Bottrop. Besonderes Jubiläum: Fahrrad Rück feiert 150-jähriges Bestehen. Heute verkauft man dort mehr E-Bikes als klassische Räder. Blick in die Historie

Es ist ein besonderes Jubiläum. Schließlich dürfte es in Bottrop nur wenige Einzelhändler geben, die auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken können. Mit Fahrrad Rück stößt nun ein weiteres Unternehmen in diese illustre Runde. 1872 in der Innenstadt gegründet wurde nun am jetzigen Firmensitz gefeiert.

In all den Jahren ist das Geschäft immer weiter gewachsen, hat sich immer wieder verändert. Zuletzt hat der E-Bike-Boom den Markt komplett auf den Kopf gestellt. „Inzwischen verkaufen wir hier mehr E-Bikes als normale Fahrräder“, sagt der jetzige Geschäftsführer Thorsten Brinkmann. Rund 2500 Elektroräder rollen pro Jahr aus dem Laden, dazu kommen noch einmal rund 1500 normale. Eine Entwicklung, die anfangs wohl nicht absehbar war.

Erster Firmensitz war an der Osterfelder Straße in der Bottroper Innenstadt

Als H. Siebeck KG wurde das Unternehmen damals ins Leben gerufen, Firmensitz war die Osterfelder Straße 13. Das Unternehmen verkaufte schon zu dem Zeitpunkt Fahrräder. Aber auch Waschmaschinen und Nähmaschinen wurden angeboten. 1936 folgte dann die erste Übernahme durch Elisabeth Brüggemann. Die wiederum heiratete später den Mechanikermeister Josef Rück. 1948 erfolgte dann die Umbenennung – man nannte sich fortan „Josef Rück, vormals H. Siebeck“.

Renate Rück hat das Fahrradgeschäft in Bottrop 1989 an Bernhard Brinkmann übergeben.
Renate Rück hat das Fahrradgeschäft in Bottrop 1989 an Bernhard Brinkmann übergeben. © WAZ-Bild | Birgit Schweizer

Nach dem Krieg wurde das Sortiment nochmals umgestellt, es wurden Schreibmaschinen angeboten aber auch Motorräder. Nikolaus Rück übernahm das Geschäft 1960 nach dem Tod seines Vaters. Er konzentrierte sich dann auch voll auf Zweiräder – sowohl mit als auch ohne Motor. Außerdem zog er mit der Firma 1970 um zur Neustraße. Dort übergab seine Frau Renate den Laden 1989 an Bernhard Brinkmann, den Vater des jetzigen Geschäftsführers.

Damit erneut den Namen zu ändern, das sei ihnen nie in den Sinn gekommen, versichert Thorsten Brinkmann. „Rück ist eine Institution in Bottrop. Fahrrad und Rück, das gehört hier einfach zusammen“, sagt der 44-Jährige selbstbewusst.

Ehemaliges BMW-Autohaus in Bottrop bietet reichlich Platz für die Zweiradspezialisten

Mit dem Umzug an den jetzigen Standort am Südring wächst das Unternehmen noch einmal gewaltig. Das frühere BMW-Autohaus bietet reichlich Verkaufs-, Lager- und Werkstattfläche. Dass wirtschaftliche Gründe bei dem Umzug ebenfalls eine Rolle spielten, daraus macht Thorsten Brinkmann keinen Hehl. Schon damals sei der Trend zu den größeren Fahrradgeschäften spürbar gewesen. Und mit den heutigen Anforderungen an Werkstatt und Ausstellung sei der Standort überhaupt nicht mehr passend.

Der jetzige Firmensitz am Bottroper Südring – vorn und in der Mitte die Verkaufsräume, dahinter Werkstatt und Lager.
Der jetzige Firmensitz am Bottroper Südring – vorn und in der Mitte die Verkaufsräume, dahinter Werkstatt und Lager. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Und um die Geschichte abzurunden: Sowohl Bernhard Brinkmann als auch Sohn Thorsten haben am jetzigen Standort Südring bei BMW Wache beziehungsweise später Procar eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert. Doch am Ende haben sich die beiden dann doch jeweils für zwei statt vier Räder entschieden.

