Bottrop-Kirchhellen. 32 Straßennamen gab es nach dem Zusammenschluss doppelt in Kirchhellen und Bottrop. 22 davon sollte Kirchhellen aufgeben. Es wurden sogar 26.

2026 wird es 50 Jahre her sein, dass sich Kirchhellen und Bottrop nach der gescheiterten „Glabotki“-Bildung zusammengeschlossen haben. Eine Liebesheirat war es nie. Und bis heute finden viele Kirchhellener gute Argumente für ihre Überzeugung, sie seien damals von Bottrop über den Tisch gezogen worden. Eher selten argumentiert wird mit den Straßenumbenennungen nach dem Zusammenschluss. Dabei sprechen die Zahlen für sich: 32 Namen waren doppelt. 20 davon sollten im Dorf umbenannt werden. Am Ende wurden es sogar 26.

Wer behält die Johannesstraße? 1977 setzte sich die SPD Boy durch mit dem Vorschlag, „ihre“ Straße möge den Namen behalten und die Straße an der Kirchhellener Kirche möge künftig „An St. Johannes“ heißen.
Wer behält die Johannesstraße? 1977 setzte sich die SPD Boy durch mit dem Vorschlag, „ihre“ Straße möge den Namen behalten und die Straße an der Kirchhellener Kirche möge künftig „An St. Johannes“ heißen. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

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Wenn die NRW-Landesregierung 1975 mit ihrem Ruhrgebietsgesetz durchgekommen wäre, das den Zusammenschluss von Gladbeck, Bottrop und Kirchhellen („Glabotki“) vorgesehen hatte, wären das Dilemma noch größer gewesen. Die WAZ-Lokalredaktion zählte durch und listete unter der Schlagzeile „Dreimal Johannes ist zweimal zu viel“ auf: 24 Straßen, darunter eben die Johannesstraße, gab es in allen drei Städten, weitere 71 waren doppelt.

„Glabotki“ hat das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem „Nikolausurteil“ 1975 gekippt. So mussten sich die Politiker in Kirchhellen und Bottrop nach dem Zusammenschluss ab 1976 nur mit 32 Doppel-Namen befassen. Was tut die Politik, wenn es schwierig wird? Richtig. Sie bildet einen Ausschuss. Sechs Bezirks- und zwei Ratsvertreter sollten ab November 1976 ein Kompromisspaket schnüren. Heraus kamen einige merkwürdige Vorschläge.

Unstreitig schien, dass Kirchhellen seine Bahnhofstraße verlieren würde in Ermangelung eines Bahnhofes, dessen Überbleibsel 1973 abgerissen worden waren. So kam es auch: Die Bahnhofstraße solle in der Hauptstraße aufgehen, befand die Kommission.

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Ebenso unstreitig schien, dass der Kirchhellener Südring keine Chance hatte gegen den Bottroper, den es ja sogar zweimal gab: Erst 1974 hatte die Politik den alten Südring umgetauft in „Alten Südring“. Außerdem lag der Bottroper Südring südlicher als der Kirchhellener. Im Umkehrschluss dieser Argumentation, waren die WAZ-Redakteure damals sicher, werde der Kirchhellener Nordring ja wohl gesetzt sein. Es kam anders. Ganz anders.

Im April 1977 legte die Kommission ihre Liste vor. 20 Straßen in Kirchhellen und 12 in Bottrop sollten umgetauft werden. Kirchhellens Nord- und Ostring etwa sollten künftig „Schultenstraße“ nach dem alten Flurnamen Schultenkamp, der heute dem größten Neubaugebiet des Dorfes seinen Namen gibt.

Als die Politik ins Spiel kam, wurde es kompliziert

Und dann wurde es kompliziert, weil die Politik ins Spiel kam. Die CDU schlug vor, Bahnhof- und Hauptstraße zur Konrad-Adenauer-Straße zu machen. Na gut, konterte die SPD: Dann nennen wir aber Nord- und Ostring nach unserem Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Dumm nur, dass die CDU Kirchhellen schon beschlossen hatte: Nord- und Ostring heißen künftig nach dem 1967 verstorbenen Altkanzler Adenauer.

Aus dieser Nummer kam die Politik in den kommenden Wochen nicht mehr heraus. „Durch die Namensvorschläge artete eine Namensänderung zum politischen Machtkampf mit mehr oder weniger fadenscheinigen Argumenten aus“, kommentierte der spätere WAZ-Lokalchef Wolfgang Gerrits.

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Es war der SPD-Ortsverein Kirchhellen der den Parteien aus der selbst gestellten Falle half. Am 24. Januar 1978 erfand er den Namen „Kirchhellener Ring“, unter dem Nord- und Ostring sowie der geplante, aber damals noch nicht gebaute Südring zusammengefasst werden sollte. Guter Plan, sagten CDU und SPD im Rat und räumten die Politikernamen ohne große Debatte ab: „Leidiges Thema vom Tisch“, meldete die WAZ Vollzug. Der Westring verlängerte übrigens wie geplant die Hackfurthstraße.

Nach dem gleichen Vorbild sollte eigentlich die Bogenstraße in der Straße Am Alten Kirchplatz aufgehen. Doch die CDU- Mehrheit in der Bezirksvertretung entschied im Mai 1978 anders und fasste beide Straßen unter dem neuem Namen Senheimer Straße zusammen. Das neue Straßenschild hing noch nicht mal eine Stunde an der Ecke Oberhofstraße, da hatten die Anwohner, die die Erinnerung an den alten Kirchplatz hochhalten wollten, das Schild überklebt. Der damalige SPD-Ratsherr Bernd Schnock ersann den Kompromiss, der bis heute funktioniert: Es gibt zwei Straßen. Beide sehr kurz.