Bottrop. Auf der Hans-Böckler-Straße in Bottrop bekommen Radfahrer nun eigene Fahrbahnen. Welche Projekte für Radler Rat und Verwaltung sonst noch prüfen.
Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer bekommen auf der Hans-Böckler-Straße jetzt womöglich sogar komplett eigene Fahrbahnen. Das kündigten Verkehrsausschussvorsitzender Rüdiger Lehr (SPD) und Verkehrsdezernent Klaus Müller in einem WAZ-Gespräch an. Denn die ursprüngliche Umweltspur-Idee aus Reihen der SPD lässt sich für die Verkehrsachse zwischen der Innenstadt und der Eichendorfstraße nach Erkenntnissen des Straßenverkehrsamtes so nicht umsetzen. Allein bei den Fahrradspuren auf der Hans-Böckler-Straße soll es außerdem nicht bleiben. Auch auf weiteren Straßen sehen Ratsvertreter und Verwaltungskräfte Verbesserungen für Radfahrer vor: zum Beispiel am Südring und Westring, an der Peterstraße und Am Lamperfeld.
Zusert kommen jedoch die Fahrradfahrer auf der Hans-Böckler-Straße zu ihrem Recht. „Spätestens Anfang 2023“, sagt Rüdiger Lehr, sollen die Markierungen in beide Fahrtrichtungen aufgetragen werden. Für die zunächst gewünschte Umweltspur seien die Fahrbahnen der Hans-Böckler-Straße nicht breit genug, macht Beigeordneter Klaus Müller klar. Also müssen die Radfahrer ihre eigene Fahrbahn anders als auf einer formalen Umweltspur künftig nicht mit Bussen, Taxis oder Elektroautos teilen. Der Dezernent weist allerdings darauf hin, dass Rat oder Verkehrsausschuss das letzte Wort haben.
Für eine Umweltspur sind die Fahrbahnen nicht breit genug
Ausschussvorsitzender Rüdiger Lehr ist da jedoch zuversichtlich, weil sich die von den Ratsparteien in den Nahmobilitätsarbeitskreis der Stadt delegierten Vertreter bereits auf diese neue Lösung verständigt hätten. Klaus Müller lässt das Straßenverkehrsamt vorher aber noch prüfen, ob Linienbusse in dichtem Verkehr zeitweise nicht doch auf die geplanten Fahrradfahrbahnen ausscheren können, falls auf den jeweiligen Strecken darauf dann keine Radfahrer unterwegs sind. Generell befahren dürfen Busse die Nicht-mehr-Umweltspur künftig allerdings nicht.
„Die Fahrbahnen müssten mindestens 4,75 Meter breit sein, damit Busse darin überholen können, ohne die Radfahrer zu gefährden“, erklärte Verkehrsdezernent Klaus Müller. Die Fahrbahnen auf der Hans-Böckler-Straße seien aber deutlich schmaler, wie Messungen des Straßenverkehrsamtes an fünf verschiedenen Stellen auf der Verkehrsachse ergeben hatten. Danach weisen alle Fahrstreifen nur eine Breite von weniger als 3,50 Metern auf. Busse müssten daher in die jeweils zweite Fahrspur ausweichen, um Radfahrer in dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zu überholen.
Radwege und Schutzstreifen in der Innenstadt oft zu schmal
Solche Gefährdungen sprechen für die Experten der Stadt ebenso gegen die unter den Ratsvertreten zunächst favorisierte Umweltspur wie auch mögliche gegenseitige Behinderungen von Radfahrern und Busverkehr. SPD-Ratsherr Rüdiger Lehr hält die nun vorgesehenen Fahrbahnen für Radler allerdings auch deshalb für nötig, weil er die Radwege entlang der Hans-Böckler-Straße für schlecht hält. Die Mitarbeiter des Straßenverkehrsamtes berichten zwar, dass die Radwege größtenteils das erforderliche Mindestmaß aufweisen, sie räumen aber ein, dass die Radwege in der Innenstadt zu schmal seien. Zwischen Lamperfeld und Parkstraße gebe es außerdem nur gemeinsame Geh- und Radwege, heißt es.
Das Straßenverkehrsamt bestätigt in seiner Untersuchung für den Nahmobilitätsarbeitskreis, dass die Hans-Böckler-Straße mit ihren vier Fahrstreifen viel zu groß für den Kraftfahrzeugverkehr sei, der über sie fließt. Das gilt ebenso für den Südring und Westring sowie auch für die Peterstraße und die Prosperstraße zwischen Osterfelder Straße und Friedrich-Ebert-Straße. Vierstreifige Fahrbahnen werden danach für Straßen mit einer Belastung von 3600 bis 5200 Kraftfahrzeugen pro Stunde benötigt. Aus dem Bericht des Straßenverkehrsamtes geht aber hervor, dass auf den untersuchten Strecken in Spitzenzeiten weniger als 1500 Kfz/pro Stunde fahren.
