Bottrop-Kirchhellen. Das Getriebe einer Kohlenmühle ist wohl das schwerste Stück, das jemals in den Kirchhellener KWE-Hallen gestanden hat. Freitag geht es zurück.

In den Werkshallen der Getriebeexperten von KWE an der Raiffeisenstraße steht das wohl schwerste Stück, das im Kirchhellener Betrieb jemals repariert wurde: ein 48 Tonnen schweres Getriebe einer Kohlenmühle aus dem Steinkohlenkraftwerk Heyden 4 in Petershagen.

„Den Transport zu uns und zurück zum Kraftwerk wurde haben wir organisiert“, berichtet Geschäftsführer André Lötschert. „Der Sattelzug der Spedition Timmerhaus inklusive Ladung brachte ein Gesamtgewicht von 91 Tonnen bei einer Länge von 25 Metern auf die Straße.“

Bei der Instandsetzung des Getriebes stand das Unternehmen unter Zeitdruck. Sie durfte nicht länger als drei Wochen dauern, weil sonst die Betriebssicherheit des Kraftwerkes gefährdet wäre. Hintergrund: Der Energiekonzern Uniper hat die Blöcke 1 bis 3 am Standort bei Minden im Zuge seiner „Dekarbonisierungsstrategie“ bereits vom Netz genommen. Der Kraftwerksblock Heyden 4 wurde 2021 aber von der Bundesnetzagentur eingestuft als „systemrelevant“ und damit notwendig für die sichere Versorgung der Region. Bis April hat der 875-Megawatt-Block Strom produziert und könnte ein weiteres Jahr am Netz bleiben. Dafür inspizieren zwei KWE-Monteure derzeit in Petershagen die drei anderen Kohlenmühlen, die demnächst auch in Kirchhellen repariert werden sollen.

Kirchhellener Experten haben das Getriebe komplett zerlegt

Was ist passiert in den Kirchhellener Hallen? „Das Getriebe wurde vollständig zerlegt, alle Wälz- und Gleitlager sowie Dichtungen wurden erneuert“, sagt Lötschert. „Zahnradwellen wurden zum Teil neu gefertigt. Das Getriebe wurde wieder vollständig remontiert, derzeit läuft die Funktionsprüfung.“

Und dann wird das Trumm trotzdem noch mal auseinandergebaut. In einem Stück wäre es zu schwer für die Kräne, die das Getriebe auf den Tieflader hieven müssen. Am Freitag macht sich der Sattelzug wieder auf Richtung Petershagen.

So sieht das Getriebe aus dem Kraftwerk Heyden 4 ohne Gehäusedeckel aus: Die Zahnradwellen haben die Kirchhellener Getriebeexperten zum Teil selbst gefertigt.
So sieht das Getriebe aus dem Kraftwerk Heyden 4 ohne Gehäusedeckel aus: Die Zahnradwellen haben die Kirchhellener Getriebeexperten zum Teil selbst gefertigt. © KWE

„Wir sind eine kleine Firma, die etwas Großes produziert“

Mit einem Ingenieurbüro am Pferdemarkt in der Bottroper Innenstadt entwickelten die Namensgeber Karl Klein und Ferdinand Wilhelm seit 1977 Spezial- und Seriengetriebe für die Industrie. 1980 eröffnete die Klein & Wilhelm Engineering GmbH (KWE) die Hallen an der Raiffeisenstraße 27 ihre Pforten. Damals hat Karl Klein die Firmenphilosophie so formuliert: „Wir sind eine kleine Firma, die etwas Großes produziert.”

Ganz so klein ist das Unternehmen nicht mehr: Im Lauf der letzten Jahre ist die Zahl der Mitarbeiter auf 90 gewachsen. Mit dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau hat sich das Unternehmen neue Geschäftsfelder gesucht. KWE liefert Getriebe für den Salzbergbau, für die Gummiindustrie, für Braunkohlebagger. Dabei konstruiert und baut das Unternehmen Getriebe auch selbst, so etwa 2018 ein 43 Tonnen schweres Teil für das Duisburger Stahl-Kaltwalzwerk von Thyssenkrupp.

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Immer wichtiger wird das Thema Re-Ingeneering, sagt Vertriebsleiter Achim Lehmkühler. Die Fertigkeiten der Kirchhellener Ingenieure und Monteure werden zum Beispiel benötigt, wenn Getriebe zu reparieren sind, deren Produzenten (oder deren Baupläne) nicht mehr existieren. „Das ist dann ein Fall für unsere Abteilung Jugend forscht“, sagt Lehmkühler: Die KWE-Experten müssen dann eigene technische Lösungen austüfteln. Zur Hälfte repariert KWE die Produkte anderer Unternehmen, zur Hälfte selbst konstruierte Anlagen.

Die Suche nach neuen Geschäftsfeldern ging in den vergangenen Jahren einher mit einem Generationswechsel. Inzwischen hat das Kirchhellener Unternehmen wieder Tritt gefasst, sagt der Geschäftsführer: „Der Auftragseingang ist besser als in den letzten drei Jahren.“