Thorsten Brinkmanns Vater vermisst manchmal noch den Benzingeruch

Und die gibt’s bei Rück am Südring seit einigen Jahren nur noch ohne Benzin. Damals trennte man sich von der Motorroller-Sparte. Thorsten Brinkmanns Cousin führt sie unter dem Namen „Rück am Ring“ weiter auf dem Eigen. Besonders für seinen Vater, langjähriger Moto-Cross-Fahrer und Moped-Fan, sei das eine harte Entscheidung gewesen. „Er vermisst hier manchmal schon den Benzingeruch“, verrät Thorsten Brinkmann.

2021 wurde der neue Anbau realisiert und eröffnet. Seither werden auf dieser Fläche E-Bikes präsentiert.
2021 wurde der neue Anbau realisiert und eröffnet. Seither werden auf dieser Fläche E-Bikes präsentiert. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Wirtschaftlich sei die Konzentration aufs Fahrrad aber richtig gewesen, das wisse sein Vater auch, doch die persönliche Leidenschaft sei nun einmal da. Allerdings habe man durch die Entscheidung viel Ausstellungs- und Lagerfläche hinzugewonnen. Vor zwei Jahren wurden Teile des Centers abgerissen, eine neue große Ausstellungshalle allein für E-Bikes wurde gebaut. Rund eine halbe Million Euro investierte das Familienunternehmen.

Die Elektroräder hätten für die größten Veränderungen in den letzten Jahren gesorgt. „Ich erinnere mich an die 1990er-Jahre als die Mountain-Bikes so gefragt waren. Da musste man auch Glück haben, um welche zu bekommen. Aber das war eine Warengruppe“, sagt Thorsten Brinkmann. Gut, streng genommen könnte man bei E-Bikes auch von einer Warengruppe sprechen, aber das würde dem wohl nicht gerecht. Schließlich ist vom Holland- über das Trekkingrad bis zum Mountainbike inzwischen jedes Rad auch mit E-Motor lieferbar.

Der Werkstattbereich in Corona-Zeiten – voll bis obenhin mit Fahrrädern.
Der Werkstattbereich in Corona-Zeiten – voll bis obenhin mit Fahrrädern. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Veränderungen zeigten sich auch in der Werkstatt. „Wenn mir vor 20 Jahren jemand erzählt hätte, dass wir für Fahrradreparaturen Computer brauchen, ich hätte es nicht geglaubt.“ Inzwischen sind die neuen Werkstattplätze alle mit Rechnern ausgestattet. Aber inzwischen gehe es bei den E-Bikes eben auch darum, neue Software aufzuspielen oder den Fehlerspeicher auszulesen. Überhaupt seien Service- und Inspektionstermine viel stärker nachgefragt. Gut, wer 3000 Euro oder mehr in ein E-Bike investiert, der will wahrscheinlich auch möglichst lang daran Freude haben.

Konzentration allein auf E-Bikes schließt Thorsten Brinkmann erst einmal aus

Und sich ganz auf E-Bikes konzentrieren? Für Thorsten Brinkmann kommt das nicht infrage. Er legt Wert darauf, auch eine große Auswahl klassischer Fahrräder anzubieten. Die Nachfrage sei schließlich auch da. „Wir möchten die Kunden, die wir 140 Jahre bedient haben, auch nicht einfach hintenüber fallenlassen“, stellt er klar.

Dann berichtet er von einer Kundin aus Gladbeck, die ein Kinderfahrrad kaufen wollte und ganz erstaunt über die Auswahl gewesen sei. Andernorts sei sie weggeschickt worden, man verkaufe keine Kinderräder mehr, die finde man im Internet. Für Brinkmann eine furchtbare Vorstellung, es gehe doch auch um fachliche Beratung, darum das Rad auszuprobieren.