Bottrop. Borsigweg – mit dieser Adresse hat man in Bottrop keine Chance mehr, sagen Kritiker. Warum Rat und Stadt die Siedlung für unverzichtbar halten.
Die berüchtigte Bottroper Obdachenlosen-Siedlung Borsigweg gibt es trotz früherer Abrisspläne immer noch. Inzwischen unternimmt die Stadt wieder den Versuch, etwas gegen die unhaltbaren Zustände in dem Viertel zu unternehmen. Das löst bei Ratsvertretern die Sorge aus, dass damit die Existenz der umstrittenen Obdachlosen-Siedlung zementiert wird. Schließlich will die Stadt die Borsigweg-Siedlung schon seit mehr als zwei Jahrzehnten abreißen und rückt jetzt nicht zum ersten Mal zumindest befristet wieder von diesem Ziel ab. Dabei kommen auch Experten für die Stadt zu der Erkenntnis: In vielen Fällen scheint sich ein Aufenthalt in der Siedlung am Borsigweg eher negativ auf die weiteren Perspektiven der Menschen auszuwirken, anstatt diese zu verbessern.
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Denn Borsigweg ist für große Teile der Bottroper Bevölkerung der Inbegriff des Schreckens. „Wir halten den Imageschaden des Borsigwegs für irreparabel“, sagte daher auch ÖDP-Ratsfrau Marianne Dominas in der jüngsten Sitzung des Stadtrates. Sie warnte eindringlich davor, das ursprüngliche Ziel jetzt aufzugeben. Der Borsigweg sei zu einem Ghetto geworden, bedauert die Lehrerin. Auch städtische Experten berichten, dass ein großer Teil der Borsigweg-Bewohner sehr lange oder sogar sein ganzes Leben in der Siedlung bleibe. „Wir lehnen diese Ghettoisierung von Menschen ab“, betonte Marianne Dominas für die ÖDP.
Sozialamt weist auf menschenunwürdige Zustände hin
Die Borsigweg-Siedlung in Batenbrock besteht noch aus elf Gebäuden und ist der größte Wohnkomplex in Bottrop, in dem Menschen ohne Wohnung eine Unterkunft bekommen. Normalerweise können in den Notfallunterkünften um die 190 Personen untergebracht werden. In absoluten Krisenzeiten kann die Stadt die Belegung kurzzeitig auch auf bis zu 280 Menschen erhöhen. Zurzeit leben in den Häusern zwischen der Batenbrockstraße und dem Borsigweg aber deutlich weniger: insgesamt 75 Personen. Damit sei die Obergrenze erreicht. Denn mehr dürfen es wegen der Schutzbestimmungen in der Corona-Pandemie nicht sein, berichtet das Sozialamt. Weitere Notunterkünfte gibt es auf dem Eigen an der Stenkhoffstraße.
An fünf der insgesamt elf Bauten muss aus Sicht der Stadt teils dringend etwas getan werden. Darin werde über Kohleöfen geheizt, es gebe keine Warmwasseraufbereitung, die Fenster seien einfachverglast und zum Teil undicht, die Elektrik auf Putz verlegt und Toiletten mit Dusche meistens überhaupt nicht vorhanden oder aber dermaßen stark beschädigt, dass sie nicht mehr benutzt werden können.
Trotz provisorischer Reparaturen seien Wohnungen wegen starker Feuchtigkeitsschäden nicht mehr bewohnbar. Ohnehin liege die Siedlung zwischen einem Industriegebiet und einer Bahnlinie und sei daher isoliert. Die Schäden in einem Teil der Gebäude seien so schwer, dass eine menschenwürdige Unterbringung nicht mehr möglich sei, bewertet eine Arbeitsgruppe um das Sozialamt die Zustände am Borsigweg.
Bottroper ÖDP fordert, Notunterkünfte besser zu verteilen
Das hatte auch ÖDP-Ratsherr Markus Stamm bereits kurz vor der Ratssitzung angeprangert. „Den jetzigen Zustand halten wir alle nicht für zumutbar“, unterstrich SPD-Ratsherr Matthias Buschfeld. Deshalb müsse die Stadt aber jetzt am Borsigweg handeln. Die ÖDP-Vertreter halten es allerdings für einen Kardinalfehler, dort statt der Altbauten an selber Stelle nun etwa neue Unterkünfte zu bauen. Wie Flüchtlinge sollten alle Menschen in Not über das Stadtgebiet verteilt werden. „Offensichtlich haben wir gar keine Fortschritte gemacht“, kritisierte auch Linke-Ratsherr Niels Schmidt die prekäre Lage am Borsigweg. Dennoch hält die Linke im Rat die Notunterkünfte dort nicht für verzichtbar. Das sehen SPD und CDU ähnlich.
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Denn die Stadt weist darauf hin, dass die Zahl wohnungsloser Menschen in Bottrop nicht nur durch neue Kriegsflüchtlinge zunehme. Die Borsigweg-Siedlung bleibe daher wichtig, weil es dort eben Wohnungen gebe, in denen Menschen in Not schnell unterkommen können. „Wir bedauern, dass es Menschen gibt, die darauf angewiesen sind“, sagte Grünen-Ratsfrau Andrea Swoboda. Aber: „So traurig es ist, das sagen zu müssen: Wir brauchen diesen Standort.“