Bottrop. Die Jüngste ist ein Jahr alt, die Älteste neun: Mit vier Kindern ist bei der Familie Davies/Voß viel los. Einblick in den Alltag zu sechst.
Organisation ist alles. Für Debbie Davies (41) und Sebastian Voß (44) ist das nicht nur ein Spruch. Wichtigstes Utensil im Alltag ist der Familienkalender, in dem jedes Familienmitglied mit seinen Terminen und Aktivitäten eine eigene Farbe hat. Bei zwei Erwachsenen und vier Kindern – ist der Kalender schön bunt. „Von Kind zu Kind haben wir das optimiert“, sagt Debbie Davies mit einem Lächeln. Denn eine effiziente Durchtaktung des Tages bedeutet am Ende: Freiraum für Schönes schaffen.
Der Wunsch nach einer großen Familie wuchs nach und nach
Die gebürtige Engländerin, die bereits als Kind nach Deutschland kam, und der Mann aus dem Fuhlenbrock zogen vor zehn Jahren in ein Haus in Grafenwald. Das war kurz vor der Geburt des ersten Kindes, Lindsay (heute 9). War da die große Familie schon in Planung? „Tatsächlich wollte ich früher gar keine Kinder“, verrät Debbie Davies – ihr Partner schon, weshalb sie beschloss: „Ein Kind ist ok.“
Doch als das Erste da war, war schnell klar: Ein zweites soll gleich hinterher. Sam, heute sieben Jahre alt, wurde geboren. „Irgendwie hatten wir dann das Gefühl, das reicht noch nicht“, sagt Sebastian Voß. Debbie Davies ergänzt schmunzelnd: „Und als es drei waren, musste noch das Vierte kommen – das muss sich ja die Waage halten.“ Nummer drei und vier sind Amy (3) und Kimberly (1). Sie alle wachsen übrigens zweisprachig auf: Die Mutter spricht mit ihnen Englisch, der Vater Deutsch.
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Was der Familie das Leben einfacher macht, ist die Infrastruktur in Grafenwald. Kita und Grundschule sind fußläufig erreichbar, Supermarkt und Ärzte vor Ort. Die Logistik passt einfach: „Sam spielt hier im Verein Fußball und kann alleine mit dem Rad hinfahren“, nennt Sebastian Voß ein Beispiel. Die Kleinen gehen vor Ort zum Kinderturnen. Lindsay spielt auch Fußball und Tennis in Grafenwald, muss nur zum Reiten mal gefahren werden. Die Sorge, dass es schwieriger wird, allen vier Kindern noch ihre Hobbys zu ermöglichen, wenn die jüngsten Töchter mal größer sind und eigene Interessen entwickeln, haben die Eltern schon.
Aber sie haben ihre Tagesstruktur ja extra so angelegt, dass nachmittags beide Elternteile verfügbar sind. Die 41-jährige Umweltingenieurin ist noch in Elternzeit, der 44-jährige Maschinenbauingenieur kann teils im Homeoffice arbeiten und fängt bereits zwischen fünf und sechs Uhr morgens an. Neben der guten Selbstorganisation ist das Netzwerk in Grafenwald ganz wichtig: der Vereinsfreund, mit dem Sam zum Fußballspiel fahren kann etwa.
Familienvater: „Manchmal geht es an die Substanz, aber es macht auch Spaß“
Klar kann der Alltag anstrengend sein. „Teils hat man von fünf Uhr morgens bis acht Uhr abends keine Pause, steht immer unter Strom“, berichtet der Familienvater. „Manchmal geht das an die Substanz, aber es macht auch Spaß. Debbie und ich brauchen das auch, wir können mit Stress gut umgehen.“
Damit kein Kind zu kurz kommt, plant die Familie regelmäßige Mutter-Kind- beziehungsweise Vater-Kind-Tage ein. Amy (3) freut sich schon auf ihre nächste Papa-Zeit, sie wollen gemeinsam „Eisenbahn fahren“, erzählt sie. Und zwar im Park von Schloss Beck, ergänzt Sebastian Voß.
Und wie schaffen es die Eltern, selbst nicht zu kurz zu kommen? „Uns ist wichtig, dass jeder die Möglichkeit bekommt, seine eigene Persönlichkeit zu sein und sich mit Freunden zu treffen“, betont Debbie Davies. Sie engagiert sich zum Beispiel als Vorsitzende im Förderverein der Grundschule Grafenwald – „das ist mein Herzensprojekt“. Zudem mag sie es, zu nähen, zu stricken, zu backen. Sebastian Voß verbringt regelmäßig Zeit in seiner Modellbauwerkstatt. Andere Hobbys könne man ja auch mit den Kindern machen, sagt er, wie Radfahren oder im Garten aktiv sein.
