Bottrop. Für eine Nacht heißt es für eine Bottroperin und ihren Sohn (2): gekachelter Raum statt Patientenzimmer. Chefarzt berichtet von Infektionswelle.
Erst plagte Husten den zweieinhalbjährigen Sohn von Hanan E.. Und dann kam wenige Tage später schwallartiges Erbrechen dazu. Nach einem längeren Mittagsschlaf ging’s los und hörte einfach nicht auf. „Ich wollte das lieber abklären lassen“, berichtet die Bottroperin.
An einem Abend Ende Oktober suchte sie mit ihrem Sohn die Notfallambulanz am Marienhospital (MHB) auf. Nach rund drei Stunden Wartezeit, so die 29-Jährige, seien sie stationär aufgenommen worden - und mussten die erste Nacht in einem gekachelten Nebenraum verbringen, in dem die Mutter letztlich auf dem Fußboden schlief. Eine „Notlösung“, wie Chefarzt Dr. Mirco Kuhnigk sagt, geschuldet einer frühen Infektionswelle, die zur Überfüllung auf der Kinderstation führt.
Bottroper Chefarzt: Massiver Anlauf auf Kinder-Notfallambulanzen in Deutschland
„Es gibt einen massiven Anlauf auf die Notfallambulanzen im gesamten Bundesgebiet“, erläutert der Chefarzt. Die Ursache ist häufig eine Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV), die die Atemwege betrifft und gerade für Frühgeborene und Säuglinge gefährlich werden kann. „Es gibt viele Kinder, die verlernt haben, mit Infekten umzugehen“, so Kuhnigk. Denn aufgrund der strengeren Corona-Schutzmaßnahmen im vergangenen Herbst und Winter war der Nachwuchs insgesamt mit weniger Viren konfrontiert. Kuhnigk veranschaulicht das so: „Letztes Jahr hatten wir einen RSV-Fall. Jetzt sind es 20 bis 25 Patienten, die pro Tag auf der Station liegen. Das führt insgesamt zu einer massiven Auslastung der gesamten Kinderkliniken, einschließlich uns.“
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Dazu komme am MHB: „Wir ermöglichen es den Eltern, nicht in der Nacht quer durchs Ruhrgebiet von Krankenhaus zu Krankenhaus ziehen zu müssen.“ Kranke Kinder werden also möglichst nicht abgewiesen. Daraus resultiere, dass Patienten auch mal im Flur untergebracht würden, sowie in einem ehemaligen Versorgungsraum, wie im Fall von Hanan E. und ihrem Sohn. „Ein Notbehelf, um Patienten zu ermöglichen, bei uns zu bleiben.“ Schnellstmöglicher Umzug inklusive, bei Hanan E. am nächsten Mittag.
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Zwar sei der Versorgungsraum, in dem es früher eine Waschmöglichkeit für Schwerbehinderte gab, gekachelt und ohne Patienten-WC, aber es gebe eine Patientenklingel und medizinisch sei dort alles möglich, was geleistet werden müsse.
Kinder mit Infektionen werden gesondert untergebracht
Wird es in der Nacht eng auf der Station, würden natürlich auch die Privatzimmer belegt und aus Zwei-Bett- teils Drei-Bett-Zimmer gemacht, betont der Chefarzt. Kinder mit Infektionen könnten aber nicht einfach überall dazu gelegt werden.
Wegen seines Hustens sei auch ihr Sohn auf das RS-Virus getestet worden (letztlich negativ), zudem bestand der Verdacht auf eine Magen-Darm-Infektion durch das gefürchtete Norovirus, berichtet Hanan E.. Während sie mit ihrem sich weiter erbrechenden Sohn in der Ambulanz wartete habe sie mitbekommen, wie zwei Kinder mit dem Rettungswagen gebracht wurden. „Da schien es schon schwierig, die Kinder unterzubringen, weil die Station voll war“, schildert die 29-Jährige ihren Eindruck. Offenbar seien auch andere Krankenhäuser überfüllt gewesen.
Bottroperin schläft lieber auf dem Boden als auf einem Stuhl
Hanan E. kann verstehen, dass das Krankenhaus Zwängen ausgesetzt ist – „aber Optionen gibt es immer“. Der Versorgungsraum kam ihr zunächst wie ein Waschraum vor; schlafen sollte sie auf einem einfachen Stuhl mit Kissen, zog dann aber den Boden vor. „Mein persönliches Empfinden ist: Wenn ich als Mutter mein Kind begleite, muss ich mich auch erholen und Kraft haben, um für mein Kind da zu sein.“ Für den Toilettengang musste sie den Raum verlassen, tat das trotz Schwesternaufsicht mit ungutem Gefühl.
Ein Zimmer auf einer anderen Station des MHB – warum konnte das nicht von der Familie bezogen werden? Das mit der Gefährdung anderer Patienten zu begründen, scheint Hanan E. nicht schlüssig. Macht Dr. Mirco Kuhnigk auch nicht, sondern erklärt auf WAZ-Nachfrage: „Kinder mit zwei Jahren gehören auf eine Kinderstation! Ein unruhiges Kleinkind braucht ein spezifisches Angebot, dafür haben wir das Fachpersonal.“ Jugendliche kämen in bestimmten Situationen durchaus auch auf eine Erwachsenen-Beobachtungsstation. „Aber das machen wir nicht mit einem Säugling und seiner stillenden Mutter oder mit einem kleinen Kind, bei dem es darum geht, es einschätzen zu können.“ Kinder seien ein spezielles Klientel, „sie brauchen erfahrene Pflegekräfte“.
Bottroperin kritisiert: Einsparungen im Gesundheitssystem treffen die Schwächsten
Darüber hinaus findet die Bottroperin, der es nicht nur um ihr eigenes Erlebnis geht: „Um die Auslastung der Kinderklinik muss unbedingt eine Debatte geführt werden.“ Und zwar grundsätzlich, gesundheitspolitisch und gar nicht nur die Bottroper Situation betreffend. „Nach jahrelangen Einsparungen im Gesundheitswesen sehen wir jetzt die Ergebnisse. Die kleinen, die älteren, die schwächeren Patienten sind die Leidtragenden“, kritisiert Hanan E.
64 Betten für Kinder und Jugendliche
Die Kinderklinik am Marienhospital verfügt über 64 Betten inklusive der Neonatologie.
Stationsleitung und Leitender Oberarzt hätten Hanan E. die Unterbringungssituation persönlich erklärt und sich auch dafür entschuldigt, sagt Chefarzt Dr. Mirco Kuhnigk. „Das ist eine Notlösung, das ist uns allen klar. Das wird auch immer so kommuniziert.“ Oft sei bei den Eltern großes Verständnis dafür da.