Bottrop. Seit August stehen die türkisen Ele-Mietroller mit E-Antrieb in der Stadt bereit. Jedermann kann sie ausleihen. Wir haben das System getestet.
Ein kurzer Dreh am Gashebel, und der grün-weiße Roller macht einen Satz nach vorne. Klar, ist ja auch ein E-Roller, ähnlich wie beim E-Auto liegt auch hier die Kraft sofort voll an und ermöglicht ordentliche Beschleunigungen. Also: Griff wieder loslassen und sich langsam herantasten, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Zum Glück regnet es und es ist kaum jemand auf der Straße unterwegs. Denn für unbedarfte Beobachter hätte es bestimmt befremdlich oder gar lustig ausgesehen, wie ich die ersten paar Meter auf dem Ele-Mietroller nach vorne ruckle.
100 solcher Roller hat der Energieversorger in den drei Städten Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen verteilt. Ella heißen das Projekt und die entsprechende App dazu. Über die kann jeder, der will, sich eines der Gefährte mieten und damit Strecken zurücklegen. Voraussetzung: Er oder sie ist über 18 Jahre alt und hat einen Führerschein. Nötig ist eine Fahrerlaubnis entweder für Roller oder aber ein normaler Pkw-Führerschein.
Wer Ella nutzen will, braucht einen Führerschein und muss sich freischalten lassen
Bei den Ella-Rollern handelt es sich um klassische Motorroller – in dem Fall mit Elektromotor. Daher unterscheiden sie sich auch schon optisch von den kleinen E-Tretrollern, die verschiedene Anbieter in zahlreichen Städten anbieten und die immer wieder für Ärger sorgen – weil sie beispielsweise wie in Köln im Rhein landen. Größter Unterschied: Auf den Ella-Rollern dürfen zwei Personen fahren.
Doch wer damit durch Bottrop fahren möchte, der muss sich zunächst in der gleichnamigen App registrieren. Das ist etwas aufwändiger, weil der Anbieter einen freischalten muss. Das dauert. Heißt im Umkehrschluss: Spontan einen Roller mieten und abfahren, das funktioniert zumindest bei der ersten Fahrt nicht.
Verifizierung innerhalb eines Tages abgeschlossen
Einige Tage vor meiner Testrunde habe ich die Prozedur auch absolviert. E-Mail-Adresse, Passwort, Kreditkartendaten – man muss so einiges preisgeben, bevor die Reise losgeht. Am Ende wird gar ein Selfie gefordert, bei dem man den Führerschein neben den Kopf hält. Zugegeben, etwas albern kommt man sich dabei schon vor. Zum Glück gibt’s das Homeoffice: Wer weiß, welche Kommentare die Kollegen sonst parat gehabt hätten.
„Wir müssen uns absichern, dass sich hier tatsächlich echte Personen registrieren, und so können wir auch die Daten abgleichen“, erklärt Dustin Krotki, der verantwortliche Projektleiter bei der Ele. Logisch, das erschließt sich letztlich ja schon bei der Registrierung. Die geht trotz der vielen Daten und der notwendigen Fotos von Führerschein und Personalausweis vergleichsweise fix über die Bühne. Einen Tag später landet eine Mail im Postfach, Betreff: „Führerscheinverifizierung abgeschlossen!“
Abstellen kann man die Rolle in Bottrop, Gladbeck oder Gelsenkirchen
Ist die angekommen, kann’s losgehen. Man sollte sich nur vorher noch über die Tarife schlau machen. 22 Cent kostet die Minute Fahrtzeit. Wer den Roller parkt und dann später weiterfahren will – das lässt sich in der App einstellen – zahlt zehn Cent pro Minute, quasi die Parkgebühr. Ele-Card-Inhaber fahren etwas günstiger, sie zahlen 18 Cent. Beim Parken gibt es keinen Rabatt. Wer sich anmeldet, muss zudem einmalig 4,99 Euro zahlen.
Abstellen kann man die Roller überall im Ele-Gebiet. Wer also etwa von Bottrop nach Gladbeck fährt, der kann sich auch dort ausloggen und den Leihvorgang beenden. Doch es gibt definierte Bereiche, in denen das nur möglich ist. Für Bottrop sind das die dicht besiedelten Gebiete in Alt-Bottrop, Grafenwald oder Kirchhellen-Mitte. Schließlich sollen die Roller von möglichst vielen Menschen genutzt werden. Das funktioniert nicht, wenn sie irgendwo in der Kirchheller Heide stehen.
