetzt müssen wir die Leute überzeugen. Wir haben die Lösung, nämlich den Gesundheitsberater in der Hosentasche.“
Lesen Sie weitere Berichte aus Kirchhellen:
- Entlang der Boye:Neue Radwege freigegeben
- Gegen das Artensterben:Bottroper zeigt sein Bienenparadies
- Schützen- und Brezelfest:Vorfreude steigt
- Hackfurthstraße:Sanierung startet am 7. August
Michelle Hoffmann hat in der Testphase Ärzte als natürliche Verbündete schätzen gelernt. „Ärzte sehen in uns einen Teil der Lösung“, sagt sie. „Deshalb arbeiten wir mit ihnen Hand in Hand, aber nicht in Konkurrenz.“
Und einen zweiten Verbündeten sieht Michelle Hoffmann in den Krankenkassen. „Wir können ihnen wie ihren Versicherten jede Menge nutzlose Arztbesuche und Medikamentenverschreibungen ersparen“, sagt Hoffmann. Mit zwei Krankenkassen laufen derzeit Verhandlungen. Die App auf Rezept: Das wäre der Durchbruch für die Gründer.
Bottroper: „Ich fühle mich wie neu geboren“
Mehr als 25 Jahre land betrieb Peter Steinebach den Fanshop an der Gladbecker Straße auf dem Eigen. Fast ebenso lange litt der 65-Jährige unter Verdauungsbeschwerden. Seine „Wahnsinns-Odyssee“ durch Arztpraxen und Kliniken ist seit fünf Wochen beendet. Seitdem hört er auf die Gesundheitsberatung „Meal & Heal“. Und der Rentner versichert: „Ich fühle mich wie neu geboren.“
Die ersten Magen-Darm-Beschwerden, erinnert sich Steinebach, bekam er 1997. „Die sind immer schlimmer geworden. Und ich wusste nie, woher das kommt. Am Ende konnte ich nicht mal eine Scheibe Wurst essen, ohne Magenschmerzen zu bekommen.“
Bottroper wurde als Notfallpatient eingeliefert
Noch schlimmer wurden die Beschwerden nach einem Herzinfarkt 2019. „Ich weiß nicht, ob es an den Medikamenten lag; jedenfalls bekam ich Morgenübelkeit und Schwindelanfälle.“ Es wurde so schlimm, dass Steinebach als Notfallpatient ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Nach einer Magen-Darm-Spiegelung kamen die Ärzte zur Diagnose: fortschreitende Gastritis. Nach Bluttests wurden Unverträglichkeiten gegen Histamine ausgeschlossen.
Es begann eine Tour von Arzt zu Arzt. „Unglaublich, was die mir alles erzählt haben. Am Ende habe ich nur noch rumgehangen und Medikamente ausprobiert ohne Ende. Wenn ich den Ärzten mit Magenschmerzen kamen, haben die mir Schmerzmittel verschrieben. Aber die bekämpfen ja nicht die Ursache.“ Im Februar gehörte Steinebach mit seiner Familie dann zu den Norovirus-Opfern im Bottroper Restaurant „Mylos“. Die Familie erholte sich schnell, Steinebach nicht: „Die Magenschmerzen gingen nicht mehr weg. Ich hatte keinen Einfluss mehr auf mein Wohlbefinden.“
Schon im November 2021 hatte Steinebach den ersten WAZ-Bericht über das Gesundheits-Startup „Meal & Heal“ gelesen. „Damals habe ich gedacht: Das ist wahrscheinlich viel zu teuer.“ Im Juni, als der Leidensdruck weiter wuchs, hat er aber doch ein Beratungsgespräch mit Michelle Hoffmann per Video vereinbart. „Das lief ganz anders als vorher bei vielen Ärzten. Frau Hoffmann hat in Ruhe zugehört und ganz viel nachgefragt.“ Und ihm zum Beispiel erklärt, wie wenig Bluttests auf Histaminintoleranz oft aussagen können.
„Ich habe jahrelang kein Eis mehr angerührt“
Steinebach hat jetzt für 120 Euro ein halbes Jahr lang das Beratungspaket „Birne“. Enthalten ist eine Lebensmittelampel mit den Stufen: besser nicht essen, besser wenig essen und Lebensmittel, die er ohne Reue essen kann. „Dazu kann ich jederzeit das Gespräch mit den Beratern suchen. Ich bin begeistert. Ich habe zum Beispiel jahrelang kein Eis mehr angerührt. Letztens habe ich eins gegessen: ohne Probleme.“
Inzwischen ist er optimistisch, dass er nach dem halben Jahr bestens eingestellt ist für ein schmerzfreies Leben. „Was meine Krankenkasse alles hätte sparen können an Krankenhauskosten, Arztrechnungen und Medikamenten, wenn es so was früher schon gegeben hätte!“