Bottrop. Nach drei Jahren Corona-Pause trafen sich erstmals wieder Gläubige zum Halden-Kreuzweg. Bischof Overbeck betont Recht auf Selbstverteidigung.
Dass der erste große gemeinsame Kreuzweg auf die Halde nach drei Jahren Coronapause im Zeichen eines Kriegs in Europa sein würde, hätten sich weder die vielen Einzelpilger der letzten Jahre noch die Organisatoren vor gut zwei Monaten träumen lassen. So wird die Pilgerfahrt zum Papstkreuz an diesem Karfreitag, an dem die Beter einmal im Jahr in der Mehrheit an diesem Freizeitort sind, auch zu einer Wallfahrt für den Frieden.
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Viele sind gekommen. Zu Fuß, per Rad, sehr viele mit dem Auto aus den Nachbarstädten. Da geht der Porschefahrer neben den Ordensfrauen der Missionarinnen der Nächstenliebe oder den Schwestern von St. Teresa aus dem Fuhlenbrock. Es wirkt, als ob es keine Zwangspause gegeben hätte, als sich auf dem Sportplatz am Fuß des Bergbaubergs die Menschen aus der Region hinter Kreuz, KAB-Bannern und den Ehren- und Knappengarden mit Bischof und den beiden Weihbischöfen in Bewegung setzen. Die Organisatoren und Förderer haben ganze Arbeit geleistet. Alles läuft wie am Schnürchen.
Familien mit Kind und Kegel asten Karfreitag den Berg hinauf, eine Hundebesitzerin mit Kamera betet laut mit zwischen den Stationen: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder...“. Manche unterhalten sich leise. Andere bleiben für sich, gehen abseits der Prozession, schließen sich aber offensichtlich den Gebeten und Gesängen an, die Kantor Knut-Lennart Scholz intoniert und durch Lautsprecher fast überall zu hören sind. Lennart ist evangelischer Kirchenmusiker in Essen. Zum Kreuzweg der Katholiken kam er ein wenig wie die sprichwörtliche Jungfrau zu Kind. Naja, nicht so ganz. Immerhin hat er einige Jahre bei den Domsingknaben an der Essener Bischofskirche mitgesungen, erzählt er, bevor er wieder ans Mikro muss.
Das gehört später dem Bischof von Essen. Unmittelbar nach der Lesung, die mit Pontius Pilatus’ Satz im Zuge der Verurteilung Jesu zum Kreuzestod endet „Was ist Wahrheit?“, geht Franz-Josef Overbeck auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine ein. Er führt die unheilige Allianz von Thron und Altar vor Augen, in der die russisch-orthodoxe Kirchenführung sich zu Handlangern von Putins Aggressionspolitik macht. Und: „Wäre der russische Präsident aber von der christlichen Botschaft überzeugt, würde er keinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führen. Er nutzt die Religion für seine politischen Zwecke“, wirft der Bischof dem russischen Präsidenten vor und erinnert zugleich an die uralte christliche Tradition dieser östlichen Länder.
„Jedes Land hat ein Recht auf Selbstverteidigung - Auch Rüstungslieferungen sind dann legitim“
Angesichts der Zerstörungen und Gräueltaten, die derzeit in der Ukraine geschehen, das Leid der vielen Flüchtlinge vor Augen, unterstreicht Overbeck, der zugleich auch katholischer Militärbischof ist, ein von der christlichen Friedensethik bejahtes Recht auf Selbstverteidigung. Darum seien auch Rüstungslieferungen an die Ukraine grundsätzlich legitim, betont er. Wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung ausgeschöpft seien, könne einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht abgesprochen werden. Oberstes Ziel müsse es aber immer sein, „Frieden zu stiften und den Krieg zu beenden – mit möglichst wenig Waffengewalt”.
Wie sehr die grundsätzlich verschiedenen Werteordnungen, hier freiheitlich-demokratisch, dort autoritär-diktatorisch, aufeinandertreffen, zeige sich auch an diesem Krieg. „Wir leben in schwierigen und gefährlichen Zeiten“, betont der Bischof von Essen. Angesichts der grausamen Realität des Krieges habe für Christen auch „das Gebet eine Kraft, die über das, was ein Mensch allein tun kann und was Menschen gemeinsam tun können, noch hinausgeht”. Nach kurzer Pause ertönt Applaus auf dem Plateau.