Gelsenkirchen. In der Mittelukraine, wo der Gelsenkirchener Jürgen Hansen hilft, spitzt es sich zu. Doch Spenden nehmen ab und Helfer stehen vor leeren Regalen.
- Gelsenkirchener Jürgen Hansen ist weiterhin in der Zentralukraine. Dort spitzt sich die Lage zu, zuletzt zerstörte die russische Luftwaffe eine Erdölraffinerie in der Nähe.
- Gleichzeitig nehmen die Spenden aus Gelsenkirchen ab. „,Die Leute haben inzwischen eigene Existenzängste, weil alles so viel teurer geworden ist“, heißt es etwa von einer Initiative.
- Auch haben die Ehrenamtlichen mittlerweile Probleme, an Müllsäcke oder Bananenkisten zu kommen. Die leeren Regale in Supermärkten sind für sie eine Herausforderung.
„Der Krieg ist nun auch richtig bei uns angekommen“, schreibt der Gelsenkirchener Jürgen Hansen am vergangenen Samstag aus der Ukraine. Etwa 20 Kilometer entfernt von seiner Residenz im zentralukrainischen Switlowodsk hat die russische Luftwaffe nun eine Erdölraffinerie und ein Hochhaus zerstört. „Die Panik unter den Leuten ist jetzt natürlich groß.“ Die Sorge: Dass das russische Militär, das seine Truppen aktuell im Osten verstärkt, die ukrainische Verteidigung in Charkow an der Ostgrenze durchbricht und durchmarschieren kann. „Dann“, sagt Hansen, „wird es verflucht eng.“
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Einige Tage vor dem Angriff auf die Raffinerie war der SPD-Ratsherr – nachdem er für kurze Zeit nach Gelsenkirchen zurückgekehrt war – wieder zur Ukraine aufgebrochen, um weitere Ladungen voll Spenden dort hinzubringen. Vier Konvois mit einem geschätzten Gesamtwert von über 300.000 Euro konnten er und sein Team mittlerweile über die Grenze bringen, der nächste soll am Mittwoch vollgeladen werden. Jetzt, befürchtet Hansen, werden all die Medikamente, Verbandsstoffe und Lebensmittelkonserven jedoch schnell aufgebraucht sein.
Ehrenamtler in Gelsenkirchen: „Mit den Spenden hat es total abgenommen“
Die Kirche St. Georg an der Florastraße hier in Gelsenkirchen, die noch vor kurzem rappelvoll war und als zentrales Spendenlager diverser Privatinitiativen diente, leert sich jedenfalls zunehmend. Das kommt zwar auf der einen Seite gelegen, weil die Kirche über die Ostertage für Messen benötigt wird. Doch zugleich bedauert Helferin Cornelia Keisel, dass „es mit den Spenden total abgenommen hat.“ Sie führt das auch auf die Knappheit bei manchen Produkten in deutschen Supermärkten zurück – die auch den Helfern Probleme bereitet.
„Ich war zuletzt drei Stunden unterwegs, um zehn Rollen Müllsäcke zu bekommen. Sie sind überall ausverkauft“, erzählt uns Keisel mit einer gewissen Fassungslosigkeit. „Das ist eine Katastrophe.“ Auch Bananenkisten seien aktuell schwer zu bekommen – ausgerechnet jene Dinge also, in denen all die Spenden verpackt werden müssen. „Das ist teilweise schwerer, als an Öl oder Mehl zu kommen“, sagt die „Tierschutz Hier!“-Stadtverordnete, die sich seit Tag eins bei der Ukraine-Hilfe engagiert, aber ehrenamtlich sonst vor allem bei der Tiertafel aktiv ist.
Auch Tierheimen in der Ukraine soll von Gelsenkirchen aus geholfen werden
Eines ihrer Ziele: dass nach den vielen Hilfstransporten für die Bevölkerung in der Ukraine bald auch ein Lkw-Anhänger mit Paletten voll Futter für die dortigen Tierheime starten kann. Keisel will dann auch selbst ins Kriegsgebiet und sich die Situation in den Tierheimen vor Ort ansehen – sofern es die Lage in der Zentralukraine dann noch erlaubt.
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Von einem deutlichen Rückgang bei den Spenden berichtet auch Björn Böttcher, Betreiber der Party-Kneipe „Konkurenz“, der gemeinsam mit der „A&N Kampe Vertrieb GbR“ nach Kriegsausbruch eine Spendenaktion für die Ukraine gestartet hat. „Mittlerweile“, sagt Böttcher, „haben wir seit anderthalb Wochen keine Spenden mehr bekommen.“ Er führt dies darauf zurück, dass „die Leute inzwischen eigene Existenzängste haben, weil alles so viel teurer geworden ist.“ Zudem bekomme man ja nicht mal mehr Nudeln oder Mehl für den Eigenbedarf. „Selbst im Großhandel wird es schwierig.“
Dennoch hat Böttcher noch genug Spenden, um einen weiteren Transport an die Grenze zu bringen – und um Kleidung, Handtücher und mehr für jene Ukrainer bereitzustellen, die nach Gelsenkirchen gekommen sind. Sein Plan: Die Spenden demnächst in einer zentralen Abgabestelle in Ückendorf abzugeben.
Gelsenkirchener Jürgen Hansen aus der Ukraine: „Die Begehrlichkeiten wachsen“
Während die ersten großen Spendenwellen in Gelsenkirchen also abflachen, meldet Jürgen Hansen aus der Ukraine: „Die Begehrlichkeiten werden immer größer.“ Denn nachdem sich dort herumgesprochen hatte, dass es ihm und seinem Team gelungen ist, mehrere Konvois erfolgreich hin- und zurückzuschicken, hätten sich immer mehr Gruppen bei ihm gemeldet – erzählt Hansen, während er eine Bedarfsliste aus einer benachbarten Großklinik in die Handykamera hält. Die Hände, die sich verständlicherweise öffnen, werden nicht weniger. Denn zusätzlich zu der eigenen Bevölkerung seien mittlerweile 1800 Flüchtlinge aus anderen Regionen des Landes im 45.000-Einwohner großen Switlowodsk. „Und die meisten haben nicht mehr als eine Plastiktüte und die Klamotten an ihrem Leib.“
Wo man spenden kann
Spenden (Arzneien, Pflegeprodukte, Konserven, Tiernahrung, Batterien etc.) können weiterhin an der Georgskirche an der Franz-Bielefeld-Straße 38 abgegeben werden. Die Abgabezeiten: mittwochs, freitags, samstags, 10 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung unter 0163 2516236. Kleinere Spenden nimmt auch der Help-Laden der Task-Force Flüchtlingshilfe an der Von-der-Recke-Straße 3 entgegen. Fragen zum Thema Ukraine (Ehrenamt, Unterbringung, Spenden, Anmeldung von Flüchtlingen etc.) beantwortet die zentrale Ukraine-Hotline der Stadt: 0209 169 9000 (auch auf Ukrainisch), ukrainehilfe@gelsenkirchen.de