Bottrop. Im Indoor Skydiving trainiert das Fallschirmjägerregiment 31. Wie das Training abläuft und was die Soldaten alles beim Sprung tragen müssen.
Das Mekka der deutschen Fallschirmspringer liegt in Bottrop. Im Indoor Skydiving an der Prosperstraße trainiert die Bundeswehr seit Jahren den freien Fall im Windkanal. Zu Gast ist das Fallschirmjägerregiment 31 aus dem niedersächsischen Seedorf.
„Wir nutzen die Winterzeit“, sagt Hauptmann Daniel Kaiser. Vor allem wenn wie jetzt draußen schlechtes Wetter herrscht, kommen die Soldaten zum Training. Die aktuelle Jahreszeit lässt nichts anderes zu. Zu groß ist das Risiko. „Man springt nicht durch Wolken“, erklärt Kaiser. Man sehe nicht, was sich unter der Wolkendecke befindet. „Vielleicht ein anderer Springer oder ein Flugzeug.“ Stattdessen wird bei schönem Wetter geflogen und gesprungen. „Schön“ bedeutet in der Sprache der Fallschirmjäger: Wenig bis keine Wolken, ca. 20 Grad, freie Sicht.
Die Saison für Sprünge aus dem Flugzeug hat noch nicht begonnen. „Wir dürfen pro Soldat sechs Sprünge am Tag machen“, erklärt Stabsfeldwebel Daniel Kulak. Gewöhnlich springen die Fallschirmjäger aber von März bis Oktober. Deshalb nutzen sie die Möglichkeiten des Windkanals am Fuße der Halde.
Alternativen gibt es kaum und wenn, dann befinden sie sich in weiter Ferne. Der Betreiber in Bottrop besitzt noch eine zweite Anlage in Viernheim bei Mannheim (Baden-Württemberg). Andere Anbieter sind in München und Berlin beheimatet. Aber im Westen und im Norden der Republik bildet Bottrop die Ausnahme.
Kein Problem für die Soldaten. Im Gegenteil. Hier, so sagt Hauptmann Kaiser, habe man ideale und realistische Bedingungen. „Wir kommen regelmäßig hier hin.“ Der Windkanal würde „Eins-zu-Eins“ die Situation für die Springer simulieren. Die Truppe soll an dem Trainingstag für das Gefühl des freien Falls und für das Verhalten in der Luft sensibilisiert werden.
In drei Gruppen mit jeweils sechs Springern ist ein Teil des Regiments aus Niedersachsen gekommen. Zunächst wird in einem herkömmlichen Sprunganzug trainiert, so wie ihn auch tägliche Besucher des Indoor Skydivings tragen. Im Windkanal herrschen Geschwindigkeiten von bis zu 280 Stundenkilometern. Die Springer haben am Anzug eingenähte Griffe am Rücken und an der Hüfte. Die Instruktoren, die Flugprofis vom Indoor Skydiving, können somit unmittelbar Hilfestellungen im Kanal leisten und Fehler korrigieren.
Das ist ein großer Vorteil für die Soldaten. „Eine Minute im Windtunnel kompensiert zwei, drei Sprünge in real“, erklärt Stabsfeldwebel Daniel Kulak. Ein Fallschirmsprung aus dem Flugzeug dauert seinen Schätzungen zufolge zwischen 40 und 50 Sekunden.
Und es gibt einen weiteren Vorteil in Bottrop. Der freie Fall im Windkanal wird aufgezeichnet. Auf einem Monitor kann man sich anschließend genau anschauen und sich erklären lassen, was richtig oder was falsch gelaufen ist. Entscheidend ist die Körperbeherrschung. Jede kleinste Veränderung mit Armen, Kopf oder Beinen verändert den Freifall. Am Himmel bleibt kaum Zeit, um Fehler zu verbessern. Daniel Kulak: „Ich muss es mir merken und dann erklären.“ Die ausführliche Analyse findet demzufolge am Boden statt.
In Bottrop erfolgt die Korrektur im Kanal und damit quasi im Flug. So leicht, wie es klingt, ist es öfters nicht. „Es gibt einen Unterschied zwischen der Wahrnehmung, die man selbst hat oder die Außenstehende empfinden“, sagt Daniel Kulak. Hauptmann Kaiser erklärt die Aussage, nachdem er selbst aus dem Windkanal gekommen ist. „Ich habe mich immer nach rechts gedreht“, erzählt er. „Ich wusste nicht warum. Mein Verstand hat mir gesagt, dass ich mein Bein nicht nach rechts abwinkele.“ Auf dem Monitor ist jedoch zu sehen, wie der Fuß nach außen gedreht ist. „Bilder lügen nicht“, sagt Kaiser.
Später am Tag folgt die Simulation des freien Falls mit militärischer Ausrüstung. Ein Soldat im Kampfanzug macht sich fertig. Bevor er den Windkanal betritt, wird überprüft, ob alles ordnungsgemäß befestigt ist. Er trägt einen Helm mit Headset, dazu eine Brille. Am Handgelenk einen Höhenmesser. Auf dem Rücken den Fallschirm. Außerdem am Körper: Eine Schutzweste, Taschen für das Funkgerät und für mögliche Munition. Vor der Brust befindet sich ein Navigationsbord. Dies benötigt er, sobald der Schirm geöffnet ist. „Hiermit hat er die Möglichkeit mithilfe eines Kompasses die Himmelsrichtungen zu bestimmen“, erklärt Daniel Kulak. Am Rumpf wird noch eine Gepäcktasche festgezurrt, sodass sie mit seinem Körper eine Einheit bildet.
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Theoretisch fehlt nur noch die Waffe, dann wäre er im Ernstfall bereit für den Kampfeinsatz. Wenn man seine gesamte Ausrüstung, den Fallschirm und sein Körpergewicht zusammenrechnet, kommen locker mehr als 200 Kilogramm zusammen. Im Windkanal warten auf ihn Geschwindigkeiten von ca. 240 Stundenkilometern. Mühelos wird er in die Luft befördert.
Im Gegensatz zum Sprung aus dem Flugzeug wird er nicht in Richtung Erde gezogen, weil der Wind künstlich von unten durch Ventilatoren produziert wird. „Im freien Fall wirkt die Schwerkraft“, so Kulak. Trotzdem muss der Springer im Windkanal ebenso wie am Himmel mit Verwirbelungen, die die Gegenstände an seinem Körper erzeugen, kämpfen. Sie machen den Freifall unruhig. Immer wieder muss er versuchen, sich in eine stabile Position zu bringen. Das erfordert intensives Training. Nur dann gelingen nach der Schirmöffnung auch eine sichere Gleitphase und Landung.
Infos zum Fallschirmjägerregiment 31
Nach Angaben der Bundeswehr setzt das Fallschirmjägerregiment 31 der Luftlandebrigade 1 aus Seedorf in Niedersachsen Fallschirmjäger im gesamten Aufgabenspektrum von Landoperationen ein. Die Soldaten sind die Kräfte der ersten Stunde, führen militärische Evakuierungsoperationen durch und unterstützen taktisch Operationen der Spezialkräfte.
Die Fallschirmjägertruppe ist in der Lage, aufgrund ihrer Bewaffnung und Ausrüstung für kurze Zeit ohne Unterstützung durch andere Truppen den infanteristischen Kampf zu führen. Für die Beweglichkeit sind Fallschirmjäger größtenteils mit leichten Waffen und leichten Spezialfahrzeugen ausgerüstet.