Bottrop. Die evangelische Sozialberatungsstelle mietet für ein halbes Jahr zehn Zimmer im Boyer Hof an. Die neuen Hotelgäste können ihr Glück kaum fassen.
Im Hotel Boyer Hof fühlt sich Rainer A. sichtlich wohl. In der Unterkunft am Boyer Markt hat er seit kurzem wieder ein richtiges Dach über dem Kopf. Er bezog in dem Hotel ein Einzelzimmer und schläft jetzt täglich in einem frisch bezogenen Bett. "Hier muss ich keine Angst haben, mich mit dem Coronavirus anzustecken", sagt Rainer A. Seit eineinhalb Jahren ist der Mann wohnungslos. Er lebte zeitweise auf der Straße. Doch nun haben ihn die Mitarbeiter der evangelischen Sozialberatung (ESB) in dem Hotel am Boyer Markt einquartiert.
Zehn Zimmer haben die Sozialberater um Claudia Kretschmer in dem Hotel angemietet, um Menschen ohne Wohnung wie Rainer A. wenigstens eine Zeitlang ein Zuhause zu schaffen, in denen sie die Schutzvorkehrungen in der Corona-Krise tatsächlich einhalten können. "Bleiben Sie zu Hause, das sagt sich so leicht. Doch wenn jemand keine Wohnung hat, was dann? Eine Parkbank ist doch kein Zuhause", macht ESB-Leiterin Claudia Kretschmer klar, was ihr Team antrieb. Es ging den Helfern darum, dass ihre Klienten einen Raum haben, in dem sie sich auch tagsüber aufhalten können. Sie brauchten außer geregelten Mahlzeiten und sauberer Kleidung auch Toiletten, Duschen und Waschbecken, um sich die Hände regelmäßig waschen zu können.
Bottroper Notunterkunft am Borsigweg hat schlechten Ruf
Die Notunterkunft am Borsigweg genügt den hygienischen Standards in der Coronakrise nach Auffassung der ESB-Sozialarbeiter nicht. In Notfällen gebe es dort nur Mehrbettzimmer ohne Duschen. Auch Rainer A. war schon in der Notunterkunft. "Borsigweg, das ist schon eine Hausnummer. Das ist da völlig heruntergekommen. Da muss man wirklich Angst haben um sein Leben", sagt der Mann. Rainer A. berichtet von Etagenbetten, in denen die Leute in den Mehrbettzimmern übernachten. "Da schläft dann einer direkt über mir. Da ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis ich angesteckt werde, falls er den Virus hat", sagt er.
Nicht nur Rainer A. ist froh, dass er jetzt im Hotel Boyer Hof wohnen kann. Sieben der zehn ESB-Zimmer sind schon belegt. "Unsere Hotelgäste können ihr Glück kaum fassen", sagt Claudia Kretschmer. Hotelinhaber Stefan Hartenstein hat eine Etage für das ESB-Hilfsprojekt reserviert. "Da haben die Leute dann ein Reich für sich", sagt er. Alle Zimmer haben einen Kühlschrank und Waschbecken, die Dusche liegt auf der Etage. Auf den Flur ließ der Hotelier Mikrowellen stellen, damit die Gäste sich Mahlzeiten zubereiten können. Fernsehgeräte sorgten zwischendurch für Ablenkung. Und vor allem: "Durch den Service des Hotels sind die hygienischen Erfordernisse sichergestellt", betont Claudia Kretschmer.
Neuer Hotelinhaber wirkt als Sponsor mit
Zu Beginn des Jahres hat Stefan Hartenstein das Hotel am Boyer Markt übernommen. "Ich hätte es wegen der Corona-Pandemie gleich wieder schließen können", erklärt der Unternehmer. Das ESB-Projekt hilft da auch ihm etwas, doch der Hotelinhaber unterstützt die Hilfsaktion der Sozialarbeiter auch aus Überzeugung. So kam der Hotelier der evangelischen Sozialberatungstelle auch bei den Übernachtungspreisen entgegen. Für ein halbes Jahr hat die ESB die zehn Hotelzimmer am Boyer Markt jetzt erst einmal angemietet.
Die Sozialberater hoffen auch, dass der eine oder andere ihrer Schützlinge mit der Hoteladresse bei der Suche nach einer Wohnung besser vorankommt. "Borsigweg, das ist eine Stigmatisierung", erklärt ESB-Sozialarbeiter Felix Brill. "Wenn jemand sagt, dass er da zuletzt untergebracht war, sagen die Vermieter sofort: Die Wohnung ist vergeben", berichtet er von Erfahrungen bei der Wohnungssuche. Auch Rainer A. setzt große Hoffnungen auf seine derzeitige Anschrift. "Das macht doch gleich einen viel besseren Eindruck, wenn ich einem Vermieter sagen kann: Ich wohne im Hotel", hofft er. Denn so froh der Mann über die Unterkunft im Boyer Hof auch ist, noch lieber wäre ihm ein richtiges Zuhause in den eigenen vier Wänden.
Vinci-Stiftung unterstützt das ESB-Hilfsprojekt
>>> Möglich wurde das Hilfsprojekt der ESB für Wohnungslose durch die Unterstützung der „Vinci-Stiftung für gesellschaftliche Verantwortung“. Die von dem französischen Baukonzern Vinci ins Leben gerufene Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, Projekte zur Eingliederung ausgegrenzter Menschen in das Erwerbsleben zu fördern.
Die Vinci-Stiftung hat wegen der Corona-Krise gesondert Fördergelder bereit gestellt. Die Stiftungsvertreter fanden dabei auch die Idee der ESB unterstützungswert, wohnungslosen Menschen während der Pandemie ein provisorisches Zuhause zu geben. Dass ein Projekt in Bottrop ausgewählt wurde, liegt daran dass die Bottroper Firma Eurovia zum Vinci-Konzern gehört.