Bottrop. Agathon beliefert unter anderem Nestlé und Kinder Schokolade. Wollte die Bottroper Vorzeige-Firma die Gründung eines Betriebsrates verhindern?
Die Industriegewerkschaft Metall erhebt Vorwürfe gegen ein Bottroper Vorzeigeunternehmen. Der Inhaber und Geschäftsführer des Weltmarktführers für Schokoladengussformen Agathon mit Sitz am Kruppwald wolle die Wahl eines Betriebsrates verhindern und habe in diesem Streit einen langjährigen Mitarbeiter fristlos gefeuert. Das Unternehmen weist die Vorwürfe der Gewerkschaft „entschieden zurück“.
Wenn im Ruhrgebiet von „Hidden Champions“ die Rede ist, fällt regelmäßig der Name Agathon. Das Unternehmen mit Sitz im Gewerbegebiet „Am Kruppwald“ wird porträtiert im Buch „Heimliche Weltmeister in NRW: 74 Unternehmen und ihr Weg an die Weltspitze“ des Essener Klartext Verlages. Den Weg zur Weltspitze machte das Unternehmen mit Plastikformen, in denen die Süßwarenindustrie ihre Leckereien formt. Schon in den 1970er Jahren kamen die Formen für die Kultpraline „Mon Cheri“ aus Bottrop. Heute beliefert Agathon Firmen in 52 Ländern auf der ganzen Welt, darunter Ferrero, Lindt und Nestlé.
Allerdings steht das Unternehmen vor dem Wegzug aus Bottrop. Weil sich hier keine Erweiterungsflächen für das wachsende Unternehmen mit 170 Mitarbeiter finden ließen, wird Agathon umziehen kurz hinter die Stadtgrenze nach Essen-Karnap. Im Gewerbegebiet auf der Fläche der ehemaligen Zeche Mathias Stinnes entstehen seit November 2022 ein dreistöckiges Verwaltungsgebäude und eine 4700 Quadratmeter große Produktionshalle. Als Umzugstermin nannte Agathon Mitte 2024. Inhaber und Geschäftsführer Volker Krämer schwärmte beim symbolischen Spatenstich von den Möglichkeiten an neuen Standort: „Am Carnaperhof wird die vielversprechende Zukunft des Unternehmens mit mehr Wachstumsmöglichkeiten, verbesserten Produktionskapazitäten und Prozessoptimierungen eingeläutet.“
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Ilbaz Öztas wird kein Teil dieser „vielversprechenden Zukunft“ sein, zumindest nicht, wenn es nach Volker Krämer geht. Öztas kam „genau wie Krämer“ 2001 zu Agathon, hat dort seine Lehre gemacht und sich bisher keinen anderen Arbeitsplatz vorstellen können. Aber genau den hat er jetzt verloren.
Nach einem Jahr ohne Betriebsrat, weil ein Kollege in Rente gegangen war, wollten Öztas und einige Kollegen wieder eine Betriebsratswahl durchführen. Sie wandten sich an Michael aus der Wiesche, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Recklinghausen. Gemeinsam verfassten sie eine Einladung „an alle im Betrieb Beschäftigten“ zu einer Versammlung auf dem Betriebsgelände, in der ein Wahlvorstand gewählt werden sollte. „So sieht es das Betriebsverfassungsgesetz vor“, sagt aus der Wiesche.
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Versammlung auf dem Bottroper Betriebsgelände abgelehnt
Weder mit dieser für Anfang Mai geplanten Versammlung noch mit der Bildung eines Betriebsrates sei der Agathon-Boss einverstanden gewesen, sagt der Gewerkschaftssekretär. Krämer habe die Versammlung auf dem Betriebsgelände abgelehnt und den Gewerkschaftsvertreter ausgeladen: Krämer wünsche nicht, „dass Sie an diesem Tag hier erscheinen.“
Nachdem die Versammlung an einem anderen Ort doch stattgefunden hatte, sei der Streit eskaliert, berichtet der Gewerkschaftssekretär: Öztas sei freigestellt und aufgefordert worden, das Betriebsgelände sofort zu verlassen. „Ich kam mir wie ein Schwerverbrecher vor, als drei Mann mich zum Werkstor gebracht haben“, sagt Öztas. Es folgten nach seinen Angaben eine Abmahnung wegen Zuspätkommens und eine fristlose Kündigung „aus wichtigem Grund“. Zuletzt bekam Öztas an Dienstag ein „Haus- und Gebäudeverbot“ mit der Androhung: Bei einer Zuwiderhandlung „werden wir ohne weitere Vorankündigung Strafantrag stellen.“
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Die Redaktion hat Wolfgang Krämer angeboten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, und ihm eine Liste mit Fragen übersandt. Darauf antwortet Lisa Schiesser, Leiterin der Unternehmensentwicklung bei Agathon: „Die in Ihrem Schreiben enthaltenen Vorwürfe weisen wir entschieden zurück. Wir bitten allerdings um Verständnis, dass wir aufgrund interner betrieblicher Abläufe und einem laufenden Gerichtsverfahren derzeit keine Stellung nehmen.“
Der Hinweis auf das Gerichtsverfahren bezieht sich vermutlich auf die Kündigungsschutzklage, mit der sich Öztas jetzt gegen seinen Rausschmiss wehrt. „Dabei hat er unsere volle Unterstützung“, sagt Michael aus der Wiesche. Das gelte auch für einen Kollegen bei Agathon, der an Öztas’ Stelle weiter streiten will für die Gründung einer Mitarbeitervertretung: „Ich ziehe das Ding jetzt durch mit dem Betriebsrat.“