Bottrop. In Essen wurde ein Amoklauf verhindert, ein Waffenfund hat eine Dinslakener Schule beschäftigt. So ist Bottrop auf den Ernstfall vorbereitet.

Es sollte am Freitag, den 13. passieren: Ein 16-jähriger Essener plante im Mai einen Amoklauf an seiner Schule, dem Don-Bosco-Gymnasium in Borbeck. Nach Hinweisen aus der Schülerschaft konnte das Verbrechen, das aufgrund des rechtsradikalen Hintergrundes auch als Terroranschlag gewertet werden könnte, verhindert werden.

Zwei Wochen später: Ein Waffenfund an der Ernst-Barlach-Gesamtschule in Dinslaken löst einen SEK-Großeinsatz aus. Am frühen Nachmittag des 27. Mais hatte die Polizei einen Hinweis auf eine Schusswaffe bekommen. Die Schüler harrten stundenlang in ihren Klassenzimmern aus, durften die Schule erst um 18.30 Uhr verlassen. Schließlich stellte sich die „Waffe“ als originalgetreuer Nachbau heraus.

Diese beiden Fälle – und nicht zuletzt der schreckliche Amoklauf an einer texanischen Grundschule, bei dem ein 18-Jähriger 19 Kinder und zwei Lehrerinnen erschossen hat – haben in den vergangenen Wochen Sorgen ausgelöst. In Bottrop ist man in der Theorie auf einen solchen Fall vorbereitet.

Amoklauf in Bottrop: „Völlig unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich“

„Es ist völlig unwahrscheinlich, dass ein solcher Fall hier eintritt“, sagt Schul- und Ordnungsdezernent Paul Ketzer. „Aber es ist natürlich nicht unmöglich.“ Sollte es zum Ernstfall kommen, sei dies aber eine „reine Polizeilage“ – die Vorgehensweise liege nicht in der Verantwortung der Stadt.

„Wir würden machen, was die Polizei uns sagt“, so Ketzer. Schließlich habe die Stadt keine Ahnung von der Abschätzung einer solchen Extremsituation, die noch dazu jedes Mal individuell betrachtet werden muss. „Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.“ Einen solchen Plan gebe es aber, einen Notfallordner, der seit dem Amoklauf in Emsdetten 2006 bundesweit an Schulen existiert.

So gab es beispielsweise 2009, als der 17-Jährige Tim Kretschmer 15 Menschen in und um die Albertville-Realschule in Winnenden tötete, eine verschlüsselte Durchsage in der Schule, die vor dem Amokläufer warnte und Teil eines solchen Notfallplans war. Die detaillierten Inhalte sind nicht öffentlich zugänglich, sollen natürlich potenziellen Amokläufern nicht bekannt sein.

Polizei Recklinghausen: Enger Austausch mit Lehrern

Aus diesem Grund verrät auch die Polizei keine Details zu Strategien. „Wir wollen uns da natürlich nicht in die Karten gucken lassen“, sagt Annette Achenbach, Sprecherin der Polizei Recklinghausen. Grundsätzlich könne sie aber sagen, dass es einen engen Austausch mit den Schulen gebe, dass Lehrer nach dem Mentoren-Prinzip sensibilisiert und geschult werden und dieses Wissen an ihre Kollegen weitergeben.

Es müsse nicht immer der schlimme Ernstfall sein, schon Vorboten einer Tat können bemerkt und gemeldet werden. Die Polizei appelliert deshalb, bei Auffälligkeiten lieber einmal zu viel als zu wenig den Kontakt zu Lehrern oder Polizisten zu suchen – wie auch im Essener Fall Mitte Mai. Wenn zum Beispiel eine Schülerin oder ein Schüler Äußerungen von sich gibt oder Gewaltfantasien per E-Mail beschreibt.

„Wir sind vorbereitet und hoffen, dass es nie passiert“

„Die Lage ist in solchen Fällen immer schwierig abzuschätzen“, sagt Annette Achenbach, „aber wir nehmen alles ernst.“ Kommt es zu einem Vorfall wie zuletzt in Essen, gebe es immer wieder Trittbrettfahrer. Zudem werden solche Lagen intensiv nachbesprochen, intern aufgearbeitet, um aus ihnen zu lernen.

Im tatsächlichen Ernstfall würde eine andere Behörde die Federführung übernehmen, für Bottrop wäre das Münster, und ein Großaufgebot an Einsatzkräften inklusive Notfallseelsorge schicken. „Da kommen wir mit allem, was wir haben“, sagt Annette Achenbach. Ebendiesen Ernstfall habe es im Bereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen aber noch nie gegeben. „Wir sind darauf vorbereitet und hoffen, dass es nie passiert.“

Die schlimmsten Amokläufe in Deutschland

11. Juni 1964 in Köln: Bei dem Attentat tötet der 42-jährige Frührentner Walter Seifert mit einem selbstgebauten Flammenwerfer und einer Lanze acht Schüler und zwei Lehrerinnen. 20 Kinder und zwei weitere Lehrerinnen werden verletzt. Auf der Flucht begeht der Täter Selbstmord. 26. April 2002 in Erfurt: Beim Amoklauf von Erfurt erschießt der 19-jährige ehemalige Schüler Robert Steinhäuser am Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen und sich selbst.20. November 2006 in Emsdetten: Beim Amoklauf von Emsdetten verletzt der 18-jährige Sebastian B. an der Geschwister-Scholl-Schule 37 Menschen und tötet sich anschließend selbst. Er trug während der Tat einen Sprengstoffgürtel. 11. März 2009 in Winnenden: Beim Amoklauf von Winnenden erschießt der 17-jährige Tim Kretschmer in der Albertville-Realschule neun Schüler, drei Lehrerinnen und auf der Flucht drei Passanten. Er nimmt sich selbst das Leben.