Gemeinsame Ausflüge aufs Erdbeerfeld oder in den Zoo
Am Wochenende geht’s oft mit der ganzen Familie auf Tour. Letzten Samstag zum Beispiel stand gemeinsames Erdbeerpflücken an. „Und danach Erdbeereis-Essen“, so Lindsay. Die Familie unternimmt aber auch gerne weitere Ausflüge, in den Zoo, ins Museum, auch in Parks. „Wir sind Ruhrtop-Card-Besitzer“, sagt Debbie Davies. Was zwei Vorteile hat: Zum einen könne man in Sachen Freizeitattraktionen dank der Rabattkarte so manchen Schatz entdecken. Zum anderen macht sie Ausflüge zu sechst erschwinglich.
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Denn für alle Eintritt zu bezahlen, das ist schon ein Posten. Und die Familie ist erstaunt darüber, wie wenig Vergünstigungen es teils selbst für jüngere Kinder gibt. „Im Irrland in Kevelar muss schon ab zwei Jahren der volle Eintritt gezahlt werden“, nennt Debbie Davies ein Beispiel. Im Wildpark Frankenhof ist der freie Eintritt ab dem dritten Jahr passé. „Das steht in keiner Relation zur Nutzung des Angebots durch die Kleinen.“ Ein großer Wunsch der Eltern ist deshalb, „dass großen Familien etwas mehr Möglichkeiten geboten werden“, wie spezielle Ticket-Tarife.
Familie wünscht sich gleiche Rahmenbedingungen für alle Bottroper Kitas
Noch viel mehr am Herzen liegt ihnen aber das Thema Kita. „Gott sei Dank sind wir in Bottrop in der glücklichen Lage, dass es ausreichend Kita-Plätze gibt“, ist die Einschätzung der 41-Jährigen. „Wir würden uns aber wünschen, dass die Rahmenbedingungen für alle Kitas gleich sind.“ Für die Familie Davies/Voß zum Beispiel sind aufgrund der Berufstätigkeit beider Elternteile – Debbie Davies will im Dezember in Teilzeit wieder einsteigen – die Öffnungszeiten ein wichtiges Kriterium für die Kita-Wahl. „Man sucht sich also eine Kita aus und zittert, bis man die Zusage bekommt.“
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Klappe es nämlich mit der Wunscheinrichtung nicht, stehe zwar in der Regel theoretisch ein Platz in einer anderen Kita in Bottrop zu Verfügung. Aber ob deren Öffnungszeiten dann auch passen? „Wären die Rahmenbedingungen wie die Öffnungszeiten in allen Kitas gleich, wäre es nicht so wichtig, in welcher Einrichtung man am Ende einen Platz bekommt.“ Grundsätzlich sprechen sich die beiden für flexiblere Öffnungszeiten und breite Randzeitenbetreuungsmöglichkeiten auch für Grundschüler aus.
Für zwei Arbeitnehmer mit mehr als einem Kind – und ohne großelterliche Unterstützung – seien zudem Schließungstage immer ein großes Thema. Die Familie erlebte es im Zuge von Lindsays Einschulung schon, fünfeinhalb Wochen überbrücken zu müssen – weil Kita und OGS nacheinander Ferien machten. „Da sind wir als Eltern dann gezwungen, getrennt Urlaub zu nehmen.“ Eine bessere Abstimmung an dieser Stelle fänden die beiden gut. „Da muss noch einiges passieren, damit Familie und Job gut unter einen Hut zu bringen sind.“
Diesen Sommer wechselt Lindsay in Klasse fünf. Eines der beiden Innenstadt-Gymnasien kam für die Familie gar nicht erst in die engere Auswahl – wegen der Busfahrt dorthin. „Wir wollen nicht, dass unsere Kinder über den ZOB fahren müssen.“ Anpöbeleien im Bereich ZOB und Berliner Platz habe die Familie selbst schon erlebt. Berichte über Belästigungen oder Schlägereien dort, die den Grafenwäldern zu Ohren kommen, verunsichern sie zusätzlich – obwohl sie von verstärkten Kontrollen wissen. In Richtung Stadt sagen sie: „Es muss im Bereich ZOB/ Berliner Platz mehr passieren, um ihn sicherer zu machen.“