Ele verzeichnet in den drei Städten nach 50 Tagen rund 600 aktive Nutzer
Rund 600 aktive Nutzer verzeichnet Ella bisher in den drei Städten, sagt Dustin Krotki. „Dazu kommen aber noch deutlich mehr Downloads der App.“ Nach den ersten 50 Tagen hatte die Ele bereits eine Zwischenbilanz gezogen. Damals hatten die 100 Roller zusammen schon 6200 Kilometer zurückgelegt. „Das ist in etwa die Entfernung vom Ele-Land bis zum Nordkap und zurück“, verkündete das Unternehmen. Im Schnitt dauere eine Fahrt 17 Minuten und gehe über fünf Kilometer. Insgesamt hätte die Nutzerinnen und Nutzer somit 600 Kilo CO2 eingespart.
Erlaubt man der App, den Standort zu nutzen, zeigt sie einem sofort die freien Roller in der Umgebung an. In meinem Fall geht’s zum Rathaus. Dort kann ich mit der App einen QR-Code am Roller scannen. Per Klick bestätigen und schon ist der Roller freigeschaltet. Das bedeutet, ich kann auch den Koffer auf dem Gepäckträger öffnen. Darin finde ich zwei Helme – Größe M oder L? Zum Glück passt L. Doch man darf den Helm nicht einfach so aufsetzen. Ebenfalls im Koffer finden sich Hygienehauben, die gilt es zuerst überzuziehen.
Vor dem Start den Roller auf mögliche Beschädigungen kontrollieren
Eigentlich sollte im Koffer auch ein Mikrofasertuch liegen, um bei Regen zumindest den Sitz abzutrocknen sagt Dustin Krotki. Doch Pech gehabt, in dem Fall fehlt das Tuch. Schade eigentlich, denn am Testtag schüttet es durchgehend, da wäre so ein Tuch praktisch gewesen. Zum Glück hat der Ele-Mann eins dabei, so bleibt die Hose trocken.
Bevor es losgeht, fordert mich die App auf, den Roller einmal zu kontrollieren und mögliche Schäden zu fotografieren. Tatsächlich ist an meinem Gefährt der hintere Reflektor zerbrochen. In solchen Fällen nehme man dann Kontakt mit dem vorherigen Mieter auf, erläutert Dustin Krotki das weitere Vorgehen.
Mit einem vollen Akku liegt die Reichweite der Roller bei rund 60 Kilometern
Praktisch auch: Die App zeigt mir den Ladestand des Akkus an. 87 Prozent Saft ist noch da. Mit einem vollen Akku wären rund 60 Kilometer drin, sagt Dustin Krotki. Er und seine Kollegen sorgen dafür, dass die Akkus immer gut geladen sind. „Wir haben wesentlich mehr Akkus als Roller“, erklärt er. Entsprechend werden die leeren Akkus dann immer gegen volle ausgetauscht. Die nötige Ladeinfrastruktur steht in Schalke. Dort gebe es große Ladeschränke. Die bieten zusätzliche Sicherheit, dass wenn doch mal ein Akku defekt ist, kein großer Brand ausbrechen kann.
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Dann geht’s endlich los. Ein Druck auf den kleinen grünen Startknopf und das Display zeigt an: „Ready“. Mehr geschieht nicht, das bekannte und oft nervige Knattern der Roller, dazu der Benzinmief – nichts davon. Dazu kommt die Power. Die Proberunde um den Ernst-Wilczok-Platz lasse ich langsam angehen.
Doch von Runde zu Runde kommt mehr Sicherheit. Aber: Mehr als 30 Stundenkilometer sind hier eh nicht erlaubt – und die fühlen sich auf der nassen Kopfsteinpflasterpiste schon wahnsinnig schnell an. Zumindest wenn man sonst im Auto oder auf dem Fahrrad unterwegs ist. Klar ist aber auch: Für kurze Strecken können die Ele-Flitzer im Stadtverkehr eine echte Alternative sein – zumal sie auch Spaß machen.