Bottrop. Wegen Corona dürfen in NRW keine großen Karnevalssitzungen stattfinden. Der Vorsitzende des Festkomitees Bottroper Karneval ist sauer.

Frank Feser trägt wie immer sein Herz auf der Zunge. „Die Situation ist scheiße. Das können Sie ruhig so schreiben.“ Das sagt der Vorsitzende des Festkomitees Bottroper Karneval, als er auf die jüngste Entscheidung der laufenden Session angesprochen wird. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat sich am Dienstag mit Vertretern des organisierten Karnevals darauf verständigt, dass der Sitzungskarneval wegen der aktuellen Infektionslage nicht wie gewohnt stattfinden kann.

Wüst hatte die Ergebnisse mit dem Präsidenten des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, sowie dem Präsidenten des Festausschusses Aachener Karneval und Vizepräsident des Bundes Deutscher Karneval, Frank Prömpeler, vorgelegt. Feser dazu mit einem dicken Hals: „Köln und Aachen tun so, als wenn sie für alle Karnevalisten sprechen. Die haben das vereinbart für alle Karnevalisten in NRW, das kann doch nicht sein“, schimpft er.

Bottroper Karnevalsvereine müssen in Vorkasse gehen

Was ihn besonders auf die Palme bringt, ist das Signal, das in der Öffentlichkeit und auch über die Medien transportiert wird. Nämlich: Der Karneval ist abgesagt worden. „In enger Abstimmung mit der Landesregierung werden die Karnevalsveranstalter daher mit Blick auf den Gesundheitsschutz auf entsprechende Veranstaltungen verzichten“, so die Mitteilung vonseiten der Landesregierung.

„Es wird suggeriert, dass abgesagt worden ist. Aber es wird auf eine freiwillige Absage der Vereine gesetzt“, sagt Feser. Laut aktueller Corona-Schutzverordnung von NRW könne man theoretisch Veranstaltungen wie Partys und Sitzungen mit geltenden Hygiene-Regeln wie 2G-plus stattfinden lassen.

NRW-Landesregierung: erst absagen, bezahlt wird später

Die Idee der Landesregierung: Die Gesellschaften sagen pandemiebedingt freiwillig ab und über einen Sonderfonds bekommen sie ihr Geld, dass sie für den Saal und die Künstler bezahlt haben, im nächsten Jahr zurück. Die freiwillige Absage muss aber anhand eines Antrags bis zum 23. Dezember dieses Jahres erfolgen. So einfach die Theorie klingt, sieht die Praxis anders aus. „Wenn wir die Veranstaltung absagen, haben wir erst mal Kosten von mehreren Tausend Euro“, sagt Feser, der zugleich Präsident der KG Boy ist. „Wir können einen Antrag stellen und hoffen, dass wir unser Geld zurückbekommen.“

Erste Absagen von Sitzungen

Die Stellkeswägg 1881, Bottrops älteste Karnevalsgesellschaft, hatte schon vor Beginn der Session angekündigt, die traditionelle Prunksitzung in der Aula der Willy-Brandt-Gesamtschule wegen der Pandemie nicht stattfinden zu lassen.

Die KG 13 hat jüngst auch einstimmig beschlossen, ihre große Prunksitzung im Muazzam Palast an der Weusterstraße abzusagen. „Wir sind traurig darüber, aber für uns steht immer die Gesundheit im Vordergrund“, sagt Präsident Jens Reinges.

Bei den KG Grün-Weißen-Funken ist noch nichts entschieden. „Aber wir gehen aktuell davon aus, dass die Veranstaltungen (Prunksitzung, Tanz- und Gardetreffen, Kindersitzung, d. Red.) nicht stattfinden werden“, sagt Präsidentin Yanina Kwiatkowsky.

Alle Bottroper Gesellschaften werden laut Feser von Ehrenamtlern geführt, die nicht mal eben in Vorkasse gehen können. „Die Leute machen Karneval aus Spaß an der Freude. Wir sind keine Wirtschaftsunternehmen“, sagt er. „Hoffentlich gilt das Wort“, sagt er an die Adresse des NRW-Ministerpräsidenten gerichtet. Ansonsten sieht der Vorsitzende des Festkomitees dramatische Entwicklungen voraus. „Die Nachwehen werden wir erst im nächsten Jahr zu spüren bekommen.“ Aus Fesers Sicht würde ansonsten ein Szenario mit dem finanziellen Aus von (kleineren) Vereinen und der Austritt von Mitgliedern aus den Bottroper Gesellschaften drohen.

Es gilt das Motto: Friss oder stirb

Generell ist Bottrops Karneval nie finanziell auf Rosen gebettet gewesen. „Wie sollen wir uns jetzt verhalten?“, fragt Feser. Erstens: Man folgt dem Trend anderer Karnevalsvereine aus NRW sowie dem mittlerweile öffentlichen Druck und sagt die Veranstaltungen ab, in der Hoffnung, dass das Geld zum Überleben im nächsten Jahr kommen wird.

Oder: Man zieht die Veranstaltung mit allen Konsequenzen durch. „Wenn man nicht absagt, ist man der Doofe und der Buhmann“, sagt Feser, weil man sich bei der aktuellen Infektionslage nicht solidarisch zeigen würde. „Und wenn dann noch was passiert, wird man öffentlich an den Pranger gestellt.“