Bottrop. Erst große Liebe, dann Demütigung: Für Menschen, die aus einer toxischen Beziehung kommen, gibt es nun in Bottrop eine Selbsthilfegruppe.

„Ich habe nicht mehr existiert.“ Was für eine gebürtige Bottroperin als große Liebe begann, als „Sechser im Lotto“, wandelte sich allzu schnell in ein Verhältnis, in dem sie Demütigungen und Schuldzuweisungen erfuhr, nur noch an sich selbst zweifelte. Heute weiß sie: Ein Jahrzehnt war sie tief in eine toxische, in eine vergiftete Beziehung verstrickt. Den Ausstieg hat sie geschafft, doch ihr Weg ist immer noch steinig, manchmal unübersichtlich. Deshalb möchte die Mittfünzigerin, die ihren Namen nicht öffentlich nennen will, nun in Bottrop eine Selbsthilfegruppe (SHG) gründen: „Toxische Beziehungen – und was kommt danach?“

Toxische Beziehung: Was einst geliebt wurde, wird plötzlich kritisiert

Von außen betrachtet, mag man sich fragen: Wie hält man es zehn Jahre in einer Beziehung aus, die nicht gut tut? Die Antwort liegt wohl vor allem in der emotionalen Verstrickung. „Zuerst wurde ich von meinem Partner in den Himmel gehoben“, erzählt die SHG-Initiatorin. Ihr war, als wäre der sprichwörtliche Traumprinz auf dem weißen Ross in ihr Leben gerauscht. „Doch diese Aufwertung wurde umgewandelt, ins Negative gedreht und gegen mich geschossen.“

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In einer toxischen Beziehung wie der ihren lebe man nur noch in dem Gedanken, wie man den Glückszustand aus der Anfangsphase wiederbekommen könne. „Mein Gegenüber weiß das, gibt Krümel.“ Und selbst, wenn man wie sie zwischendurch erkennt: „Ich bin mehr wert als die Krümel vom Kuchen, ich will das ganze Tortenstück“, sind die Konsequenzen nicht so leicht zu ziehen. „Man ist in einem Automatismus, begibt sich in Abhängigkeit.“

Einige Jahre habe sie mit ihrem anfänglichen Traummann in einer On-Off-Beziehung verbracht, habe ihm vieles nachgesehen, auch das Fremdgehen. „Ich habe mich erhöht gefühlt, ich bin die One and Only, keine andere kann ihm helfen.“ Irgendwann haben sie geheiratet, Eigentum angeschafft. „Ich wusste, es läuft was falsch, aber ich konnte dem keinen Namen geben“, schildert die Mittfünzigerin. Dann war da auch noch ihr Verantwortungsgefühl, „man verlässt keinen Mann mit Problemen“.

Es brauchte einige Nadelstiche und schließlich seine Initiative, um den Ausstieg zu schaffen. „Ich habe großes Glück gehabt, dass er sich mit einem finalen Paukenschlag von mir getrennt hat – weil ich es nicht geschafft hätte.“

Bottroper Selbsthilfegruppe: Kein Raum für Rache

Doch das emotionale Loch ließ nicht lange auf sich warten, erzählt die SHG-Gründerin. Plötzlich ihrer Lebensaufgabe beraubt, habe Einsamkeit sie übermannt. „Ich habe Entzugserscheinungen gespürt“, schildert sie, die sich auch körperlich elend fühlte. Sie hat sich psychologische Hilfe geholt, fühlte sich vom privaten Umfeld aber auf der Emotionsebene allzu oft unverstanden. „Für jemanden, der das nicht erlebt hat, ist das nicht nachvollziehbar.“ Umso wichtiger ist ihr der Austausch unter Menschen, die allesamt ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Mit Flyern macht das Selbsthilfebüro Bottrop auf die neue Selbsthilfegruppe „Toxische Beziehung – und was kommt danach?“ aufmerksam.
Mit Flyern macht das Selbsthilfebüro Bottrop auf die neue Selbsthilfegruppe „Toxische Beziehung – und was kommt danach?“ aufmerksam. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Mit der neuen Selbsthilfegruppe unter der Überschrift „Toxische Beziehung – und was kommt danach?“ möchte die Initiatorin ausdrücklich „keinen Raum schaffen für Leute, die sich rächen möchten“. Sie will ihren Ex-Partner auch nicht an den Pranger stellen, denn „dadurch erhebe ich ihn“. Heute ist ihr klar: „Ich bin ein Teil der toxischen Beziehung gewesen.“ Vielmehr möchte sie mit der Gruppe erreichen, „dass wir einen Weg finden, uns gegenseitig zu stützen. Ich möchte einen Raum schaffen, wo man alles ablegen kann. Mir ist wichtig, dass Ernsthaftigkeit dahinter steht, dass auch das Umfeld besser hinguckt“.

Sie selbst habe in ihrer toxischen Beziehung keine körperliche Gewalt erfahren, „aber ich habe gehört, dass es das auch gibt“. Vergiftete Beziehungen können zwischen Partnern herrschen, aber auch innerhalb der Familie oder unter Freunden. „Treffen kann es eine Professorin ebenso wie einen Hartz-IV-Empfänger“, fügt sie hinzu. Die neue Gruppe ist offen für alle.

Infos und Anmeldung

Die Selbsthilfegruppe zum Thema „Toxische Beziehung – und was kommt danach?“ trifft sich zum ersten Mal am Donnerstag, 18. November, um 18.30 Uhr im Haus der Vielfalt, Gerichtsstraße 3. Alle 14 Tage sind die Gruppenabende geplant.

Teilnehmer müssen geimpft, genesen oder getestet sein (3G-Regel) und einen entsprechenden Nachweis mitführen.

Interessierte melden sich im Bottroper Selbsthilfe-Büro an unter 02041 2 30 19 oder per E-Mail an selbsthilfe-bottrop@paritaet-nrw.org. Dort sind auch weitere Infos erhältlich.