Seit gut einem Jahr wird der Einzelhandel in Bottrop mit dem Sofortprogramm Innenstadt gefördert. Wie erfolgreich ist das Konzept? Eine Bilanz.
Vor gut einem Jahr hat die Stadt Bottrop – als eine der ersten Städte in der Region – das Sofortprogramm Innenstadt des Landes NRW genutzt, um Neueröffnungen in der von Leerstand geplagten Innenstadt zu ermöglichen. Das Förderprogramm soll die Innenstädte beleben, doch wie viel Leben ist tatsächlich seitdem in Bottrops City eingekehrt?
Der Erste, der mit Unterstützung der Initiative sein Geschäft eröffnet hat, war Thomas Albrecht. Sein AK1 an der Poststraße bietet extravagante Wohnideen, vom Plüschkühlschrank bis zum mit Fell bezogenen Flaschenüberzug, dazu samstags Live-Musik und zudem ein kleines gastronomisches Angebot. Für den 66-Jährigen, der in Gladbeck Wohnaccessoires produziert, war das Sofortprogramm ein Erfolg. „Wir haben zwei Jahre Sicherheit, um ein wenig Speck anzusetzen und zu sehen, ob das Konzept funktioniert.“
Mieter zahlt nur 20 Prozent der regulären Summe
Für den Anschub sei die Förderung schön, „aber das muss viel länger gedacht werden“, sagt Albrecht, der die Stadt in der Pflicht sieht, im Sinne von Innovation City „richtig innovativ“ zu sein, das Hansacenter und das ehemalige Karstadt-Gebäude zu kaufen und zu gestalten. „Ohne diese beiden Ankergebäude wird das nichts mit der Bottroper Innenstadt.“
Im Frühjahr vergangenen Jahres hatte eine Jury insgesamt elf Geschäfte im Hansaviertel ausgewählt, die vom Sofortprogramm Innenstadt profitieren sollten. Sieben Händler sind letztlich eingezogen, darunter zum Beispiel der vegane Supermarkt „Just VGN“ an der Hochstraße, der Eloria-Store auf der Hansastraße sowie wenige Meter weiter der Kartoffel-Imbiss „Fritas Naturales“.
In einer zweiten Rutsche sind sieben Selbstständige für Leerstände im Rathausviertel ausgewählt worden, darunter Bellas Bistro, der neue Imbiss von Pikilia, der bald eröffnen soll, sowie der Co-Working-Place des Wunschzauberer-Vereins. Zudem laufen Gespräche mit insgesamt sechs weiteren Akteuren für das Hansa- und das Rathausviertel.
Zwei Jahre lang verpflichten sich die Vermieter, den Mietzins auf 70 Prozent zu senken, die Mieter zahlen lediglich 20 Prozent der regulären Miete, den Rest finanziert die Stadt aus dem Landesfördertopf. Für das Hansaviertel sind 500.000 Euro zur Verfügung gestellt worden, für das Rathausviertel rund 400.000 Euro. Mit dem Förderprogramm kann die Stadt maximal 24 Monate unterstützten, längstens aber bis Dezember 2023. Für die zweite Offensive im Rathausviertel, die in diesem Jahr gestartet ist, kann also gar nicht mehr der volle Förderumfang ausgeschöpft werden.
Doch was passiert nach den zwei Jahren? In einem Gespräch mit der Bottroper Zeitung hatte Dorothee Lauter, Abteilungsleiterin bei der städtischen Wirtschaftsförderung, im April prognostiziert, dass sich 50 Prozent der Geschäfte nach dem Förderungszeitraum nicht halten werden. Das sei aber auch nicht das Ziel der Initiative gewesen, „sondern eher die Belebung der Innenstadt und Menschen die Möglichkeit zu geben, etwas auszuprobieren“, sagte sie damals.
Braucht es da nicht einen nachhaltigeren Gedanken? Thomas Albrecht blickt auf Geschäfte, deren Miete früher im mittleren vierstelligen Bereich lag, die jetzt keine 1000 Euro zahlen, bald aber wieder deutlich mehr monatlich an ihre Vermieter abtreten sollen. Manch’ Konzept sei da zum Scheitern verurteilt.
Gute Ideen und Konzepte sollen sich etablieren
Die Idee des Landesprogramms sei, so fasst es Sabine Wißmann, Amtsleiterin der Wirtschaftsförderung, zusammen, „dass sich gute Ideen und Konzepte im Laufe des Förderzeitraums etablieren und wirtschaftlich festigen“. Da dies aber durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und anderen wirtschaftlichen Einflüssen nicht immer funktionieren werde, „kümmert sich das beauftragte Zentrenmanagement schon weit vor Ablauf des Förderprogramms beziehungsweise der individuellen Förderung um die jeweiligen Betriebe und deren mögliche Unterstützungsbedarfe“.
Thomas Albrecht hat eine individuelle Lösung gefunden. Mit seinem Vermieter Karl Reckmann hat er schon jetzt einen Fünf-Jahres-Mietvertrag aufgesetzt mit einem Mietzins, der zwar über dem aktuellen inklusive Fördergeldern liegt, allerdings deutlich unter dem, was früher für ein Ladenlokal in der Umgebung aufgerufen wurde. Vermieter müssten sich, so Albrecht, flexibel zeigen. So profitieren Einzelhändler von angemessenen Mieten und auch die Immobilienbesitzer von einer langfristigen Sicherheit.