Bottrop. Die Task Force Bottrop war der bekannteste Spendensammler für die Ukraine. Doch nun ermittelt die Polizei gegen sie. Das sind die Hintergründe.

Es war die größte und bekannteste Spendenaktion in Bottrop, öffentlichkeitswirksam angekündigt in allen hiesigen Medien, auch bei der WAZ, in den sozialen Netzwerken: Die „Task Force Bottrop“ sammelte Kleidung, Hygieneartikel, Powerbanks, um sie an die polnisch-ukrainische Grenze zu bringen. Unterstützt wurde sie dabei von der BottsApp UG und deren Netzwerke „Dein Bottrop“ und „Wir lieben Bottrop“. Doch nun gibt es Ungereimtheiten über nicht ausgestellte Spendenquittungen, zwei verschwundene Lkw-Ladungen und mangelnde Transparenz bei ausgegebenen Spendengeldern. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen, nachdem die BottsApp UG sich an die Beamten gewendet hatte.

Zahlreiche Bottroperinnen und Bottroper kommen Anfang März dem Aufruf nach, Spenden für die Ukraine abzugeben. Auch das städtische Impfzentrum wirbt für Spenden an die Task Force, die schon nach der Flut im Ahrtal Kleidung und Gelder für die Opfer gesammelt hatte. Das Lager im ehemaligen Karstadt-Gebäude füllt sich stündlich, Berge von Kleidung und Hygieneartikeln türmen sich. Am 11. März rollt der erste Konvoi los mit acht Fahrzeugen in Richtung Chelm, ein 65.000-Einwohner-Ort in Polen, direkt an der Grenze zur Ukraine.

Task Force Bottrop: Fehlende Fotos des Spendentransports

Weil das Lager bereits vorher schon aus allen Nähten platzte, organisiert Stefan K., der gemeinsam mit Marcel M. als Task Force Bottrop auftritt, einen 40-Tonner, der die ersten Spenden Richtung Osten bringen soll, nach Hrebenne, gut 100 Kilometer südlich von Chelm gelegen. Am 4. März macht er sich auf den Weg. Die BottsApp UG bittet um Bilder vom Transport, von der Ankunft, vom Ausladen der Spenden in Hrebenne, sowie um einen CMR, einen standardisierten Frachtbrief für einen solchen Transport, bekommt allerdings weder Fotos noch den Frachtbrief.

„Ich hatte nur Bilder von der Spedition, die nutzlos waren“, sagt Stefan K. im persönlichen Gespräch mit dieser Redaktion. Warum er sie nicht trotzdem geschickt hat? „Da war unser Verhältnis schon mehr als gestört.“

Allerdings stimmt das im zeitlichen Ablauf nicht, da erst eine Woche später die acht Privatwagen mit Helfern der BottsApp UG sowie der Task Force sich auf den Weg nach Polen machen – zu diesem Zeitpunkt ziehen alle noch an einem Strang.

BottsApp UG: „Wir hatten keinen Grund für Zweifel“

„Wir lieben Bottrop“ schreibt in einer Stellungnahme, die sie vergangene Woche veröffentlichen, zu dem Ausbleiben der Bilder: „Wir hatten keinen Grund für Zweifel, schließlich wurde die Truppe auch im Vorfeld von allen lokalen Medien in den Spendenolymp gehoben. Wir waren uns sicher, wir kriegen die Bilder noch.“ Am 10. März geht erneut ein 40-Tonner auf den Weg, auch zu dessen Transport schickt Stefan K. keine Fotos.

Berge von Spenden: Zwei Helferinnen unterstützen Anfang März im Lager im ehemaligen Karstadt-Gebäude, die Kleidung zu sortieren.
Berge von Spenden: Zwei Helferinnen unterstützen Anfang März im Lager im ehemaligen Karstadt-Gebäude, die Kleidung zu sortieren. © FUNKE Foto Services | Lukas Claus

Bereits auf dem Weg nach Polen kommt es zu Unstimmigkeiten. Jeder Fahrer hatte 500 Euro erhalten, um davon Reisekosten zu bezahlen und im Nachhinein das restliche Geld samt Quittungen wieder abzugeben. Doch mitten in der Reise, so berichten es Helfer, die mitgefahren sind, soll Stefan K. die Umschläge mit dem Geld wieder eingesammelt haben, habe nun alles selbst bezahlen wollen.

Keine Quittungen über die Ausgaben der Spenden

Doch die Quittungen über die Ausgaben während der Fahrt kommen trotz mehrfacher Nachfrage nicht bei der BottsApp UG an. Das „Kassenbuch“ von Stefan K. führt in einer Word-Tabelle elf Positionen wie Maut und Benzinkosten. Sie ergeben eine Summe von 8114,42 Euro. Spenden waren in Höhe von 10.432,87 Euro gesammelt worden. „2000 Euro flossen dabei auf ein Konto, das uns von Stefan K. schriftlich als Konto des Vereins genannt wurde. Das Konto gehört wohl zu einer GmbH, die von der Frau von Stefan K., Tanja K., als Geschäftsführerin geleitet wird“, so die BottsApp AG in ihrer Stellungnahme.

