Bottrop-Kirchhellen. Im Herbst und Winter werden mehr Nutztierrisse im Wolfsgebiet registriert als im Frühjahr und Sommer. Derzeit ist es aber ruhig um die Wölfe.
Es ist ruhiger geworden um das Wolfsrudel. Die Zahl der Nutztierrisse im Wolfsgebiet Schermbeck liegt derzeit bei sechs und damit deutlich unter den zehn Rissen im letzten Quartal 2021. Landesumweltamt und Naturschutzbund warnen allerdings: Zu einem Vergleich fehlen noch Fakten.
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„Die Zahlen zu den Nutztierübergriffen können derzeit noch nicht in einen Vergleichskontext mit den vergangenen Jahren gesetzt werden“, sagt Wilhelm Deitermann, Sprecher des Landesumweltamtes Lanuv. „Sechs Nutztierfälle im Wolfsgebiet Schermbeck sind noch in Bearbeitung.“ Das heißt in der Regel, dass das auf Wolfsanalysen spezialisierte Senckenberg-Institut die sicher gestellten Speichelspuren noch nicht analysiert hat. Das betrifft Nutztierrisse in Hünxe (9. November, zwei tote Schafe; 13. Oktober, drei Schafe; 10. Oktober, vier Schafe), in Dorsten (8. November, ein Schaf), Kirchhellen (26. Oktober, ein Schaf; 8. Oktober, zwei Schafe, 29. September, zwei Schafe). Der letzte durch DNA-Analysen geklärte Fall war der Schafsriss am Berliner Berg am 22. September. In dieser Nacht auf Jagd gewesen war die Wölfin GW954f, vielen besser bekannt unter ihrem Beinamen „Gloria“.
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Auch Rolf Fricke, Vorsitzender des Bottroper Naturschutzbundes Nabu, rät ab von Vergleichen mit dem Vorjahr. „In der Vergangenheit war es sehr oft so, dass neben dem Wolf auch andere Schadensverursacher - vor allem Haushunde - identifiziert wurden oder das Material nicht auswertbar war.“ Bei den Nutztierrissen im Wolfsgebiet Schermbeck von Januar bis Juli waren in drei Fällen Wölfe die Verursacher, in drei anderen Fällen aber Haushunde.
„Ein Blick auf die bisherigen Entwicklung der Nutztierrisse in diesem Jahr bestätigt allerdings Beobachtungen, die wir seit dem Jahr 2018 machen“, sagt Lanuv-Sprecher Deitermann. „Von Mitte Februar bis Mitte Juli 2022 fand kein einziger Übergriff von Wölfen im Schermbecker Wolfsgebiet auf Nutztiere statt. Dieses Verhalten, dass im Frühjahr/Sommer weniger Nutztierübergriffe als im Herbst/Winter vorkommen, wird seit 2018 beobachtet. Die Ursache für dieses Verhalten sind rein spekulativ. Ein höheres Nahrungsangebot an Wildtieren (v.a. Jungtiere) im Frühjahr/Sommer kann ein Grund dafür seien, dürfte den Sachverhalt allerdings auch nicht alleine klären.“
„Wölfe sind ,opportunistische Beutegreifer’“
Aus Sicht des Nabu machen die Zahlen deutlich, dass Angriffe auf Schafe oder Pferde seltene Ausnahmen sind, sagt Rolf Fricke. „Gloria und ihre Familie wären längst verhungert, wenn sie sich nicht - wie andere Wölfe auch - im weitaus größten Teil von Schalenwild ernähren würden. Der Nutztieranteil ist mit 1,6 Prozent in der Regel verschwindend gering.“ Fricke bezieht sich dabei auf eine Untersuchung des Senckenberg-Museums für Naturkunde aus dem Vorjahr. Danach sind die häufigsten Nahrungsquellen für Wölfe Rehe (59,9 Prozent), Wildschwein (20,3 Prozent) und Rothirsch (13,1 Prozent). Das betont auch Lanuv-Sprecher Deitermann: „Die Wölfe in Deutschland, dazu gehören auch die Wölfe im Territorium Schermbeck, ernähren sich überwiegend von Wildtieren. Nutz- und Haustiere werden nur zu einem geringen Anteil gefressen. Wölfe sind ,opportunistische Beutegreifer’ und nehmen vorwiegend die am leichtesten verfügbare Nahrung.“
Weiter ungeklärt ist die Frage, wie viele Wölfe derzeit im Wolfsgebiet Schermbeck leben. Wilhelm Deitermann vom Lanuv rechnet so: „In 2022 hat es bislang keinen Nachweis von Reproduktion gegeben, der Rüde aus dem letzten Jahr wurde letztmalig am 30. Januar nachgewiesen und ist seitdem verschollen. Im laufenden Jahr wurden zwei Nachkommen aus 2021 nachgewiesen.“ Verloren hat sich auch die Spur des „Shampoo-Wölfchens“, das im Juni 2021 von Spaziergängern für einen jungen Hund gehalten und unter die Dusche gesteckt worden war.
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Der Nabu bleibt bei seiner Rechnung aus dem Sommer: „Unseren Überlegungen nach sind vermutlich zwischen sechs und acht erwachsene Wölfe im Wolfsgebiet Schermbeck und den angrenzenden Territorien unterwegs. Das halten wir für eine konservative Schätzung.“
Und dann gibt es noch das womöglich zweite Wolfspaar im Wolfsgebiet Schermbeck. Durch Kot- und Urinspuren wissen die Wolfsexperten: Wölfin GW2890f und Wolf GW2889m sind noch Ende August in Schermbeck gewesen. Wenn die beiden im Januar auch noch hier sind, gelten sie als „territorial“. Soll heißen: Sie sind hier heimisch geworden, Nachwuchs ist zu erwarten.