Essen. Wenig bekannt, aber Weltmarktführer: Der Schokoladeformhersteller Agathon verlegt die Firmenzentrale von Bottrop in den Essener Norden.

Wer schokoladige Süßigkeiten wie Mon Cheri, Raffaello, KitKat oder Toblerone nascht, ahnt nicht, dass ein wenig bekanntes Unternehmen aus dem Ruhrgebiet den Pralinen die passende Form verleiht. Der Schokoladeformhersteller Agathon, bislang in Bottrop ansässig, verlegt sein Unternehmen jetzt nach Essen. Der symbolische erste Spatenstich am Donnerstag (10. November) am Carnaperhof löst nicht nur beim Agathon-Eigentümer Volker Krämer Glücksgefühle aus. Auch den Verantwortlichen der Essener Wirtschaftsförderung (EWG) schmeckt der Erfolg. Denn mit der Agathon GmbH haben sie einen Weltmarktführer, einen „hidden champion“ (heimlicher Gewinner), an Land gezogen.

Zufrieden dürften auch die 170 Mitarbeiter sein, von denen viele dem mehr als 70 Jahre alten Unternehmen schon seit Jahrzehnten die Treue halten. Denn die moderne Zentrale in Essen, die Mitte 2024 bezogen werden soll, liegt nur wenige Kilometer Luftlinie vom Bottroper Standort am Kruppwald entfernt. Kein Mitarbeiter muss deswegen also ein Umzugsunternehmen bemühen.

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Von „Mars“ abgesehen beliefert Agathon (gegründet 1949) nahezu alle großen Chocolatiers der Welt mit Formen: Von Nestlé und Ferrero bis hin zu Lindt und Mondelez International. Ob Lindt-Weihnachtsmann, Überraschungsei oder die lila Tafel von Milka: Agathon bringt die Schokolade gut in Form. Apropos gut: Agathon ist griechisch und bedeutet „das Gute“.

Schon 1970 beliefert Agathon Ferrero mit der ersten Form für die Mon Cheri-Praline

Symbolischer erster Spatenstich in Essen-Karnap: Volker Krämer (5. v. li.), Inhaber und Geschäftsführer der Firma Agathon, freut sich mit OB Thomas Kufen (rechts daneben) und weiteren Gästen auf den Baubeginn der neuen Firmenzentrale im Gewerbegebiet Carnaperhof.
Symbolischer erster Spatenstich in Essen-Karnap: Volker Krämer (5. v. li.), Inhaber und Geschäftsführer der Firma Agathon, freut sich mit OB Thomas Kufen (rechts daneben) und weiteren Gästen auf den Baubeginn der neuen Firmenzentrale im Gewerbegebiet Carnaperhof. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Bagger und Raupen sind schon seit Tagen dabei, das 11.700 Quadratmeter große Gelände in Karnap zu planieren und baureif zu machen. Es liegt auf dem Areal der ehemaligen Zeche Mathias Stinnes, nur einen Steinwurf vom gleichnamigen Stadion entfernt. Von 1936 bis 1982 befand sich hier ein Tanklager. Bevor die Stadt Essen das Grundstück kaufte, gehörte es Veba Öl.

Gerne erinnern die Agathon-Leute daran, dass ihr Unternehmen schon in den 1970er Jahren den Ferreros in Italien die erste Form für die Kult-Praline Mon Cheri geliefert hat: damals noch aus Metall. Heute werden Schokoladeformen aus hochwertigem Kunststoff produziert und vom Ruhrgebiet aus an Schokoladenfabriken in 52 Ländern geliefert. Agathons Formen für die industrielle Großserienfertigung sind nicht nur in ganz Europa gefragt, sondern auch in Japan, Australien und im kanadischem Toronto.

