Bottrop. Koch als Traumberuf? Viele denken an Stress und unmögliche Arbeitszeiten. Vier Köche erzählen vom Alltag und was sie an ihrem Beruf schätzen.
Traumberuf Koch? Wer denkt da nicht zuerst an unmögliche Arbeitszeiten, magere Bezahlung, strenge Hackordnung und Stress am Arbeitsplatz. Klingt nicht gerade traumhaft. Aber: Es geht auch anders. Vier Köche arbeiten im Traditionsrestaurant Große-Wilde auf dem Eigen. Vom Küchenchef Carlos Rempert (64) über Sous-Chef Markus Petzelt (28) und Lucas Klein (22), der gerade aus einem Sternerestaurant auf Sylt wieder ins heimatliche Bottrop zurückgekehrt ist.
Er übernimmt die Stelle von Deniz Vester (25), der nach acht Jahren auf dem Eigen – einschließlich der Ausbildung zum Koch bei Carlos Rempert – einen ganz anderen Weg einschlägt und eine Ausbildung zum Informatiker beginnt.
Bottroper Koch: „Man muss das Zeug zum Koch haben“
„Man muss das Zeug zum Koch haben“, sagt Deniz Vester. „Die Fantasie, Neues zu entwickeln, das umzusetzen, im Team zu arbeiten, Stress aushalten, ohne dabei reich zu werden.“ Er koche immer noch gerne, auch zu Hause, wenn die Zeit dazu reiche. Aber irgendwann merkte er, dass Koch immer noch ein toller Beruf ist, aber eben nicht mehr sein Weg.
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„Ein bisschen vielleicht wie bei einer Beziehung, die auf einmal zu Ende ist, auch ohne dass es den großen Knall gegeben hat“, beschreibt Vester die Zeit der Neuausrichtung. Das Schwerste für ihn sei es gewesen, Chef, Chefin und den Kollegen die Entscheidung mitzuteilen. Denn die Arbeitsbedingungen dort, die fast schon familiäre Atmosphäre im ganzen Team: Dies alles wird er auf jeden Fall vermissen.
Schon als Junge der Mutter am Herd über die Schulter geschaut
Für Sous-Chef Markus Petzelt ist dies der große Trumpf seiner Arbeitsstelle. Es gebe zwei freie Tage, die Arbeitszeiten bewegten sich in der Regel um die acht Stunden, eine gute Atmosphäre zwischen Chefs und Kollegen. Das hat er als Teenager, der in einem einst bekannten französisch geprägten Restaurant im Norden der Stadt seine Ausbildung angefangen hat, ganz anders erlebt. Das hat ihn nicht davon abgehalten, sein Traumziel Koch, dass er schon als Kind hatte, weiter zu verfolgen.
„Ich habe als Junge schon meiner Mutter am Herd über die Schulter geschaut und nicht aufgegeben, auch wenn meine ersten Pfannkuchen nach dem Wenden neben der Pfanne landeten“, erinnert Petzelt. Bei Carlos Rempert hat er dann erlebt, dass Ausbildung nichts mit Schikane zu tun hat und auch im vernünftigen Umgangston erfolgen kann. Auch nach über zehn Jahren bei Große-Wilde liebt er es immer noch, in die Küche zu kommen, Töpfe und Pfannen zu sehen, zu hören, wenn es köchelt, die frischen Zutaten in die Hand zu nehmen und daraus etwas zu zaubern, was am Ende die Gäste glücklich macht.
Alles selbst gemacht vom kleinen Team
„Kürzlich noch schöne Steinpilze, toller Spargel im Frühjahr, jetzt den Rehrücken liegen zu sehen und zu überlegen, was daraus Gutes entsteht: Ich werde es einfach nicht leid.“ Vielseitig, fantasievoll und kreativ sei der Beruf. Und als Inhaberin Tina Große-Wilde die Geschichte der Dame von der Lebensmittelkontrolle zum Besten gibt, die das Trockenlager inspizieren wollte und nicht glauben wollte, dass es dort keinen Raum für Dosen, vorgefertigte Bratkartoffeln oder Convenience-Produkte gebe, lächelt Markus Petzelt vor sich hin. „Das wäre nicht mein Beruf“, so der Koch.
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Im kleinen Team wird alles selbst gemacht, nicht nur die große Kür der Saucen, der Fischzubereitung oder des Bratens. Auch das Gemüseschneiden gehöre dazu. Und die Kroketten, die Carlos Rempert und sein Team gerade in hübsche Birnenform bringen, entstehen vor Ort aus Kartofflen, werden von Hand geformt.
Lucas Klein, der vor einer Woche von Sylt ins heimische Bottrop übersiedelte, weiß das zu schätzen. Gastronomie war auch für ihn relativ früh gesetzt. Angefangen hat es für ihn im Haus Lindemann im Fuhlenbrock, als Schüler im Service, wo er noch die Zeit der Familie End erlebt hat. Auch die vielversprechenden Anfänge im Bernepark hat er miterlebt. „Beides gibt es leider nicht mehr.“
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Das musste Klein von Sylt aus beobachten, wo er auch den Druck des Hotelrestaurants und später des angeschlossenen Michelin-Sterne-Betriebs kennengelernt hat. Für einen 22-Jährigen mit abgeschlossener Ausbildung als Posten-Chef auf der Luxusinsel schon recht viel. „Man muss dafür geboren sein, Ehrgeiz haben“, so der Koch, der bereits in seiner Lehrzeit mal in einem Sternlokal arbeiten wollte. Das hat er auch mit seinem neuen Chef Carlos Rempert gemeinsam.
„Die Lehre und die frühen Jahre waren damals furchtbar“
Auch der heute 64-Jährige mit Stationen in der Schweiz, San Francisco aber auch bei Drei-Sterne-Koch Dieter Müller (Schlosshotel Lerbach) und schließlich Nürnberg, wo er dem Schindlerhof einen Stern erkochte, kennt die Schattenseiten des Kochberufs. „Die Lehre und die frühen Jahre waren damals furchtbar, ein Patron war damals noch ein Tyrann, keiner konnte es denen recht machen und der Lohn? 520 Mark, nach der Ausbildung wohlgemerkt, bei einer 50 Stunden Woche und einem freien Tag, das war Mitte der 70er Jahre.“ Heute lacht Carlos Rempert darüber und weiß: „Die Zeiten sind anders geworden, zum Glück.“ Bei Große-Wilde ohnehin. Denn sonst wäre nicht nur die Mannschaft am Herd komplett geblieben. Auch die Servicekräfte sind nach Corona zurückgekehrt. Die braucht man auch. Das Restaurant ist seit Wochen bis zum 20. Dezember ausgebucht.