Bottrop. Für Kitas ist es ein Problem, Schulen betrachten jeden Fall individuell: Auch in diesem Sommer müssen Erstklässler zurückgestellt werden.
Es kann mangelnde Konzentrationsfähigkeit sein, fehlende Sprache oder kognitive Einschränkungen: Einem Teil der Kinder, die ab Sommer eigentlich schulpflichtig sind, empfiehlt das Gesundheitsamt, noch ein Jahr mit dem Schulbesuch zu warten. Laut Schulgesetz ist das nur dann gegeben, wenn „erhebliche gesundheitliche Gründe“ vorliegen. In vielen Städten steigt die Zahl der Rückstellungen, auch in Bottrop gab es zwischenzeitlich einen Anstieg.
„Die Rückstellungen nehmen flächendeckend zu“, sagt Barbara Wagner, Gebietsleiterin beim Kita Zweckverband für Bottrop und Gladbeck, Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm. „Für uns ist das ein richtiges Problem.“
Schul-Rückstellungen: Kitas müssen Plätze freihalten
Zwar beginnen die Schuleingangsuntersuchungen, die Grundlage für eine mögliche Rückstell-Empfehlung sind, bereits im Spätherbst. Sie ziehen sich aber wegen der Vielzahl der zu untersuchenden Kinder oft bis ins späte Frühjahr. So lange müssen Kitas Plätze freihalten für Kinder, die eventuell noch ein Jahr länger im Kindergarten bleiben.
An der Kita Cyriakus-West sind es in diesem Jahr drei Kinder, die noch ein Jahr auf den Schulbesuch warten sollen. Hinzu kommen zwei, die schon mal zurückgestellt wurden und die nun Schwerpunkt-Schulen besuchen sollen. Körperliche Gründe sind es selten, die zu dieser Entscheidung führen, sagt Kita-Leiterin Simone Meier. „Es hängt viel mit Sprache zusammen.“
Auch interessant
Und da gehe es nicht nur um Kinder, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Manche Kinder können noch nicht verbalisieren, was sie wollen und was nicht. Es fehlt an Handlungskompetenzen: Was mache ich wie? Manchen Mädchen und Jungen fällt es schwer abzuwarten, bis sie an der Reihe sind, ihre eigenen Bedürfnisse auch mal zurückzustellen. „Die Kinder, die zurückgestellt werden, sind meist sozial-emotional noch nicht so weit.“
2022 gab es 19 Rückstellungen in Bottrop – im Vorjahr 35
Im vergangenen Schuljahr sind 19 Kinder in Bottrop zurückgestellt worden. Im Vorjahr waren es 35. Nadine Granow-Keysers, Amtsleiterin für Kita und Schule, sieht einen möglichen Grund für den zwischenzeitlichen Anstieg in Corona. Die Meinung teilt auch Simone Meier: „Es fehlte einfach an Bewegung“, so die Kita-Leiterin, „und die hängt auch viel mit Sprache zusammen.“
- Betreuung:Kampf um einen Kiga-Platz
- Kirchhellen:Altglas verschwindet im Boden
- Trapez eröffnet: Viel Grün und Platz zum Spielen
- Pflege: Neues Haus für die Ausbildung am KKH
Ob ein Kind tatsächlich erst ein Jahr später die Schule besucht, ist eine Entscheidung von Eltern und Schulen. Das Gesundheitsamt gibt bei der Schuleingangsuntersuchung lediglich eine Empfehlung ab. „Wir versuchen, die Kinder möglichst früh untersuchen zu lassen, bei denen es schon Auffälligkeiten gegeben hat“, sagt Nadine Granow-Keysers. So könne bis zum Schuleintritt manches Defizit noch aufgeholt werden.
Schulfähigkeit der Kinder: „Da gibt es keine Messlatte“
Die Schule, die im Jahr 2022/23 die meisten Kinder zurückstellen musste, war die Fürstenbergschule. Vier Kinder, die an der Gemeinschaftsgrundschule in der Boy angemeldet waren, sind trotz passenden Alters nicht eingeschult worden. „Man muss immer auf den individuellen Fall gucken“, sagt Rektorin Christina Eiden. „Und man muss die Relation im Blick halten.“
Zwar hatte sich die Zahl der Rückstellungen im Schuljahr 2021/22 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Aber die tatsächlichen Fallzahlen seien ja eher gering. Bei den betroffenen Kindern gebe es oft eine Vorgeschichte. Wenn im Herbst des Vorjahres die ersten Treffen mit den Kindern und Eltern stattfinden, beginnt die Schule bereits, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen. Die Schulfähigkeit zu erreichen, sei ein Prozess. „Da gibt es keine Messlatte.“
Bottroper Schulleiterin: „Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft“
Auch Detlef Baier, Leiter der Schillerschule, sagt: „Wir haken ja keinen Katalog ab.“ Jede Rückstellung sei eine Einzelfallentscheidung. „Kinder, die noch nicht so weit sind, gibt es immer“, sagt Detlef Baier. Die Vorstellung, dass alle den gleichen Stand haben bei der Einschulung, sei utopisch. „Es ist unsere Aufgabe, uns auf dieses heterogene Feld einzustellen.“
Auch interessant
Die beiden Schulleiter wollen keine Entwicklung ausmachen, die sich in den vergangenen Jahren verschlechtert hätte. „Die Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Christina Eiden. „Und es gibt eine Konstante in der Gesellschaft: die Veränderung.“
Basis-Fähigkeiten
Es gibt Basis-Fähigkeiten, die Kinder beherrschen sollten, wenn sie eingeschult werden, sagt Christina Eiden. „Sie sollten zuhören können, Mengen erfassen, Reime und Laute hören können.“ Lesen und schreiben können müssen Erstklässler nicht. „Das ist unser Job.“
Einen Zusammenhang zwischen vorherigem Kita-Besuch und Schulfähigkeit sieht die Rektorin übrigens nicht. „Der Anteil der Kinder, die keine Kita besucht haben, ist sehr gering.“ Das spiegeln auch die Zahlen der Stadt wider: Bei den Rückstellungen in den vergangenen zwei Schuljahren hatten jeweils fünf beziehungsweise sechs Kinder keine Kita besucht.