Beim Spatenstich präsentierten sie große Gussformen aus Polykarbonat, die erfahrene Leckermäuler unschwer identifizieren können. Die einen sind für KitKat, die anderen für Toblerone. Und das alles demnächst „Made in Karnap“: OB Thomas Kufen ließ sich diese Worte auf der Zunge zergehen. „Essen wird als Standort für den produzierenden Mittelstand weiter gestärkt.“

Nach Jahrzehnten in Bottrop klopft Agathon 2017 bei der Essener Wirtschaftsförderung an

Gussformen aus Polykarbonat: Agathon präsentiert auf seiner Baustelle Formen, die Schoko-Süßigkeiten in Form bringen. In der Form links entsteht KitKat.
Gussformen aus Polykarbonat: Agathon präsentiert auf seiner Baustelle Formen, die Schoko-Süßigkeiten in Form bringen. In der Form links entsteht KitKat. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Die Verlegung einer Firmenzentrale von einer Stadt in die andere geschieht nicht über Nacht. Im Fall Agathon sind fast fünf Jahre durchs Land gegangen. Die ersten Kontakte mit der Essener Wirtschaftsförderung gab’s bereits 2017. Weil am Stammsitz für die Erweiterung kein Platz mehr war und sich auch kein Alternativstandort in der Nachbarstadt fand, klopfte der geschäftsführende Gesellschafter Volker Krämer bei der EWG in Essen an. „Ich habe selten so offene Türen eingerannt“, gestand der Agathon-Boss.

Die Verlegung sei für sein Unternehmen ein „Riesenschritt“: „Am Carnaperhof wird nun die vielversprechende Zukunft des Unternehmens mit mehr Wachstumsmöglichkeiten, verbesserten Produktionskapazitäten und Prozessoptimierungen eingeläutet. Ebenso verbindet sich damit eine modernere und produktivere Arbeitsumgebung, was im Wettbewerb um Fachkräfte ein immer wichtiger werdender Faktor ist.“

Der erfolgreiche Automobil-Kaufmann (früher BMW) hat Agathon 2001 von Dr. Paul Harbecke gekauft und dessen Erfolgsstory in zwei Jahrzehnten weitergeschrieben. „Ich hatte damals keine Ahnung, wie Schokolade geformt wird“, gestand er auf dem Bauplatz. Die Mitarbeiterzahl habe sich von 85 auf jetzt 170 verdoppelt. Und auch dabei soll es nicht bleiben. Das neu geschaffene „Next Decade Team“, ein Kreativ-Team, soll Agathons Innovationskraft weiter vorantreiben.

170 Beschäftigte arbeiten in Karnap künftig unter einem Dach

Anders als in Bottrop, wo Verwaltung und Produktion in getrennten Gebäuden arbeiten, sollen in Karnap beide Teile unter einem Dach vereint werden. Der Neubau ist 90 mal 60 Meter groß und gut elf Meter hoch: ein ziemlicher Klotz. „Die Belegschaft wird im neuen Gebäude enger zusammenwachsen“, betonte Agathon-Sprecherin Lisa Schiesser.

Direkt an der Straße Carnaperhof entsteht das dreigeschossige Verwaltungsgebäude (2600 qm) für 50 Beschäftigte, daran schließt sich die große Produktionshalle (4700 qm) für 120 Mitarbeiter an. „Gearbeitet wird im Drei-Schicht-Betrieb an sieben Tagen in der Woche“, so Schiesser. Lediglich an den Weihnachtstagen und über Silvester/Neujahr ruhe die Produktion.

Ausschlaggebend für den neuen Standort im Gewerbegebiet Carnaperhof sei die „sehr gute Verkehrsanbindung sowie die optimale vierseitige Erschließung des Grundstücks“, betont EWG-Geschäftsführer Andre Boschem. Die Autobahnen A 42 und A2 liegen quasi vor der Haustür. Die Umgestaltung des Mathias-Stinnes-Areals zu einem nachhaltigen Gewerbepark entwickele sich – erst recht durch die Agathon-Ansiedlung – zu einer Erfolgsgeschichte für den Essener Norden.