Bottrop. Fast jeder Bottroper kann in einer App schauen, wie stark sein Haus durch Überflutungen gefährdet ist. Die Warnungen sollen noch präziser werden.
Wie gefährdet ist mein Haus durch Hochwasser und Starkregen? Das sollen Bottroper Bürger bald in der „Flood Check App“ der Emschergenossenschaft nachschauen können. Schon jetzt gibt es dort Gefährdungseinschätzungen, die aber durch eine neue Studie noch genauer werden sollen.
Schon lange vor der Flutkatastrophe an Ahr und Erft hat die Stadt bei einer Dortmunder Ingenieurgesellschaft ein Maßnahmenkonzept zur Klimafolgenanpassung in Auftrag gegeben, in dem es auch darum ging: Wie gehen wir mit künftig immer wahrscheinlicheren Starkregenereignissen um? Jetzt liegen die Ergebnisse vor.
Völlig überraschend sind sie nicht, sagt Tilman Christian, Abteilungsleiter Umweltplanung im Fachbereich Umwelt und Grün. Je versiegelter ein Grundstück, je tiefer es liegt und je höher das Grundwasser steht, desto größer ist das Risiko einer Überflutung. Das wird für die Anwohner in Grafenwald sowie Teilen der Innenstadt, von Batenbrock und der Welheimer Mark nichts ganz Neues sein.
Mögliches Überflutungen: Risikogebiete in Bottrop sind bekannt
Auch die Stadt kennt bereits die Risikogebiete, in denen Überflutung durch Hochwasser und Starkregen drohen. Das Land hat eine Hochwassergefahrenkarte erarbeitet, die Stadt hat bereits Rohdaten einer Starkregenanalyse. Beides bildet zusammen mit den Daten über die Gewässer des Emschersystems die Datengrundlage für die „Flood Check App“ der Emschergenossenschaft. Bottrop, Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Herne und Herten haben nach Angaben des Abwasserverbandes schon ihre Starkregendaten für die App geliefert. Auch die Daten aus der jüngsten Klimaanalyse sollen in die App eingespeist werden.
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Grundsätzlich sieht Tilman Christian das Stadtgebiet beim Umgang mit Starkregen bereits relativ gut aufgestellt: „Wir arbeiten ja nicht erst seit gestern an diesem Thema.“ Bottrop ist seit 2004 eine der Ruhrgebietsstädte, denen die Emschergenossenschaft attestiert, von Anfang an die „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ und das folgende Projekt „Wasser in der Stadt von morgen“ konsequent umgesetzt zu haben. Das Etappenziel für 2020 hieß: 15 Prozent des Regenwassers sollten von der Kanalisation abgekoppelt werden. Statt in die Kanalisation zu fließen, soll soviel Regen wie möglich versickern.
Ziel: Zehn Prozent mehr Verdunstung bis 2040
Das nächste Ziel, um Überflutungen nach Starkregen zu vermeiden, haben Städte, Land und Emschergenossenschaft festgeschrieben im Ruhrkonferenz-Projekt mit dem etwas sperrigen Namen „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“. Bis zum Jahr 2040 will Bottrop mindestens 25 Prozent der befestigten Flächen vom Kanalnetz abkoppeln und den Verdunstungsgrad bis 2040 um zehn Prozent erhöhen.
Weitere Beiträge zum Schutz vor Überflutung leistet die Emschergenossenschaft selbst mit dem laufenden Umbau der Boye und dem anstehenden Umbau der Emscher. An der Boye meldet sie Vollzug beim Teilabschnitt nördlich der A2. Der nächste Teilabschnitt von der B224 bis zum Pumpwerk in der Welheimer Mark soll voraussichtlich bis Anfang 2023 renaturiert sein. Auch der Liesenfeldbach ist nach Fertigstellung des Abwasserkanals mittlerweile zum naturnahen Gewässer umgebaut. Das Meisterstück steht noch aus: Nach Inbetriebnahme des 51 Kilometer lange Abwasserkanals Emscher im August soll die Emscher bis Jahresende komplett abwasserfrei und danach ebenfalls naturnah umgebaut werden – mit ganz viel Platz für Versickerung.
Bottroper Kanalnetz kann zu viel Starkregen nicht schlucken
Was fängt die Stadt jetzt an mit den Klimadaten, außer sie den Bürgern über die App verfügbar zu machen? Das stadteigene Kanalnetz kann und will sie nicht für größere Starkregenereignisse ausbauen, das hat Dezernent Klaus Müller mehrfach in den letzten Monaten klargestellt.
Das kann die App
Die App „EGLV FloodCheck“ können sich Bürgerinnen und Bürger kostenlos aus dem Apple-App Store auf das iPhone laden. Nach Eingabe einer Adresse folgt dann eine Bewertung des Hochwasser- und Starkregenrisikos. Für jedes Haus in Bottrop, verspricht der Anbieter. Ein Test mit der Redaktionsadresse brachte allerdings die Antwort: „Zu Ihrer Eingabe konnten keine Hochwasser-Informationen ermittelt werden.
Die Stadt will den Hinweis auf die App in ihrem Internetauftritt auf bottrop.de begleiten mit „Informationsmaterial und Interpretationshilfen“.
Sie will die Daten erst einmal miteinander sinnvoll verknüpfen, sagt Tilman Christian: „Die vorhandene Klimaanalyse berücksichtigte noch nicht die Ergebnisse der Starkregenanalyse. Die Rohdaten der Starkregenanalyse beinhalten hingegen keinerlei Hinweise zur Umsetzung von Maßnahmen.“
Appell an die Eigentümer der Gebäude
Auf ihren eigenen Flächen werde die Stadt nun prüfen, wie sie Oberflächen modellieren könne, damit das Wasser besser abfließt. Und sie will gemeinsam mit der Emschergenossenschaft die App und die eigene Homepage dazu nutzen, um an die Menschen zu appellieren, die den Schutz vor Starkregen im Wortsinn in der Hand haben: „Der Objektschutz durch die Eigentümerinnen und Eigentümer ist unbestritten ein zentraler Baustein zur Vorsorge gegen Starkregenschäden. Insbesondere im Gebäudebestand hat die Verwaltung keine Handhabe zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen wie Rückstauklappen, Überdachen von Kellertreppen oder Schutz der Kellerfenster. Umso wichtiger ist es, dieses Thema in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern.“