Bottrop. 10 Millionen Euro stellt das Land bereit für Opfer des Bottroper Apothekerskandals oder ihre Angehörigen. So sollen die Entschädigungen fließen.
10 Millionen Euro hat das Land NRW bereitgestellt für Zahlungen an die Opfer des Bottroper Apothekerskandals. Patienten, die seit 2001 vom wegen Millionenbetrugs verurteilten Apotheker Peter Stadtmann Krebsmedikamente bekommen haben, sollen eine „Billigkeitsleistung“ von 5000 Euro bekommen. 1735 Anträge von Opfern oder ihren Angehörigen sind eingegangen. Die Chancen stehen gut, dass die meisten Antragsteller auch Geld bekommen.
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Apotheker Peter Stadtmann war im Juli 2018 wegen Millionenbetrugs mit unterdosierten Krebsmedikamenten zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Essen sah es als erwiesen an, dass er in mindestens 14.500 Fällen gestreckte Dosierungen an die Krebspatienten geliefert hatte. Das juristische Problem dabei: Dass die Patienten durch die Unterdosierung Schäden erlitten haben, ist wahrscheinlich, aber in den meisten Einzelfällen fast unmöglich zu beweisen. Deshalb gestalten sich Klagen auf Schadenersatz schwierig. Auch das Opferentschädigungsgesetz NRW greift nicht, weil für eine Entschädigung ein „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gegen eine Person“ Voraussetzung ist.
Fonds für Opfer des Bottroper Apothekerskandals als „Zeichen der Solidarität“
Aus diesem Grund hatte das Land im Dezember 2021 einen zehn Millionen Euro schweren Fonds für die Opfer des Apothekerskandals aufgelegt: „als Zeichen der Anteilnahme und Solidarität“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Anträge auf 5000 Euro „Billigkeitsleistung“ konnten zunächst nur diejenigen Opfer oder ihre Familien stellen, deren Fälle im Urteil des Landgerichts Essen gegen Stadtmann als Straftat gewürdigt worden waren. Ergebnis: Rund die Hälfte der Anträge wurde abgelehnt.
Dagegen hatten unter anderem der Stuttgarter Anwalt Manuel Reiger und die ehemalige Stadtmann-Patientin Christiane Piontek heftig protestiert. Piontek verwies auf eine persönliche Zusage des Ministers, alle Betroffenen würden entschädigt: „Dieses Versprechen hat er nun gebrochen.“ Der Landtag hatte daraufhin im Dezember 2022 beschlossen, den Kreis der Antragsberechtigten auszuweiten und die Frist zu verlängern. Bis Ende Juni konnten „alle Personen beantragen, die zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 28. November 2016 nachweislich in der Alten Apotheke in Bottrop individuell hergestellte Krebsmedikamente erhalten haben“, sagt Axel Birkenkämper, Sprecher des Gesundheitsministeriums. „Dies gilt auch für Kinder, Ehegattinnen und Ehegatten sowie eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner von verstorbenen Betroffenen.“
Bottroper Apothekerskandal: 1398 Anträge sind bereits bewilligt
Nach seinen Angaben wurden bis zum Ende der Frist „1735 Anträge auf Gewährung der Billigkeitsleistung gestellt, davon wurden bislang 1398 (vorläufig) bewilligt.“ In vielen Fällen habe das Land die 5000 Euro „Billigkeitsleistung bereits ausgezahlt, sagt Birkenkämper: „Betroffene, die im letzten Jahr einen Antrag gestellt haben und schon damals anspruchsberechtigt waren, haben ihre Leistungen bereits erhalten.“
Noch seien nicht alle Anträge bearbeitet, noch nicht alle Nachweise vorgelegt, sagt Birkenkämper. Das Ministerium will aber zügig entscheiden: Die Auszahlung solle spätestens im Herbst erfolgen. „Es wird aber derzeit geprüft, ob die Leistung in einer ersten Tranche auch schon früher ausgezahlt werden kann.“ An fehlendem Geld werde eine Auszahlung jedenfalls nicht scheitern. „Es zeichnet sich ab, dass die Mittel für die Bewilligung der vollen Billigkeitsleistung für alle Berechtigten ausreichen werden, die einen Antrag gestellt haben.“
Zehn Schmerzensgeldklagen im Bottroper Apothekerskandal abgewiesen
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Genau wie zuerst das Land gingen auch die Richter am Landgericht Essen mit den Schadenersatzklagen gegen Peter Stadtmann und den Insolvenzverwalter vor, berichtet Opferanwalt Manuel Rieger. So seien bisher zehn Schmerzensgeldklagen abgewiesen worden, weil die Klageführer oder ihre Angehörigen nicht im Urteil des Landgerichts Essen von 2018 aufgeführt waren. „Die vom Landgericht abgewiesenen Klagen sind nun allesamt in der Berufung beim Oberlandesgericht Hamm anhängig und werden dort hoffentlich bald verhandelt. In den weiteren Klagen vor dem Landgericht Essen werden gerade Gutachten eingeholt und die Frage beantwortet, ob die Geschädigten tatsächlich psychische Beeinträchtigungen durch die Taten Stadtmanns haben. Für die Geschädigten ist das teilweise belastend, aber teilweise auch befreiend.“