Auf Anfrage der Redaktion legt Stefan K. die Quittungen vor: 15 Abrechnungen über Tanken und Verpflegung in Deutschland, 37 Kassenzettel aus Polen, dazu zahlreiche weitere für die anderen Positionen. Die Ausgaben stimmen mit den Summen im Kassenbuch überein. Warum er sie nicht vorher zur Verfügung gestellt hat? „Das wollte ich nicht, auch weil ich privat- und zivilrechtlich gegen die BottsApp UG vorgehe. Sie stellen falsche Behauptungen auf. Außerdem hatte ich die Belege nicht alle sofort.“

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Die Spenden, mit denen die Fahrt nach Osten finanziert wurde – abzüglich der 2000 Euro über das Konto – sind in den Spendendosen zusammengekommen, die an verschiedenen Orten in der Stadt aufgestellt waren. Gezählt wurde das Geld, dokumentiert durch Fotos und Videos, die der Redaktion vorliegen, von der BottsApp UG und Mitgliedern der Task Force. Anschließend haben sie die Summe Stefan K. übergeben.

Wege von BottsApp UG und Task Force Bottrop trennen sich

Was mit den gut 2300 Euro passiert ist, die nach den Ausgaben für die Fahrten nach Polen übrig blieben, weiß die BottsApp UG nicht. „Die werde ich für die nächste Fahrt an die Grenze nutzen“, sagt wiederum Stefan K. Zwischenzeitlich soll Stefan K. mit einer Flüchtlingsfamilie Unterwäsche kaufen gegangen sein, habe 900 Euro ausgegeben, aber nur Quittungen für 500 Euro vorgelegt. Überhaupt: 500 Euro für Unterwäsche?

Die Wege der Task Force und der BottsApp UG trennen sich. Das Task-Force-Lager, aktuell mietfrei untergebracht in einem Ladenlokal am Altmarkt, das über die städtische Wirtschaftsförderung vermittelt wurde, sei immer noch voll. Weil Marcel M. an Corona erkrankt sei und sich in Quarantäne befinde, habe es bislang noch keine weitere Lieferung nach Polen gegeben, sagt Stefan K. Am Karsamstag dann schickt er ein Video aus der Georgskirche in Gelsenkirchen, um zu dokumentieren, dass er die Spenden der Task Force Gelsenkirchen übergeben hat, einem eingetragenen Verein, der sich seit Jahren der Flüchtlingshilfe widmet und in dem eine Verwandte von Stefan K., Cornelia K., mithilft.

In dem Ladenlokal in Bottrop lagerten auch die Kisten voller Markenwindeln, Powerbanks und Hundenahrung, die laut eigenen Aussagen von Stefan K. nach der Trennung der Task Force Bottrop und der BottsApp UG aus dem ersten Lager im ehemaligen Karstadt-Haus mitgenommen wurden. Angeblich soll Stefan K. eine Helferin angewiesen haben, normale Windeln und originale Pampers separat in Kartons zu packen. Unklar ist, wo diese Spenden verblieben sind.

Keine Spendenquittungen für Ukraine-Spenden

Bis heute haben Stefan K. und Marcel M. keine Spendenquittungen an die Spender ausgehändigt – und werden das auch nie können, obwohl sie es den Spendern versprochen hatten. Denn die Taskforce ist kein eingetragener Verein, obwohl sie als solcher aufgetreten ist. Gemeinnützigkeit, die notwendig ist, um Spendenquittungen ausstellen zu dürfen, kann die Task Force ebenso wenig vorweisen wie den Eintrag ins Vereinsregister.

Das streitet Stefan K. zwar ab („Von einer e.V. wurde nie geworben oder gesprochen“), doch die mittlerweile ruhend gestellte Facebook-Seite lief bis zum 17. März unter dem Namen „Task Force Bottrop e.V.“. Auch wenn er Administrator dieser Seite ist, habe er mit der Benennung nichts zu tun gehabt, sagt Stefan K. Zudem hatte Stefan K. einen Post in einer Facebook-Gruppe mit „Task Force Bottrop e.V.“ unterschrieben. Seine Erklärung: „Dies ist durch Abschreibung bzw. T9 Autovervollständigung geschehen.“

Stefan K. will „persönlich aufkommen“ für Schäden

Er gebe zu, so Stefan K. im persönlichen Gespräch, dass er verantworte, dass keine Spendenquittungen ausgestellt wurden. „Das war mein Fehler und dafür komme ich persönlich auf.“ Wer einen Schaden erlitten habe durch ausgebliebene Spendenquittungen, könne auf ihn zukommen.

Doch neu ist das Thema Spendenquittungen nicht: Die Task Force hatte bereits im vergangenen Sommer für die Opfer der Flut im Ahrtal getrommelt: Gelder gesammelt, Sachspenden geliefert. Das Frauen-Netzwerk „Sisterhood“ übergab der Task Force damals nach eigenen Angaben 4500 Euro, die die Unternehmerinnen gesammelt hatten. Eine Spendenquittung hat bis heute niemand erhalten.