Bottrop. Der Borsigweg in Bottrop gilt als sozialer Brennpunkt. Das Sozialamt will den Charakter der Siedlung ändern. Die Bestandsaufnahme zum Auftakt.

Es gibt wohl kaum eine Adresse in Bottrop, die einen derart schlechten Ruf hat, wie der Borsigweg. Die Siedlung dort wird größtenteils durch das Sozialamt belegt, beherbergt auch Schlafplätze für Obdachlose. Hier unterzukommen, das kann in Teilen der Stadt durchaus als Makel angesehen werden. Dagegen will man nun angehen, möchte die Dinge vor Ort in der Batenbrocker Siedlung ändern, damit die Bewohner eben nicht länger stigmatisiert werden. Die Verwaltung hat dafür nun eine Studie in Auftrag gegeben, um festzustellen, was alles getan werden muss. Im Sozialausschuss wurde am Mittwoch kontrovers diskutiert.

Aktuell hat das Sozialamt noch keine konkreten Pläne für die Siedlung vorlegen können. So weit ist man einfach noch nicht. Derzeit sei man vor allem vor Ort unterwegs, suche das Gespräch mit den Akteuren in der Siedlung. Dazu zählen die Berater von Caritas und AGSB, die vor Ort Unterstützung leisten aber eben auch die Bewohner der Siedlung.

Wohnungen werden teils noch mit Kohleöfen beheizt

Es gehe darum, deren Bedürfnisse zu erfahren und vielleicht auch mögliche Potenziale der Siedlung zu entdecken und zu heben. Gleichzeitig wird auch der Gebäudebestand bewertet. Und der lässt eben zu wünschen übrigen. Einige der Häuser sind nicht saniert, es fehlt eine zeitgemäße Sanitärausstattung und oftmals wird noch mit Kohleöfen geheizt, teils müssen sich auch vollkommen fremde Menschen ein Apartment teilen.

Die Gebäude am Borsigweg sind teils stark sanierungsbedürftig und entsprechen nicht den Ansprüchen an zeitgemäßes Wohnen.
Die Gebäude am Borsigweg sind teils stark sanierungsbedürftig und entsprechen nicht den Ansprüchen an zeitgemäßes Wohnen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Missstände, die allerdings durchaus bekannt seien, so die Rückmeldungen aus dem Gremium. Uwe Rettkowski (SPD) erinnerte an einen alten Beschluss des Sozialausschusse, der angeblich schon einmal den Abriss dieser Häuser vorgesehen habe. Ob das nicht womöglich die bessere Lösung sei, auch weil der negative Ruf dieser Siedlung sich eben über Jahrzehnte verfestigt habe. Auch Marianne Dominas (ÖDP) wollte wissen, wie ergebnisoffen die Machbarkeitsstudie sei, könne die Empfehlung am Ende auch lauten: Abriss? In anderen Stadtteilen, so die Überzeugung der Ratsfrau, wären derartige Gebäude nämlich abgängig – sprich reif für den Abriss.

Stadt Bottrop muss Unterkünfte für wohnungslose Menschen vorhalten

Dem widersprach Karen Alexius-Eifert, die Leiterin des Sozialamtes vehement. Die Häuser würden gebraucht, die Stadt müsse solche Plätze vorhalten. Außerdem habe sich die Bewohnerstruktur verändert. Es gebe inzwischen Menschen, die nahezu dauerhaft dort wohnten, die auch einfach nicht mehr in den ersten Wohnungsmarkt zu vermitteln seien. Zudem gebe es auch einige, die gern dort lebten. Allerdings gelte es eben, für diejenigen ein adäquates Angebot zu schaffen. Und mit diesem Prozess habe man begonnen.

Doch wer wohnt eigentlich im Borsigweg? Das seien eben oftmals Menschen, mit „multiplen Problemlagen“, wie es in der Tischvorlage zur Studie heißt. Bedeutet, es sind Suchtkranke, Menschen mit psychischen oder seelischen Problemen. Im Januar lebten in den Unterkünften 87 Menschen, ein Drittel davon waren Frauen. Sie kamen aus 18 unterschiedlichen Nationen und unter ihnen waren sieben Familien mit insgesamt 17 Kindern. Der Rest war alleinstehend. Auch hier zeige sich, dass sich die Bewohnerstruktur verändere, sagt Karen Alexius-Eifert.

Im Oktober sollen dann konkrete Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vorliegen

Die anstehenden Veränderungen möchte das Sozialamt gern von den Bewohnern und betroffenen Personen aus denken, stellte die Sozialamtsleiterin klar. Im Gremium stieß das zumindest auf Skepsis, schließlich wechselten die Bewohner doch, sei da eine Abfrage der Bedürfnisse wirklich zielführend, wollte Anette Bunse (CDU) wissen. Tatsächlich gebe es unter den Bewohnern eine Fluktuation, doch die Personengruppe, die das Angebot benötigt, sei ja dieselbe. Man wolle nicht an deren Bedürfnissen und Empfindungen vorbei planen.

Seit April sind deshalb Mitarbeiter des beauftragten Planungsbüros regelmäßig vor Ort und suchen den Austausch mit den Bewohnern der Siedlung. Im Oktober sollen dann die Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt werden. Ziel seien am Ende „konkrete, machbare Schritte, die dann auch umsetzbar sind“, so Karen Alexius-Eifert. Die Diskussion dürfte dann also im Herbst in die nächste Runde gehen.

Zum Haldenblick

In unmittelbarer Nähe zum Borsigweg hat die städtische Baugesellschaft GBB eine Siedlung an der Robert-Brennert-Straße, die auch als problematisch galt, abgerissen. Die alten Häuser an der Robert-Brenner-Straße mussten weichen, die städtische Tochter hat stattdessen alles neu gebaut.

Selbst der Straßenname wurde im Zuge des Baus der neuen Siedlung getilgt. Die Sackgasse – ehemals ein Teilstück der Robert-Brenner-Straße – heißt nun „Zum Haldenblick“.