Bottrop. Bottrop im Aufbruch: Ab heute zeigt das Stadtarchiv eine Foto-Schau über die 60er-Jahre. So sah Zeitungsfotograf E.G. Schweizer die Stadt.
Bottrop in den Sixties: Da sind Gegensätze vorprogrammiert, zumal wenn die Bilder von einem Zeitungsfotografen stammen, dessen Aufgabe es ist, Veränderungen im Stadtbild, Menschen, Vereine, Politik und immer auch das abzubilden, was einfach Zeitgeist heißt. Da gehört der Auftritt von Rex Gildo in der Innenstadt ebenso dazu, wie Bottrops erste Schüler-Demo gegen die Notstandsgesetze 1968. Mit der Schau „Bottrop in den 60er-Jahren“ setzt das Stadtarchiv nun seine Präsentation des Archivs von Bottrops wohl bekanntestem Zeitungsfotografen Ernst Günter (E.G.) Schweizer fort.
Knapp 80 von über 90.000 digitalisierten Fotos sind in Bottrops Kulturzentrum zu sehen
Ausstellung- Erinnerung an das Bottrop der 60er-Jahre
„Archiv“ klingt geordnet, fast harmlos. Aber um nach der Dekade der 50er-Jahre nun Bottrops Swinging Sixties zu digitalisieren, hat Beatrix Schweizer, die Tochter des Fotografen, über drei Jahre gebraucht. Es handelt sich um nicht weniger als rund 90.000 Negative allein aus den 60er-Jahren.
„Die 50er-Jahre waren noch umfangreicher, etwa 115.000 Negative, die schon digitalisiert sind“, sagt Beatrix Schweizer. Knapp 80 Fotos sind nun im Kulturzentrum zu sehen. „Aber mit der Auswahl, die Stadtarchivarin Heike Biskup letztlich getroffen hat, sind wir sehr zufrieden“, sagt auch Beatrix’ Schwester Birgit, wie ihr Vater langjährige WAZ-Fotografin in Bottrop.
Da geht es um das langsame Verschwinden des ländlichen, fast betulichen Ortsbildes am Beispiel des Altmarkts und der Hansastraße. Stuckverzierte Gründerzeit, oder was der Bombenkrieg davon übrig ließ, weicht Bauten wie dem klotzigen Böhmer-Haus. Aber auch die Kinderrutsche in dem ehemaligen Schuhhaus darf nicht fehlen. An den Ausfallstraßen Richtung Essen entstehen neue Hochhäuser, die Schweizer damals wie solitäre Fremdkörper auf Ackerland festhält. Der Neubau der Sparkasse dort mit der kühn geschwungenen Fassade zeugt von Gestaltungswillen und dem Ehrgeiz, auch in Neubauten Qualität zu verwirklichen.
Erinnerungen an die „Rickets“ und das „Diamant Quartett“
Bottrops einst neuer Jugendclub „Die Brücke“ wirkt aus heutiger Sicht alles andere als jugendlich. Anzug und Schlips, Mädchen wie Damen mit aufgetürmter haarspraygesicherten Monumentalfrisur, lassen eher an eine Cocktailbar denken. Die „Rickets“, das „Diamant Quartett“: Unterhaltung von damals kommt nicht zu kurz in der Ausstellung, für die Archivarin Heike Biskup oft noch die passenden Zeitungsartikel von damals herausgesucht hat: „Bottroper Band startet Deutschlandtournee“, wie die WAZ 1968 mitteilt.
Aber wo die Zechen noch fördern gibt es auch Migration, damals: Gastarbeiter. An das deutsch-türkische Anwerbe-Abkommen vor 60 Jahren erinnert die Schau ebenso, wie an die Griechen aus dem so genannten „Griechenlager“. Den Ausdruck kennt auch Kulturamtsleiterin Martina Schilling-Graef noch, die damals mit ihren Eltern an der Prosperstraße wohnt. Sie erinnert sich an fremde Musik, Männer, die dort ohne Familie lebten und an Grillen im Freien, damals sonst noch völlig unbekannt.
Private Erinnerungen an die 60er-Jahre in Bottrop
Schmankerl sind Bilder wie der Milchbauer auf der Hochstraße, die alte „Herzogsbuche“, zwei verschlungene Bäume im Stadtwald, oder eine seltene Ansicht von der alten, vor 60 Jahren abgerissenen Knippenburg, einem der raren Bottroper Herrensitze aus der Zeit vor der Industrialisierung. Es gibt aber auch private Erinnerungen aus diesen Jahren, die Bottroperinnen und Bottroper an eine Pinnwand geheftet haben. Dort sind übrigens noch einige Plätze frei.