Die meisten Unfälle mit Radfahrern auf der Peterstraße
Trotzdem zählte die Verkehrsbehörde auf dem Abschnitt der Peterstraße und der Prosperstraße in den letzten zehn Jahren die meisten Radfahrunfälle auf diesen drei untersuchten Straßenabschnitten: Danach waren auf der Peterstraße insgesamt 25 Radfahrer, auf der Hans-Böckler-Straße 15 und auf dem Südring und Westring insgesamt 16 Radlerinnen und Radler in Verkehrsunfälle verwickelt. Für die drei Straßenzüge sei konzeptionell ohnehin schon länger ein Rückbau von vier auf zwei Fahrbahnen für Kraftfahrzeuge vorgesehen, hält die Verkehrsbehörde fest.
Der Straßenumbau verursacht allerdings Millionenkosten. Davon sind die Kosten für die Abtrennung von Radfahrstreifen durch Markierungen trotz sechsstelliger Beträge weit entfernt. So rechnet die Stadt damit dass die Markierung der Fahrradspur auf dem etwa 2200 Meter langen Abschnitt der Hans-Böckler-Straße rund 250.000 Euro kosten wird. Die neue Verkehrsregelung würde vorerst zwei, drei Jahre gültig sein. „Sie bleibt so lange in Kraft, bis im Zuge der Kanalerneuerung der Straßenraum der Hans-Böckler-Straße sowieso neu aufgeteilt wird“, sagte Beigeordneter Klaus Müller; im Jahr 2024 oder 2025 wäre das so weit.
Planspiel für die Peterstraße soll Verkehrsfluss zeigen
Eine ähnliche Lösung wie auf der Hans-Böckler-Straße schwebt den Radwegeplanern auch zwischen der Essener Straße und der Osterfelder Straße auf dem Südring und Westring vor. Für die gut 1700 Meter lange Strecke liegen die Markierungskosten bei 193.000 Euro. Als Vorteil für die Radfahrbahnen auf dieser breit ausgebauten Verkehrsachse sieht es der Verkehrsdezernent an, dass es dort erheblich weniger Einmündungen und Zufahrten gebe. Der Arbeitskreis habe die Pläne daher ebenfalls positiv bewertet, berichtet Müller. Mit den Vorplanungen könne das Stadtplanungsamt daher durchaus beginnen. Für weitere Schritte fehlt der Stadt allerdings Personal, wie die Verwaltung es dem Verkehrsausschuss und zuletzt auch den Bezirksvertretungen schon schriftlich gab.
Verkehrsauschussvorsitzender Lehr weist deshalb auch bereits auf die bevorstehenden Etatberatungen der Ratsparteien hin. Die Grünen hatten zuvor ohnehin schon Bereitschaft signalisiert, für den Radwegebau mehr Personal einzustellen. Denn auch die Peterstraße behalten die Radwegeplaner im Blick und wollen Radfahrerinnen und Radfahrern auf der Strecke zwischen der Osterfelder Straße und der Friedrich-Ebert-Straße mehr Raum geben. Die Schutzstreifen für Radler seien auf dieser gut 900 Meter langen Strecke jedenfalls durchgehend zu schmal, lautet das Untersuchungsergebnis des Straßenverkehrsamtes. Eine Abtrennung einer eigenen Radfahrbahn per Markierung würde gut 103.000 Euro kosten.
Über den Harald-Lubina-Weg hinauf bis zur Kreuzung
Beigeordneter Müller weist jedoch darauf hin, dass die Verwaltung erst einmal ein Planspiel vorbereite, mit dem Bürger und Ratsleute besser nachvollziehen können, wie sich eigene Radfahrbahnen auf dieser Achse durch den Stadtkern auf den Verkehrsfluss auswirken werden. Einen Baubeginn auf der Peterstraße halten die städtischen Planer aber ohnehin erst frühestens im Jahr 2024 für möglich; und das auch nur, wenn das Projekt kontinuierlich bearbeitet werden kann. Für das Lamperfeld fasst Beigeordneter Müller übrigens ebenfalls zumindest einen Radfahrstreifen von der Kirchhellener Straße bis zur Kreuzung mit der Hans-Böckler-Straße ins Auge. Dazu fällt SPD-Ratsherr Rüdiger Lehr jedoch ein, dass Radler diese Kreuzung auch jetzt schon ganz gut von der Parkstraße aus am Jahnstadion entlang über den fast parallel verlaufenden Harald-Lubina-Weg erreichen können.