Bottrop. Bei der Landtagswahl ist die Bildungspolitik eines der zentralen Themen. Drei Bottroper Schülersprecher geben Einblicke in ihren Alltag.

Wer wissen will, wie es in Bottroper Schulen aussieht, sollte direkt mit den Schülern sprechen. Aus diesem Grund hat die Lokalredaktion zwei Schülersprecherinnen und einen Schülersprecher zum Gespräch vor der Landtagswahl geladen: Sophie Seemann (18 Jahre) von der Willy-Brandt-Gesamtschule, Lea Dorchholz (17) von der August-Everding-Realschule und Jacob Schraven (16) vom Heinrich-Heine-Gymnasium. Sie geben Einblicke in die Digitalisierung, den Lehrermangel und die Stimmung an ihren Schulen.

Hinter Ihnen liegen über zwei Jahre der Corona-Pandemie, viele Regeln sind mittlerweile gefallen. Wie nehmen Sie die Stimmung in der Schülerschaft wahr?

Seemann: Anfangs war die Stimmung eher negativ, es gab auch viel Krawall. Aber mittlerweile hat sich das stark gewandelt. Die Schülerschaft ist auch bereit, etwas zu verändern. Es hat sich so gesehen in positive Energie umgewandelt.
Dorchholz: Auch bei uns war die Stimmung anfangs nicht so besonders. Jetzt kommt wieder mehr Normalität in den Alltag.
Schraven: Zu Beginn gab es viele Unsicherheiten, wie die Corona-Regeln an der Schule aussehen: Wann muss ich eine Maske tragen? Wo sind unsere Zonen, in denen wir getrennt stehen müssen? Da gab es viel Verwirrung. Durch die Aufhebung hat sich das aber ziemlich gelegt. Während der Pandemie hat der Unterricht oft digital stattgefunden.

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Sollten die Schulen solche Formate teils auch in Zukunft beibehalten?

Schraven: Ich bin da in gewisser Weise persönlich betroffen. Wir haben zu wenig Englischlehrer beziehungsweise zwei sind schwanger, darum muss der Unterricht digital stattfinden. Das ist nicht so wie in Präsenz und ich komme auch deutlich besser im Präsenz-Unterricht klar, aber ich muss sagen: Unterricht in einer Video-Konferenz ist immer noch besser, als überhaupt keinen zu haben. Sonst würde Lernstoff verloren gehen, den ich im Abitur brauche. Das als Option zu haben, ist eine sehr gute Lösung.
Seemann: Wir benutzen Plattformen wie Teams auch, um nach dem Unterricht Fragen zu stellen oder unsere Aufgaben werden dort hochgeladen. Das soll weitergeführt werden, solange es halt noch geht. Es ist eine wirklich gute Lernstütze.
Dorchholz: Wenn jemand noch in Quarantäne gehen muss, kann man so besser mit den Lehrern kommunizieren. Wir haben gesagt: Falls noch mal irgendetwas kommen sollte, ist dieser Online-Unterricht immer noch besser als gar kein Unterricht.

Jonas Hüster im Gespräch mit Sophie Seemann (18 Jahre) von der Willy-Brandt-Gesamtschule, Lea Dorchholz (17) von der August-Everding-Realschule und Jacob Schraven (16) vom Heinrich-Heine-Gymnasium.
Jonas Hüster im Gespräch mit Sophie Seemann (18 Jahre) von der Willy-Brandt-Gesamtschule, Lea Dorchholz (17) von der August-Everding-Realschule und Jacob Schraven (16) vom Heinrich-Heine-Gymnasium. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Bottroper Schulsprecher: „Unser W-Lan ist unglaublich schlecht“

Hat die Pandemie Ihren Schulen einen Schub bei der Digitalisierung verpasst?

Seemann: Bei uns auf jeden Fall. Dadurch haben wir mittlerweile W-Lan an der Schule, um diese Plattformen nutzen zu können. Es gibt aber noch viele Lücken, das ist vermutlich an jeder Schule so – trotzdem hat die Pandemie schon einiges getan. Auch die Lehrer haben ein bisschen mehr Medienkompetenz entwickelt.
Schraven: Das kann ich nur bestätigen. Man merkt bei den Lehrern, wer sich wirklich Mühe gibt, etwas Neues dazuzulernen. Unser W-Lan ist allerdings unglaublich schlecht. Wir haben fast 1000 Schüler, wenn sich da alle versuchen zu verbinden, stürzt das jedes Mal ab. Es gibt Fortschritte bei der Digitalisierung, aber die Voraussetzungen, dass der Unterricht zu 100 Prozent digital stattfinden kann, sind einfach nicht gegeben.
Dorchholz: Wir haben kein Schul-W-Lan, aber man merkt schon: Es hat einen Schub gegeben. Jeder Raum ist zum Beispiel mit einem Beamer ausgestattet.

Ein beliebtes Wahlkampfversprechen: Schüler sollen mehr digitale Endgeräte bekommen. Wie sind Ihre Schulen da aufgestellt?

Schraven: Da ist bei uns der Fortschritt groß. Wir haben Tablet-Klassen, da wird der Unterricht von Beginn an digital gemacht – mit Lern- oder Vokabel-Apps. In der Oberstufe ist das Mitbringen wiederum freiwillig.
Seemann: Wir haben um die 140 Tablets, was bei einer Schülerschaft von 1500 viel zu wenig ist. Deswegen werden die Tablets auch nur in einzelnen Stunden genutzt, wenn die Lehrer sich vorher dafür anmelden. In der Oberstufe kann jeder sein eigenes Tablet mitbringen, aber das kann sich auch nicht jeder leisten. Dorchholz: Wenn wir im Unterricht mit Tablets arbeiten wollen, können wir eines mitbringen. Aber auch von der Schule werden iPads zur Verfügung gestellt. Die Geräte sind auf jeden Fall ein enormer Fortschritt für den Unterricht. Man kann viel besser Inhalte nachschlagen oder Arbeitsblätter herunterladen.

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Bottroper Schulen: „Viel Unterricht entfällt oder wird vertreten“

Es sollen auch mehr Lehrer eingestellt werden. Spüren Sie, dass es einen Mangel in Nordrhein-Westfalen gibt?

Seemann: Bei uns merkt man das auf jeden Fall. Es gibt oft Stunden, die ausfallen, weil Lehrer andere Aufsichten führen müssen. Wir haben auch mitbekommen, dass bei uns besonders Informatik-Lehrer fehlen und viele Fächer fachfremd unterrichtet werden – weil die Stellen nicht besetzt werden können.
Schraven: Es ist nicht so extrem bei uns an der Schule, man hat dann doch Wege gefunden, dass nicht so viel ausfallen muss. Aber in irgendeiner Weise merkt man es immer.
Dorchholz: Wir sehen den Mangel spätestens, wenn wir morgens auf den Vertretungsplan gucken: Viel Unterricht wird vertreten oder entfällt in der Regel.

Schauen wir auf den Unterricht an sich: Gibt es Inhalte, die Ihnen dort fehlen?

Schraven: Es gibt zu wenig Freiraum im Lehrplan. Da wird keine Zeit gelassen, eine Theorie mal zu hinterfragen oder über etwas Bestimmtes zu diskutieren. Im Leistungskurs haben wir genug davon, aber in den Grundkursen kaum.
Seemann: Bei uns ist das lockerer. In Sozialwissenschaften haben wir etwa eine aktuelle Stunde, in der wir über selbst gewählte Themen reden. Das ist schon recht frei.