Bottrop. Die Polizei warnt vor den Betrugsversuchen mit Schockanrufen. Eine WAZ-Leserin schildert, wie dramatisch diese Anrufe inszeniert werden.
- Schockanrufe sind teilweise eine dramatische Betrugsmasche.
- Eine 73-jährige Bottroperin will nun sensibilisieren und warnen.
- Sie hat uns geschildert, wie erschütternd Schockanrufe sein können.
Überrumpelt von einem Schockanruf? Eine Riesensumme an Fremde aushändigen, die sich später als Betrüger rausstellen? Kann mir doch nicht passieren, wird so mancher da schnell denken. Kann sogar sehr leicht geschehen, hat eine WAZ-Leserin erfahren. Um andere zu warnen und für das Vorgehen der Schockanrufer zu sensibilisieren, erzählt die 73-jährige Bottroperin ihre Geschichte.
Vorweg: Bis zur Geldübergabe ist es am Ende nicht gekommen. Doch zunächst glaubte die Seniorin das, was ihr am Telefon erzählt wurde, war in echter Aufruhr. „So ein Schockanruf versetzt einen wirklich in Schock. Das ist das Entscheidende dabei“, erzählt sie von der Gefühlsachterbahn, die sie durchlebte.
Bottroperin über den Schockanruf: „Ich höre eine schluchzende Frauenstimme“
Und die begann, als sie völlig unvorbereitet im Untergeschoss des Hauses mittags zwischen 12 und 12.30 Uhr einen Anruf entgegen nahm. „Ich hörte eine schluchzende Frauenstimme: Mama, Mama, mir ist was ganz Schlimmes passiert.“ Die von Tränen erstickte Stimme ordnete die Bottroperin sofort ihrer Tochter Sophie (Name von der Redaktion geändert) zu. „Ich fragte: Sophie, was ist denn los – und habe damit gleich eine Information preis gegeben.“ Was ihr in dem Moment natürlich nicht auffiel, denn das Schluchzen am anderen Ende der Leitung hörte nicht auf. Heute sagt die 73-Jährige: „Es war richtig gut gespielt, die Anruferin schluchzte und schniefte.“ Zum Zeitpunkt des Anrufs hielt sie das Bündel Elend tatsächlich für ihre Tochter, machte sich Sorgen.
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Und sagte: „Leg auf, ich gehe mal hoch.“ Denn: Ihre Tochter wohnt tatsächlich im gleichen Haus, „über mir“, arbeitet dort flexibel im Homeoffice. Doch da habe es am Telefon schon geheißen: „Mama, ich gebe dich dem Polizisten.“ Ein Mann sei an den Apparat gekommen und habe ihr erklärt: Ihre Tochter hätte einen Unfall verursacht, bei der eine 30-jährige Frau ums Leben gekommen sei, eine Mutter von zwei kleinen Kindern.
„Ich habe gleich gesagt: Um Gottes Willen! Wo ist das passiert, mit welchem Auto?“ Daraufhin meinte der vermeintliche Polizist, er habe die Akte noch nicht vorliegen, die Tochter sei auf dem Polizeipräsidium. „Ich habe das sofort mit Bottrop assoziiert“, so die Seniorin. Unmöglich schien ihr das Ganze nicht, teils verlasse die Tochter das Homeoffice nämlich auch.
Bottroperin sollte eine Kaution von 75.000 Euro hinterlegen
Der vermeintliche Polizist habe sie auch gefragt, wer sie sei – „ich habe geantwortet und meinen Namen preisgegeben“ – und Druck gemacht: Die Tochter würde dem Haftrichter vorgeführt, und damit sie nicht in U-Haft käme, sei eine Kaution von 75.000 Euro zu hinterlegen. „Wo soll ich die denn hernehmen“, so die Seniorin geschockt. Die prompte Antwort sei gewesen: „Sind Sie nicht wohlhabend?“ Da sei sie zum ersten Mal unsicher geworden, erzählt die Seniorin, die vor Schock gezittert habe „wie Espenlaub“.
Sie bewegte sich mit dem Telefon aus dem Untergeschoss Richtung Hochparterre, sah „Gott sei Dank“ das Auto ihrer Tochter vor der Tür stehen, ging noch ein Stockwerk höher und traf Sophie tatsächlich unversehrt in ihrem Homeoffice an!
Ein Glück: Die angeblich verunglückte Tochter sitzt daheim im Homeoffice
„Mir sind Steine vom Herzen gefallen“ – aber sie habe noch nicht aufgelegt. Per Telefon erhielt sie die Anweisung, das Geld bei der Staatsanwaltschaft an der Gerichtsstraße zu hinterlegen. Als sie noch einmal insistierte, mit welchem Auto der Unfall denn jetzt geschehen sein sollte, erhielt sie „Rolls Royce“ zur Antwort. Möglich, dass der Betrüger nun auch registriert hatte, dass er mit ihr nicht so ein leichtes Spiel haben würde. „Er hatte auch noch irgendwann gefragt, ob meine Tochter bei mir im Haus wohnt, da habe ich mich rausgewunden.“ Sie legte auf.
Ihre eigene Reaktion erstaunt sie selbst. „Ich habe vorher nicht gewusst, wie ich in einem solchen Schock reagieren würde. Ich wäre relativ sicher gewesen, dass ich souveräner bin“, sagt sie. Und hinterher, da ist man ja sowieso immer schlauer. Die Rufnummer-Anzeige sei nämlich schon auffällig gewesen – Pfeilspitzen ohne Nummer. Und dann diese Ungereimtheit im Ablauf: „Meinte Tochter sollte angeblich dem Haftrichter vorgeführt werden – doch die Kaution stand schon fest.“
Aber zunächst war sie emotional einfach so gepackt, dass die kleinen Anzeichen in den Hintergrund gerieten. Und die Idee, dem Anrufer zu sagen „Ich rufe die 110 an und überprüfe die Angaben“ sei ihr in dem Moment auch nicht in den Sinn gekommen. Hinweis: Dieser Text erschien erstmals im Februar 2022.