Bottrop. Der alte Krankenschein in Papierform hat ausgedient. Welche Vor- und Nachteile das für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Ärzte in Bottrop hat.

Für gesetzlich versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt seit Jahresanfang: Wenn sie erkranken, müssen sie sich zwar wie gehabt beim Arbeitgeber arbeitsunfähig melden. Den ärztlich ausgestellten Krankenschein müssen sie in der Firma aber nicht mehr einreichen. Vielmehr ist der Arbeitgeber jetzt verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) bei der jeweiligen Krankenkasse elektronisch abzurufen. „Leider“, wie Christian Conradi, Geschäftsführer der Bottroper Großschreinerei Seibel und Weyer, spontan seufzt. Noch jedenfalls läuft beim sogenannten eAU-Verfahren nicht alles rund.

Bottroper Betriebe: Nicht alle Ärzte senden digitale Krankmeldungen

„Für uns ist das ein Mehraufwand“, ordnet Conradi von Arbeitgeberseite aus ein. Reichten die erkrankten Mitarbeitenden früher den Krankenschein ein, „war für uns die Sache klar. Jetzt müssen wir hoffen, dass der Arzt auch an dem elektronischen Verfahren teilnimmt.“ Die Erfahrung bei Seibel und Weyer jedenfalls zeige: „Bei zwei, drei Mitarbeitenden haben wir die AU schon selbst abgerufen. Andere haben aber auch noch einen Ausdruck für uns gehabt.“

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Ähnlich urteilen die Verantwortlichen bei MC-Bauchemie: „Die neue Regelung bedeutet für uns als Unternehmen, insbesondere für die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung, Mehraufwand. Viele Ärzte versenden auch noch keine ,digitale Krankmeldungen’ an die Krankenkasse“, so Dirk Bente, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für das Rechnungswesen.

Zudem müsse die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung für jeden einzelnen Mitarbeiter die Daten bei der Krankenkasse abfragen. Eine pauschale Abfrage für alle Mitarbeiter sei nicht möglich.

Telefonische Rückmeldung der Mitarbeiter bleibt unerlässlich

Christian Conradi erklärt, Seibel und Weyer könne zwar auf eine bestehende Software zurückgreifen. Aber in diese müssten erst einmal die Daten aller 270 Mitarbeitenden samt Krankenkassen-Zugehörigkeit eingepflegt werden. Ein Doppelaufwand, weil die eigentliche Lohnbuchhaltung des Betriebs über einen Steuerberater laufe.

Was allerdings gut funktioniere, ergänzt Personalleiterin Christina Morbach: Nach der digitalen Abfrage sei die Rückmeldung der Krankenkasse in ein bis zwei Tagen da. „Wir sind allerdings schon auf die telefonische Rückmeldung der Mitarbeitenden angewiesen, die uns sofort sagen, wie lange sie voraussichtlich ausfallen.“

Dr. Christoph Giepen, Allgemeinmediziner und Sprecher des Bottroper Ärztevereins.
Dr. Christoph Giepen, Allgemeinmediziner und Sprecher des Bottroper Ärztevereins. © FUNKE Foto Services | homas Gödde

Die Bottroper Kollegen würden seiner Kenntnis nach geschlossen beim eAU-Verfahren mitmachen, sagt aus Medizinersicht Dr. Christoph Giepen, selbst Hausarzt und Sprecher des Bottroper Ärztevereins. „Wir hatten ein, zwei hausärztliche Kollegen, die lange versucht haben, sich dagegen zu wehren.“ Aber auch die seien längst dabei. „Das ist technisch nicht aufzuhalten.“

Bottroper Ärztesprecher: Durchschlag als Service für den Arbeitgeber

Bereits seit Mitte letzten Jahres sei es Pflicht, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen digital an die Krankenkassen zu übermitteln; der Krankenschein in Papierform war dann aber noch für die Patienten selbst und zur Weitergabe an den Arbeitgeber obligatorisch. „Das lief in den ersten ein, zwei Monaten noch etwas holperig, mit vielen Fehlermeldungen. Aber in den letzten Monaten funktioniert die Übertragung mit den Krankenkassen reibungslos.“

Die AU müsse innerhalb von 24 Stunden übermittelt werden. „Sollte das aus technischen Gründen mal nicht funktionieren, müssen wir alles ausdrucken und per Post senden.“ Zum Beispiel im Falle eines Internetausfalls oder einer Systemstörung. „Das sind aber Einzelfälle.“

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Seit Januar nun bekommt eigentlich nur noch der Patient einen Durchschlag der AU für seine Unterlagen. „Unsere kassenärztliche Vereinigung hat uns aber empfohlen, in den ersten Monaten trotzdem noch Durchschläge für den Arbeitgeber mitzugeben.“ Sozusagen als zwar nicht verpflichtenden, aber zusätzlichen Service. Denn: „Ich hatte eher den Eindruck, dass das Verfahren aufseiten kleinerer Firmen jetzt noch haken könnte.“ Zum Teil gebe es auch kleinere Krankenkassen, die noch gar nicht teilnehmen. Giepen schätzt aber, dass in ein, zwei Monaten alles laufen wird.

Grundsätzlich ausgenommen von dem elektronischen Verfahren sind bislang privat Versicherte sowie Arbeitslose. Auch die AU für Eltern kranker Kinder werden noch nicht digital übermittelt, sondern weiterhin auf Papier erstellt.

Seibel und Weyer-Geschäftsführer Christian Conradi betont, dass er den Grundgedanken der elektronischen Übermittlung gut finde. „Problematisch ist, dass der Arbeitgeber aktiv etwas anfordern muss.“ Er würde sich wünschen, dass die Krankenkassen sich von sich aus bei den Firmen melden, sobald ihnen AUs vorliegen.

Für Arbeitslose gilt alte Regelung

Für Kundinnen und Kunden der Agentur für Arbeit und des Jobcenter gilt trotz eAU weiterhin: Sie müssen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Krankheitsfall oder bei Arbeitsunfähigkeit vorlegen. Diese muss beim Arzt aktiv eingefordert werden, betonen die Verantwortlichen der Arbeitsagentur. „Erst ab dem 1. Januar 2024 sind auch die Agenturen für Arbeit gesetzlich berechtigt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung elektronisch bei den Krankenkassen abzurufen.“

Diese vorzulegen sei wichtig, damit weiterhin Leistungen gezahlt werden. Das Einreichen funktioniert auch digital: „Im Bereich der eServices lassen sich über die sogenannten Veränderungsmitteilungen Arbeitsunfähigkeiten bequem anzeigen und hochladen. Die Bescheinigungen können Kundinnen und Kunden der Agenturen für Arbeit zudem auch in der Kunden-App BA-mobil hochladen.“